“America First“, Menschenwürde, transatlantische Allianz. 

Der US-Vizepräsident James David Vance beschwor ein „christliches Konzept“, um die „America First“-Politik aus seinem Glauben herzuleiten.

1. USA: Missbrauch der Religion?

Dieses „christliche Konzept“ *1), auf das sich Vance mutmaßlich bezieht, lautet: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ — „You shall love your neighbor as yourself“ (Mt 22: 37- 40).   

Vance hatte nicht nur das Interview bei Fox News am 29. Januar 2025 genutzt *2), sondern sich „routinemäßig auf seinen Glauben berufen, um die Migrationspolitik zu verteidigen, mit der die Trump-Vance-Regierung ihr ´America First`- Ziel verwirklichen will“: *3)

„Es besteht eine christliche Idee,

dass du deine Familie liebst, 

dann deinen Nachbarn, 

dann deine Gemeinschaft,

dann deine Mitbürger,

und danach erst räume dem Rest der Welt Priorität ein.

Der Großteil der extremen Linken hat diese Rangordnung vollständig umgedreht.“

Ebenfalls im Februar 2025 teilte der damalige Kardinal Robert F. Prevost, heute Papst Leo XIV, auf der Plattform X die Kritik an Vance durch einen Link zum Urteil der theologisch geschulten Autorin Kat Armas: „JD Vance is wrong: Jesus doesn’t ask us to rank our love for others“ *2) (JD Vance irrt: Jesus fordert von uns keine Rangfolge in der Liebe für Andere).

Scharfe politische Angriffe auf Papst Leo XIV aus dem Trump-MAGA-Lager folgten unverzüglich: *3)

  • Steve Bannon, hart-rechter Anhänger und ehemaliger Chef-Stratege Trumps, kommentierte die Wahl von Papst Leo XIV: „Für mich ist es schockierend, dass ein Mann zum Papst gewählt wird, der auf Twitter Stellung gegen führende amerikanische Politiker bezieht.“ Bannon ist selbst praktizierender Katholik und ehemaliger Mess-Diener. Bannon drohte: „Sollte dieser Papst — was zu erwarten ist — versuchen, sich zwischen Präsident Trump und seine Massen-Deportationen zu stellen, dann werde ich diese verteidigen!“ 
  • Laura Loomer, hart-rechte Influenzerin, die Einfluss auf Trumps Personalentscheidungen habe, nennt Papst Leo XIV: „anti-Trump, anti-Maga, pro-open Borders, and a total Marxist like Pope Francis“.
  • Der Journalist Ben Harnwell, ein enger Mitarbeiter Steve Bannons, zu Papst Leo XIV: „This guy has been massively embraced by the liberals and the progressives … He is one of their own … he has [Pope] Francis’s DNA in him“.  

US-Vizepräsident Vance, angesprochen auf Kardinal Prevosts Urteil „JD Vance is wrong“, teilte ausdrücklich nicht die gehässig-politische Kritik gegen Papst Leo XIV aus dem Bannon-Lager. Vance, der 2019 den katholischen Glauben angenommen hatte, zollte vielmehr Papst Leo XIV den gebotenen Respekt. *3)  Dennoch ist zu bezweifeln, ob bei der Trump-Vance-Regierung und ihrer „America First“-Politik noch eine  transatlantische Wertegemeinschaft besteht.

2. US-Migrationspolitik und Menschenwürde.

Für die Autorin Kat Armas fordert das christliche Gebot der Nächstenliebe weltweite Verantwortung gegenüber allen Mitmenschen. Es sei also nicht, wie Vance meint, an Verwandtschaft und geographische Grenzen gebunden. Damit stelle es seit den Zeiten Jesus eine revolutionäre, ja „subversive“ Forderung dar. *2) 

Zugleich verbindet Kat Armas die Nächstenliebe mit dem Wert der Würde des Menschen. Zu den Massendeportationen durch die Trump-Administration schreibt sie: „Trumps Maßnahmen gegen die Einwanderung sind untragbar, wenn sie nicht die Würde des Menschen wahren.“ *4)

Da Kat Armas diese Aussage auf den Brief von Papst Franziskus an die Bischöfe der USA vom 11. Februar 2025 stützt, seien die folgenden Grundsätze in diesem Schreiben zur Frage der Migration hervorgehoben (siehe dort die Punkte 4. u 5.): *5)

  • Jede Maßnahme sei abzulehnen, die den illegalen Status mancher Migranten mit Kriminalität gleichsetze;
  • Zugleich sei das Recht eines Staates anzuerkennen, sich selbst und seine Gemeinschaften vor Einwanderern zu schützen, die vor oder nach Ankunft im Gastland kriminelle oder gewalttätige Straftaten verübt haben;
  • Massenhafte Deportation verletze die Menschenwürde vieler Männer, Frauen und ganzer Familien, die wegen extremer Armut, Unsicherheit, Ausbeutung, Verfolgung oder schwerer Umweltschäden ihr Land verlassen haben. 
  • Es werde keine Politik kritisiert oder behindert, die Ordnung und Rechtmäßigkeit in der Migration anstrebe, wenn sie Vorrechte für bestimmte Einwanderer zu Lasten anderer Einwanderer vermeide. Eine Politik jedoch, die nicht die Gleichheit der Würde jedes Menschen wahre, beginne schlecht und werde schlecht enden.

Damit hatte Papst Franziskus die Würde des Menschen mit migrationspolitischen Grundsätzen verknüpft, die sich nicht nur an die US-Bischöfe richteten. 

3. Zu Deutschlands Demokratie und Migrationspolitik.

In Deutschlands Demokratie hat der Schutz der Menschenwürde höchsten Verfassungsrang: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 (1) Grundgesetz). Über den Schutz der Menschenwürde und die Rechte der Menschen, die in unserer „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ leben, wacht das Bundesverfassungsgericht. 

Nach einem Jahrzehnt weitgehend unkontrollierter Zuwanderung sei Deutschland in Bezug auf die Integration der Geflüchteten in unseren demokratischen Staat zunehmend überfordert. Dies stellen vor allem viele Vertreter von Städten und Gemeinden fest. 

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesegierung von CDU, CSU und SPD heißt es deshalb zum Thema Migration und Integration: 

  • „Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung. Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet. 
  • Wir wollen Integration ermöglichen. Wir wollen ein einwanderungsfreundliches Land bleiben und eine qualifizierte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt attraktiv machen. 
  • Deutschland schlägt dabei einen anderen, konsequenteren Kurs in der Migrationspolitik ein. Die Anreize, in die Sozialsysteme einzuwandern, müssen deutlich reduziert werden. 
  • Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen. Deshalb werden wir unter anderem das Ziel der „Begrenzung“ der Migration zusätzlich zur „Steuerung“ wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz aufnehmen. Dadurch werden wir auch unsere Kommunen entlasten.“ *6) 

Steht die Migrationspolitik der Bundesregierung mit diesen Zielen und Zusagen im Widerspruch zu den Grundsätzen, die Papst Franziskus formuliert hatte? Eher nicht, da das Bundesverfassungsgericht nicht zulassen wird, wenn migrationspolitische Maßnahmen wie Abschiebung oder Zurückweisung in einer Weise erfolgen, welche die Garantie der Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes verletzen.

Scharfe Kontroversen sind dennoch mit dieser Frage verbunden und zu erwarten: 

  • Angesichts der Rolle, die Kirchen gerade bei migrationspolitischen Themen beanspruchen, wird die benannte Frage und die von der Bundesregierung angestrebte „Migrationswende“ die kommenden Debatten erheblich bestimmen. 
  • Außerdem wird die Rolle der Trump-Vance-Regierung in ihrer skandalösen Unterstützung der migrations-feindlichen, rechtsextremen AfD thematisiert werden. 
  • Damit droht eine schwerwiegende Belastung der transatlantischen Beziehungen in dieser gefährlichen Zeit — mit Krieg gegen das Partnerland Ukraine, Russlands Drohungen gegen benachbarte NATO-Länder bei unklarer Position der Trump-Vance Regierung zur NATO-Beistandspflicht. 

Rechts- und linksextreme Parteien in Deutschland lehnen den Widerstand, die Aufrüstung und die gebotene Abschreckung gegen die Bedrohung der Demokratie von EU- und NATO-Mitgliedern durch Putins Aggressionspolitik ab.

Diese Parteien — AfD (24 %), Linke (10 %), BSW (4 %) — erreichen in aktuellen Umfragen bereits 38 % Zustimmung gegenüber 42 % von CDU-CSU (Union 26 %) und SPD (16 %), den derzeitigen Regierungsparteien im Bund. Während AfD (+ 3 Prozentpunkte) und Linke (+ 1 Prozentpunkt.) Zuwächse von 4 Prozentpunkten im Vergleich zu März 2025 verzeichnen, verliert die Union 3 Prozentpunkte und die SPD verharrt beim schlechtesten Resultat ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl. *7)

Scheitert diese Bundesregierung, kann die Demokratie in Deutschland scheitern. So ernst ist die Lage unseres Landes geworden. Nicht zuletzt durch ein Jahrzehnt unkontrollierter Einwanderung.

*1) „Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus Mt 22, 35-49 Lektionar VII/7. Einer der Pharisäer, ein Gesetzeslehrer, wollte Jesus auf die Probe stellen und fragte ihn: Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste? Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetzt samt den Propheten.“ (Hervorhebung – rs); https://www.martinus.at/portal/glaube/sakramente/ehe/ehe_artikel/article71.html.

*2) National Catholic Reporter. JD Vance is wrong: Jesus doesn’t ask us to rank our love for others. OPINION. GUEST VOICES. BY KAT ARMAS. February 1, 2025; https://www.ncronline.org/opinion/guest-voices/jd-vance-wrong-jesus-doesnt-ask-us-rank-our-love-others (rs Übertragung – Hinweis Vance wörtlich: „There is a Christian concept that you love your family, and then you love your neighbor, and then you love your community, and then you love your fellow citizens, and then after that, prioritize the rest of the world. A lot of the far left has completely inverted that.“). 

*3) Nomia Iqbal & Mike Wendling. BBC News. Reporting from Chicago. Maga says Pope Leo may be American, but he’s not ‚America first‘. 10.05.2025; https://www.bbc.com/news/articles/clyglw20lg2o (Übersetzung zu St. Bannon – rs).

*4) National Catholic Reporter. Pope’s US letter was clear: Trump’s immigration moves are unacceptable unless they uphold human dignity. OPINION. GUEST VOICES. BY KAT ARMAS. February 14, 2025; https://www.ncronline.org/opinion/guest-voices/bible-full-stories-about-people-crossing-borders-gods-blessing.

*5) Holy See press office. Lettera del Santo Padre ai Vescovi degli Stati Uniti d’America, 11.02.2025. [B0127]. „Dear Brothers in the Episcopate, …“; https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico 2025/02/11/0127/00261.html (Übertragung rs).

*6) Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode. Siehe Abschnitt 3.3. Migration und Integration. S. 92 ff. Ziffern 2958 bis 2967; https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag2025_bf.pdf.

*7) ARD-DeutschlandTrend. Stand 04.04.2025; https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1452128.html.