Friedensillusionen vor dem SPD-Parteitag.

Vor dem SPD-Parteitag drängen die SPD-Befürworter des “Friedensmanifestes“, das Gespräch mit Russland zu suchen und die weitere Aufrüstung sowie Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland abzulehnen. 

Sie erfahren zwar Kritik durch die SPD-Parteiführung, aber auch vielfältige Unterstützung, neuerdings durch den angesehenen Autor Prof. Dr. Heribert Prantl. *1) 

Prantl hat den Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag empfohlen, „über eine Friedensordnung in Europa jenseits des Kriegs“ nachzudenken. 

Dies wäre zu begrüßen, wenn Prantl nicht fortführe: „Und dieses Nachdenken beginnt mit dem Gedanken, dass Moskau zu Europa gehört, so wie Mariupol, München, Marseille und Madrid. Madrid gehörte auch zur Zeit der Franco-Diktatur zu Europa; und die Strahlkraft des demokratischen Europas hat dazu beigetragen, diese Diktatur zu überwinden.“ *1)

Prantl verkennt, dass eben diese „Strahlkraft des demokratischen Europas“ Putins Grund für seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine ist. Denn die Ukraine hatte sich 2013/14 mit dem Euromaidan, der „Revolution der Würde“, gegen die Unterwerfung unter Russlands „Einflusssphäre“ erhoben und den Weg zur Partnerschaft mit der EU und der NATO beschritten.

Und „die Strahlkraft des demokratischen Europas“ ist auch der Grund für Putins Drohung, NATO-Partner wie die baltischen Länder oder Finnland und Norwegen anzugreifen, sobald er seine Kriegsziele in der Ukraine erreicht hat. 

Prantl scheint eine Reihe von Fakten zur Bedrohung Europas durch Russland zu ignorieren: Putins Aussagen, die seines Umfelds, die maßlose Aufrüstung Russlands sowie die Konzentration von Truppen und militärischer Infrastruktur an den östlichen Grenzen des NATO-Gebietes. 

Ausgewiesene Fachleute wie General Breuer oder die Professoren Carlo Masala und Sönke Neitzel haben die zunehmende Bedrohung Europas durch Russland analysiert, die deutsche Öffentlichkeit gewarnt und zu wirksamer Abschreckung durch vermehrte Rüstung aufgerufen. 

Wenn Prantl fordert, „friedensfördernde Mechanismen in Gang zu setzen … Es geht um das Zusammenleben in Europa“, scheint er Illusionen über Putins Russland zu verfallen.

Die von Prantl beschworene „Strahlkraft des demokratischen Europas“ mag das wirtschaftlich heruntergekommene Spanien Francos zur europäischen Demokratie geführt haben. Vor allem waren es jedoch mutige Demokraten und nicht zuletzt der junge König Juan Carlos I., denen der Umschwung zur Demokratie gelang. 

Es erscheint abwegig, solche Hoffnung auf Putins Russland zu übertragen. Russland und das eng verbündete China, beides Einparteiendiktaturen, stellen der „Strahlkraft des demokratischen Europas“ ihre brutalen Machtapparate entgegen — in unerbittlicher System-Rivalität bis hin zum Krieg.

Es gibt mit dem Kriegsverbrecher Putin und seinem Regime kein friedliches “Zusammenleben in Europa“. 

 *1) SZ Prantls Blick. Die SPD vor dem Sprung. Der Parteitag als Ernstfall. Die politische Wochenschau. Prof. Dr. Heribert Prantl. 22. Juni 2025; prantls-blick@newsletter.sueddeutsche.de