SPD-Mitglieder-Votum.
“Mächtig stolz“ — so zeigt sich SPD-Generalsekretät Miersch nach der Online-Abstimmung durch SPD-Mitglieder. *1) Mach` mal halblang, meine ich.
1. Warum Zustimmung zum Koalitionsvertrag CDU, CSU, SPD?
Nach einer geradezu vernichtenden Wahlniederlage der Kanzlerpartei SPD ging es um eine sehr harte Alternative:
- Entweder die Oppositionsrolle für eine grundlegende programmatische und personelle Erneuerung annehmen,
- oder mit dem derzeitigen Führungspersonal in der Regierungskoalition mit CDU und CSU für neue Akzeptanz in der Wählerschaft arbeiten.
Mir war die Zustimmung zur Regierungskoalition sehr wichtig: Denn unsere Demokratie braucht jetzt — als vielleicht letzte Chance — den im Koalitionsvertrag gewünschten Beweis, dass den Parteien der demokratischen Mitte
- wenigstens die notwendige Aufrüstung und Abschreckung gegen die Kriegsdrohung aus Russland
- und der dafür notwendige Aufbau einer gegen hybriden Krieg robusten Infrastruktur gelingt.
2. Dramatische Gefahr für Deutschland und Europa.
Wird das Ausmaß der Bedrohung durch Russland in der deutschen Bevölkerung angemessen wahrgenommen? Fachleute bezweifeln dies und versuchen, die Bevölkerung über die Medien aufzuklären.
Überdies ist zu bedenken, dass die Trump-Regierung kaum noch Verlass auf Beistand bietet, falls Putin sich entschließen sollte, den NATO-Zusammenhalt etwa im Baltikum zu testen. Und ob auf die 16%-SPD wenigstens sicherheitspolitisch Verlass ist, kann nur gehofft werden.
- Bundeskanzler Scholz (SPD) hatte bereits das Vertrauen der Wählerschaft verloren, als er forderte: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben“. *2) Zu diesem Problem hatten Putins Russland und Belarus in spalterischer Absicht erheblich beigetragen, dennoch ist wenig passiert.
- Wer glaubte denn dem Scholz-Wort: „Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter Nato-Territoriums gegen Angriffe zu verteidigen“? So vor zwei Jahren Bundeskanzler Scholz bei einer Pressekonferenz mit Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas, Lettlands Ministerpräsident Arturs Krišjānis Kariņš und Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė. *3)
- Namhafte Militärexperten — die Professoren Carlo Masala und Sönke Neitzel — warnen derzeit vor dem anscheinend verbreiteten Glauben, dass uns viel Zeit für die Aufrüstung bleibe. Neitzel: „Wladimir Putin denkt in Opportunitäten und wird uns vorher testen. Deshalb sollten wir so handeln, als könnte dies unser letzter Sommer in Frieden sein.“ Masala: „Seit einem Dreivierteljahr sage ´so gut wie jeder Geheimdienst in Europa` dasselbe.“ *4) Dennoch werden diese auch von der Bundeswehr-Spitze geteilten Warnungen nicht selten als Panikmache abgetan.
Der “ARD-DeutschlandTREND“ vom April 2025 *5) zeigt, wie prekär die Lage unserer Demokratie geworden ist.
- Mit einer rechtsextremen AfD, die 24 % erreicht (bekanntlich pro-Russland),
- mit Zustimmung für Linksextreme von 14 % (Linke 10 %, BSW 4 %; beide bekanntlich pro-Russland),
- einer schwächelnden CDU/CSU mit nur 26 % als neue Kanzlerpartei,
- während SPD (16 %) und Grüne (11 %) zusammen gerade 27 % erreichen.
Die politischen Extremisten finden also bereits 38 % Zustimmung. Sie können jede noch so gebotene Änderung des Grundgesetzes (GG) durch die Parteien der demokratischen Mitte verhindern. Denn GG-Änderungen erfordern eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat (Art. 79, (2) GG).
Deshalb war eigentlich vom SPD-Mitgliedervotum nicht nur hohe Zustimmung zum Koalitionsvertrag, sondern auch — wegen der gefährlichen Lage Europas durch Putins Kriegsdrohung — sehr hohe Wahlbeteiligung zu erwarten. Immerhin wurde der Koalitionsvertrag unter der Überschrift “Verantwortung für Deutschland“ präsentiert.
- Hohe Zustimmung wurde zwar erreicht: von 200.637 SPD-Mitgliedern, die sich an dem Online-Votum beteiligten, haben 169.725 mit “Ja“ dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD zugestimmt. Also rd. 85 %! *1)
- Aber die geringe Wahlbeteiligung von 56 % (200 637 von 358.322 Mitgliedern *1)) lässt die “Verantwortung für Deutschland“ durch die SPD-Mitglieder schwach aussehen. Es wird vermutet, dass Probleme mit der reinen Online-Abstimmung (in den Osterferien) die geringe Wahlbeteiligung erklären könnten. *6)
3. Mit der SPD gute Regierungsführung?
Der SPD-Generalsekretär Miersch (ein SPD-Linker) erwartet bereits von der SPD-Regierungsbeteiligung unter einem Bundeskanzler Merz, dass die SPD „2029, bei der nächsten Bundestagswahl, als stärkste Kraft herauskommen“ werde. *1) Auch dazu meine ich, mach` mal halblang, statt unsinnige Vorgaben für die Wahl 2029 zu posaunen. Erst das Land, dann die Partei, muss jetzt gelten!
Bekanntlich ist die SPD eine gespaltene Partei. Bezogen auf die Geltung der Grundsätze von Marktwirtschaft und Sozialstaat gibt es vereinfachend dargestellt:
- Einen eher politisch pragmatischen und undogmatischen Flügel, den “Seeheimer Kreis“ mit SPD-Chef Lars Klingbeil. Diesem kann die These zugeordnet werden, dass zunächst am Markt erwirtschaftet werden müsse, was erst dann sozialpolitisch zu verteilen wäre.
- In der SPD-Bundestagsfraktion hat in den letzten Jahren die “Parlamentarische Linke“ zahlenmäßig und politisch dominiert. Sie steht der Marktwirtschaft eher skeptisch gegenüber und betont deutlich stärker eine sozialstaatliche Verpflichtung, von hohen Einkommen/Vermögen zu niedrigen umzuverteilen. Dazu kommt bei nicht wenigen linken Sozialdemokraten eine Nähe zu sicherheitspolitischen Positionen der linksextremen Parteien.
Ob diese gespaltene SPD einen CDU/CSU-Bundeskanzler Friedrich Merz und dessen Richtlinienkompetenz (Grundgesetz Art. 65 Satz 1) erträgt, der sich einen Politikwechsel in der Verteidigungs-, Wirtschafts- und in der Migrationspolitik vorgenommen hat, hängt von der Urteils- und Führungskraft des kommenden Vizekanzlers Klingbeil ab.
Weder Merz noch Klingbeil haben solche Urteils- und Führungskraft bisher in höchsten Regierungsämtern bewiesen. Die Bürgerschaft muss hoffen, dass ihnen der Gemeinsame Regierungsauftrag in “Verantwortung für Deutschland“ gelingt. Dazu scheint das öffentliche Meinungsbild zwiespältig:
- Eher pessimistische Stellungnahmen zur SPD sind in einflussreichen Presseorganen zu finden: „Hinter der großen Einigkeit, die der Mitgliederentscheid signalisiert, verbirgt sich allerdings auch jede Menge Zoff, ungelöste Machtfragen — und die Tatsache, dass die Sozialdemokraten noch keinerlei Antworten gefunden haben auf ihr quälendes Grundproblem: wie die SPD aus ihrer Nische wieder herausfinden und .. zu einer Partei von früherem Format zurückfinden soll.“ *7)
- Zuversichtlicher fällt das Urteil aus, zu dem Prof. Thorsten Faas, Politikwissenschaftler FU Berlin, über das SPD-Votum gelangt. Nach dem Frust über die Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition, bewerteten sehr viele SPD-Mitglieder die Koalition CDU/CSU – SPD positiv. In den Verhandlungen sei es gelungen, wichtige Positionen der SPD im Koalitionsvertrag zu verankern und das in der Ampel Erreichte zu sichern. Für beide Partner sei eine stabile und effektive Regierungsführung wichtiger als weiterhin inhaltliche Politik-Konflikte auszutragen: „Mehr Methode, weniger Inhalt“ (Faas). *8)
4. Fazit.
Abschließend bleibt zu hoffen: Die Koalitionsparteien CDU, CSU, SPD werden in dieser bedrohlichen Zeit in einer stabilen Regierung höchste Priorität sehen. Demgegenüber sollten unterschiedliche Politikziele der Parteien nachrangig behandelt und durch Kompromiss zügig gelöst werden. Parteipolitische Profilierungskonflikte wie in der Ampel werden von den deutschen Demokraten nicht mehr hingenommen:
“Verantwortung für Deutschland“!
*1) VIDEO. Statement von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zum Ausgang des SPD-Mitgliedervotums zum Koalitionsvertrag. Stand: 30.04.2025; https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1461736.html
*2) Olaf Scholz: Bundeskanzler fordert „Abschiebungen im großen Stil“. 20. Oktober 2023; https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/olaf-scholz-bundeskanzler-abschiebungen-migration.
*3) Olaf Scholz: „Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter Nato-Fläche zu verteidigen“. Aktualisiert am 26. Mai 2023; https://www.zeit.de/politik/2023-05/olaf-scholz-tallin-nato-baltische-staaten.
*4) „Putin überrascht uns“: Militärexperten warnen eindringlich vor Narwa-Szenario (rs Hinweis: Narwa, an der russischen Grenze gelegen, „ist die drittgrößte Stadt der Republik Estland, eine wichtige Industriestadt und das Zentrum der russischsprachigen Minderheit Estlands, zu der etwa 95 % der Einwohner Narwas gehören.“ Wikipedia). Malte Arnsperger. 21.04.2025; https://www.focus.de/politik/ausland/putin-ueberrascht-uns-militaerexperten-warnen-eindringlich-vor-narwa-szenario_80a9a41e-4ac3-4100-9923-868307164c09.html
*5) ARD-DeutschlandTREND April 2025. Repräsentative Studie im Auftrag der ARD; https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/2025/april/.
*6) Mit einem Apple-PC von 2012, der sonst zufriedenstellend funktioniert, war es nicht möglich, die Webseite spd.polyas.com/votum zu öffnen. Die sehr freundliche Hilfsbereitschaft seitens der SPD brauchte ich nicht mehr zu beanspruchen. Nach vergeblichem Probieren mit den Suchmaschinen Google und yahoo!, gelang der Zugriff über Google Chrome. Ich habe dies der SPD mitgeteilt.
*7) SPD-Mitgliedervotum: Friede, Freude und Friktionen. Eva Ricarda Lautsch. 30. April 2025; https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-04/spd-mitgliedervotum-koalitionsvertrag-ergebnis-basis-schwarz-rot
*8) VIDEO. „Sehr, sehr große Zustimmung“, Thorsten Faas, Politikwissenschaftler, FU Berlin, zum Ausgang des SPD-Mitgliedervotums. Stand: 30.04.2025; https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1461698.html