An Menschen erinnern!
Bei verheerender Lage in Nachbarschaftsräumen unseres Landes ist Rückzug von Kommentaren für die Adventszeit, die Festtage, zum Jahreswechsel geraten. Zeit aber bleibt, um sich an Menschen zu erinnern, die unter Nazi-Deutschland gelitten haben.
Gedenken an Olga Anhalzer Fisch (Budapest,1901 – Quito, 30. Dezember 1990).
Aufgewachsen im jüdischen Glauben, wollte Olga Malerin werden — hohe Begabung und Fleiß zeigten sich früh.
Sie zeichnete für sozialdemokratische Zeitungen („Népszava“ in Budapest, „Arbeiter Zeitung“ in Wien) und illustrierte deutschsprachige Bücher von Émile Zola. Künstlerische Orientierung suchte sie durch Arbeit als Designerin in den Wiener Werkstätten, im Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie und durch Reisen.
1937 engagierte sich Olga Fisch politisch und künstlerisch in Äthiopien, das Mussolini grausam überfallen und verwüstet hatte. Dort erfuhr sie von einem antisemitischen Anschlag auf ihren Bruder. Höchste Zeit für ihre Familie und enge Verwandte, Deutschland und Europa den Rücken zu kehren und nach New York zu fliehen! Olga Fisch schaffte es als anerkannte Künstlerin mit umfassender beruflicher Erfahrung, ihre Angehörigen zu unterstützen, da sie als einzige bezahlte Arbeit fand.
1939 zog Olga Anhalzer Fisch mit ihrem Mann Béla Fisch nach Quito/Ecuador. Durch ihr Werk als Malerin, Textilkünstlerin, Sammlerin und bedeutende Förderin indigener Kunst erarbeitete sie sich hohes internationales Ansehen. Ihre Arbeiten finden sich zum Beispiel im Museum of Modern Art (MoMA), New York, dem dortigen Lincoln Center, dem Palais der Vereinten Nationen in Genf, dem British Museum in London.
Doch genug von den dürren Hinweisen auf dieses großartige Lebenswerk. Hier der Eindruck einer sachverständigen, weil examinierten Künstlerin und Kunstpädagogin, die Olga Fisch in ihrer kunstgewerblichen Galerie in Quito gesehen hat:
„Am Boden ihrer Galerie stapelten sich Wollteppiche. An den Wänden hingen Teppiche in leuchtenden Farben und mit fremdartigen Motiven: Schlangenvögel, Kondore, Kolibris.
Irgendwo, in einem Winkel, war Olga Fisch, vertieft in ein Gespräch mit Kunden. Sie, die große Dame, war klein, grauhaarig, und mit leiser Stimme erklärte sie, wie sie die Werkstätten der Indios besuchte. Wie sie deren künstlerisch gewebte Teppiche mit uralten Motiven schätzen lernte und schon bald den Plan fasste, diese Kunst unbedingt erhalten und fördern zu wollen. Sie besprach mit den „artesanos“ die Auswahl der antiken Motive und belieferte sie mit der gewünschten, handgefärbten Wolle. Wichtig war ihr als Kundin für den Ankauf kunstgewerblicher Arbeiten, die indigenen Künstler bei Fertigstellung der Werke sofort zu bezahlen — ganz im Unterschied zu dortigen Gewohnheiten.
(Übrigens: In Südamerika wurde leuchtend roter Farbstoff aus Cochenilleschildläusen hergestellt, die auf Feigenkakteen leben. Die Technik der Farbherstellung wurde in den Bergen von Peru, Bolivien und Ecuador schon vor der Ankunft der Europäer angewendet und war dort schon etwa seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. bekannt.)
Wunderschöne Messingringe an der unteren Kante der gewebten Teppichkunst liess Olga Fisch ebenfalls anfertigen. Die goldene Farbe ist den indigenen Völkern des Andenraumes Ausdruck für die Verehrung der Sonne. Oft zog Olga Fisch eigenhändig die Wollschlaufen durch die Ringe hindurch. So gab sie ihren Teppichen ein unverwechselbares Finish, mit ihrem klaren Sinn für die künstlerische Gestaltung.
Leise, aber lebhaft habe ich Olga Fisch erlebt. Ihr Motto: Keep thinking.“
Gerade bei solcher Erinnerung gilt für uns Deutsche: “Keep thinking!“