Der Brexit kommt.

Leider, leider wird das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK) die EU verlassen.

Liberal denkende EU-Bürger werden die britische Widerständigkeit gegen den in der EU verbreiteten staatlichen Interventionismus noch vermissen.

Wer den Debatten im britischen Unterhaus oder den Protokollen von Hansard gefolgt ist, muss wohl einsehen: Das Land ist in Bezug auf Brexit- und Bremain-Anhängerschaft zwar tief gespalten. Dennoch wird sich der Wunsch der Mehrheit von Brexiteers, auch durch die Wahl vom 12.12.2019 bestätigt, nun durchsetzen.

Die Mehrheit der Briten lehnt ganz offensichtlich zentrale politische Ziele ab, die in der EU angestrebt werden:

  • Das EU-Ziel der „ever closer political union“ und erst Recht deutsche Visionen der “Vereinigten Staaten von Europa“.
  • Merkels Flüchtlingspolitik 2015/2016 habe nach Meinung namhafter Beobachter den Ausschlag beim Brexit-Referendum gegeben.
  • Den Euro und überhaupt die Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion.
  • Den Vorrang von Gemeinschaftsrecht und EuGH-Rechtsprechung gegenüber nationalem Recht.
  • Dazu mag noch die Abneigung gegen eine vermeintlich französisch-deutsche Führungsrolle in der EU kommen.

Nicht wenige EU-Bürger hoffen nun, dass

  • die EU mit dem UK ein großzügiges Freihandelsabkommen — auch unter Berücksichtigung der für das UK wichtigen Dienstleistungsexporte (z.B. Finanzdienste, Versicherungen) — abschließt.
  • Und beste Regelungen für die jeweiligen EU-UK- und UK-EU-Wanderer vereinbart.
  • Auch dass die EU der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon den Zahn des Separatismus und des Austritts aus dem UK zieht: mit der eindeutigen Ansage, dass Separatismus nicht mit der EU-Mitgliedschaft belohnt wird. Sonst könnten wir ähnliche Ansinnen z. B. aus dem Baskenland oder aus Katalonien erwarten.

Das Umarmungs-Gewese von Martin Schulz (damals EU-Parlamentspräsident) und Jean-Claude Juncker (damals EU-Kommissionspräsident) um Sturgeon, als die Dame nach dem Brexit-Referendum 2016 in Brüssel auftauchte, hat bedenkliche Erwartungen in Schottland beflügelt. Europapolitisch anzuerkennen ist demgegenüber, dass der damalige Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, Nicola Sturgeon den Empfang verweigerte.

Es mag sein, dass die Briten eines Tages den Brexit bereuen werden, wie ihnen sicher in besonders unerwünschter Weise aus Deutschland nachgerufen wird: *1)

Die “Nöte des Landes schreien zum Himmel: die schnöde Ungleichheit, die würdelosen Verhältnisse, in denen viele Menschen hier leben müssen, die unbezahlbaren Wohnungen, das Ende des britischen Traums von einer eigenen wie auch immer kleinen Immobilie, die Insuffizienz des Nationalen Gesundheitsdienstes, das sinkende Niveau der öffentlichen Schulen … Sie werden merken, zu welcher Vernachlässigung ihrer Nöte, zu welcher politischen Verschwendung sie verführt worden sind unter diesem einseitigen Fokus auf nichts anderes als Brexit … auch wenn Johnson heute schwindelerregende Ausgabenversprechen macht, die ihm niemand mit einer Spur von Verstand abnimmt; es sei denn, man begrüßte den Ruin der nationalen Finanzen … Die Politik insgesamt hat Schaden genommen. Die Briten wirken heute wie eine Gesellschaft, die blinzelnd in eine Trümmerlandschaft schaut und sich fragt, welche unzerstörten Wohnungen noch übrig geblieben sind. Selbst die Einheit des “Vereinigten“ Königreiches ist nicht mehr gesichert. Niemand hat mehr Vertrauen in die verantwortlichen Köpfe.“

Schicken wir diesem Kassandra-Ruf noch die biblische Losung des heutigen Weihnachtstages hinterher, um das Maß der Warnungen aus Deutschland voll zu machen: „Mein Volk tut eine zwiefache Sünde: mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich Zisternen, die doch rissig sind und das Wasser nicht halten.“ (Jeremia 2,13). *2)

Als langjähriger Anglophiler unbeirrt: Die allerbesten Wünsche für die Zukunft der Menschen im UK, denen wir Bürger in der EU und in der NATO weiterhin eng und freundschaftlich verbundene Partner bleiben werden!

*1) MEINUNG. BREXIT-FOLGEN. Die Briten in ihrer politischen Trümmerlandschaft. Veröffentlicht am 02.11.2019. Von Thomas Kielinger; https://www.welt.de/debatte/kommentare/article202803858/Brexit-Folgen-Die-Briten-in-ihrer-politischen-Truemmerlandschaft.html. Hinweis RS: Kassandra hatte immer Recht; ihre Warnungen wurden indes nie beachtet.

*2) 25.12.2019. Gottes Wort an diesem Tag; Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine.