Internationale Armutsbekämpfung im Gegenwind.
Ein Freund, für mich Vorbild entwicklungspolitischen Engagements, erinnerte an das norddeutsche Wort: “Gegenwind formt den Charakter“.
Gerade derzeit drängen sich zwei Schlüsse zu diesem Wort auf:
- US-Präsident Trump stellt sich gegen die globale Armutsbekämpfung, das Urteil lautet: Unverzeihliche Unanständigkeit.
- Für Papst Franziskus war der Kampf gegen Armut und Elend in der Welt ein zentrales Ziel seines internationalen Wirkens: Das adelt Franziskus und sein Pontifikat.
1. Weltweite Armut.
Armut, definiert in weltweiter Analyse, bedeutet: *1)
- Arme Menschen müssen täglich mit einem US-$-Betrag zwischen $ 1.90 und $ 3.20 für ihr Leben auskommen. Das seien etwa 26 % der weltweiten Bevölkerung oder 1.3 Milliarden Menschen.
- Im Elend, also in extremer Armut mit weniger als $ 1.90 pro Tag, fristen etwa 9.2 % der Weltbevölkerung bzw. 700 Millionen Menschen ihr Leben. 90 % der Menschen, die unter extremer Armut leiden, leben in Entwicklungsländern, insbesondere in Ländern Afrikas südlich der Sahara und in Südasien.
- Diese Armut treffe gerade die Kinder unter 18 Jahren hart. Denn ihre Gesundheit, Erziehung und Ausbildung leidet so sehr, dass sie wahrscheinlich auch als Erwachsene von Armut betroffen sein werden, und sich über ihre Kinder die Geißel der Armut fortsetzt.
- Armut habe schwerwiegende Folgen für die Menschen, ihre Gemeinschaften, die Wirtschaft ihres Landes. Vor allem durch Defizite der für das Leben notwendigen Basis-Dienstleistungen — mit der Folge schlechter Gesundheit, begrenztem Zugang zu Bildung und reduzierten wirtschaftlichen Chancen. (Wer in Entwicklungsländern gerade im Umfeld der Städte Armuts- und Elendsgebiete gesehen hat, hat gewiss bedrückend-schauerliche Eindrücke mitgenommen).
In den letzten Jahrzehnten sind im internationalen entwicklungspolitischen Kampf gegen die Armut erhebliche Fortschritte erzielt worden. So sei der weltweite Anteil von Menschen, die in extremer Armut leben, zwischen 1990 und 2022 von 36 % auf 9.2 % gesunken. *1)
Bei solchen Daten ist immer folgendes zu beachten: *2)
- Eine Person in den USA ist arm, wenn sie von $ 24.55 oder weniger am Tag leben muss.
- In Äthiopien dagegen ist jemand arm, wenn nur $ 2.04 oder weniger am Tag verfügbar sind. Reichere und ärmere Länder definieren also unterschiedliche Armutsgrenzen, um für ihre Bürgerschaft informative Daten zum $-Einkommen/Tag bereitzustellen.
- Für globale Armutsmessung und Vergleiche, die mit den verschiedenen nationalen Armutsgrenzen konsistent sind, hat die Weltbank für die UNO eine “International Poverty Line“ von $ 2.15 pro Tag ermittelt. Diese soll die Armutsgrenzen in den ärmsten Ländern der Welt wiedergeben. *2) *3)
Nun hat die Weltbank feststellen müssen, dass etwa seit 2022 die Fortschritte im Kampf gegen die globale Armut ausbleiben. Dies zeige seit der Covid-Pandemie die “Globale Wohlstandskluft“ (“Global Prosperity Gap“), die eine Abnahme des inklusiven Einkommenswachstum misst (rs, d.h. vereinfacht: Das Einkommenswachstum zwischen Arm und Reich wird zunehmend ungleicher verteilt). *4)
Dieser Befund sei wohl durch zunehmende Ungleichheit in der Einkommensverteilung erklärbar, die abnehmende Chancen für sozio-ökonomischen Aufstieg reflektiere. Dies wiederum behindere stärkeres, inklusives Einkommenswachstum und damit einen Rückgang der Armut. *4)
Die “Globale Wohlstandskluft“ lasse sich nur dann schneller schließen, wenn — vor allem in den armen Entwicklungsländern Afrikas südlich der Sahara, Lateinamerikas und Südasiens — das Einkommenswachstum sich wesentlich schneller und/oder inklusiver vollzieht (rs = stärker gleichverteilt zwischen Arm und Reich).
Diesen Befund, dass die Abnahme globaler Armut und Ungleichheit seit 2022 ins Stocken geraten sei, hat die Weltbank festgestellt, bevor US-Präsident Trump seine zollpolitischen Anschläge auf die Welt am 2. April 2025 bekannt gab. Diese werden die “Globale Wohlstandskluft“ verschlimmern! Denn sie hemmen das Wirtschaftswachstum, und die Strafzölle treffen die Ärmsten dieser Welt, wie sich alsbald zeigt.
2. Trumps Zollpolitik: Anschlag auf die Bekämpfung globaler Armut.
Trumps protektionistische Zollpolitik sei nicht nur ökonomisch töricht, sondern abgrundtief ungerecht, da sie überwiegend die ärmsten Länder der Welt treffe. So die französische “Le Monde“, die folgende Beispiele als Beleg für ihr Urteil anführt: *5)
- Myanmar, durch ein Erdbeben schwer getroffen, nun von Trump mit 45 % Strafzoll belegt, weil das Land mehr Waren in die USA exportiert, als es von dort einführt. Ähnlich die Strafzölle gegen Kambodscha 49 %, Sri Lanka 44 %, Lesotho 50 %.
- Die Liste ärmster Länder mit zerstörerischen Strafzöllen setzt sich fort mit Madagaskar, Syrien, Irak, Angola, Bangladesch: „eine schwindelerregende Ungerechtigkeit ausgerechnet verübt durch die führende Weltmacht USA, deren Wirtschaftsleistung pro Kopf zur höchsten der Erde zählt.“ *5)
Während die EU-Mitglieder, China und sogar die USA selbst durch Trumps “protectionist madness“ mit Einbußen des wirtschaftlichen Wachstums rechnen dürften, werden sie sich wegen ihrer Wirtschaftskraft davon erholen.
„Für die fragilsten Entwicklungsländer“ hingegen, werden die „Folgen für ihre Armut, Arbeitslosigkeit und ihre politische Stabilität dramatisch“. Dieser Schlag trifft diese armen Länder umso schärfer, als Trump auch entschieden hatte, die Entwicklungshilfe (v. a. Hilfe für humanitäre und gesundheitspolitische Zwecke) durch USAID zu streichen. *5)
Obendrein diskreditierte Trump diese armen Länder als “Trittbrettfahrer“ auf Kosten der USA. Ihr einziges Vergehen: Exportüberschüsse im Warenhandel mit den USA — vor allem durch Zollerlasse, für die sich die USA ursprünglich stark gemacht hatten!
Trump möge sich “omnipotent“ fühlen, wenn er den ärmsten Teil der Erde zwingt, um Ausnahmen und um Gnade vor den US-“Strafzöllen“ zu bitten. Die internationale Gemeinschaft wird auf Trumps Zollpolitik ablehnend reagieren. China und die Feinde der USA werden dies zu schätzen wissen.
Le Monde wundert sich abschließend über Trumps strategische Ziele: Er wollte Amerikas Größe wieder herstellen, doch erreiche er nur, dass das internationale Ansehen seines Landes geschwächt wird. “Durch unverzeihliche Unanständigkeit!“ *5)
Wenn Trump den Gegenwind zur globalen Armutsbekämpfung symbolisiert, hat Le Monde ausgedrückt, wie dies Trumps Charakter offenbart: als unverzeihliche Unanständigkeit!
3. Papst Franziskus: Kampf gegen die Armut in der Welt.
Die Osterbotschaft des Papstes zum Segen Urbi et Orbi nahm den Kampf gegen die Armut in der Welt auf, den Franziskus zu einem wesentlichen Thema seines Pontifikats gemacht hatte. Machtvolle Worte bleiben der Welt erhalten: *6)
- „Wie viel Verachtung wird den Schwächsten, den Ausgestoßenen, den Migranten bisweilen entgegengebracht!
- Ich appelliere an alle, die in der Welt politische Verantwortung tragen, … die verfügbaren Ressourcen zu nutzen, um den Bedürftigen zu helfen, den Hunger zu bekämpfen und Initiativen zu fördern, die die Entwicklung vorantreiben. Die ´Waffen` des Friedens sind diejenigen, die Zukunft schaffen, anstatt Tod zu säen!“
Angesichts von Leid und Elend in den vielen Ländern, die Papst Franziskus aufsuchte, verzichtete er bewusst auf viele äußere Privilegien und Prunk und betonte Einfachheit in seinem Auftreten.
Am Donnerstag, dem 10. April 2025, habe Franziskus im Rollstuhl den Petersdom aufgesucht, Touristen begrüßt, mit Restauratorinnen gesprochen: „öffentlich ohne die weiße Papstsoutane – er hat eine einfache Decke oder einen Poncho übergeworfen, von hinten ist sein weißes Unterhemd zu erkennen … Soll ein Papst das? Darf ein Papst das? Sich so bekleidet zeigen?“ *7) Fragen der ZEIT aus Deutschland …
Gerade auch bei seiner Beerdigung am 26. April 2025, die Franziskus schlicht habe halten wollen, hatte sich „das große kirchenrömische Zeremoniell“ durchgesetzt. Gegen „die asketische Schrulligkeit des Verstorbenen“. *8) So “würdigte“ die ZEIT den Sieg über die gewünschte Einfachheit des Papstes Franziskus, den das Elend in der Welt zutiefst schmerzte. Ein “Sieg“ — durchgesetzt von “jener Ecclesia triumphans, der triumphierenden Kirche, die Franziskus seine ganze Amtszeit hindurch bekämpft hat.“ *8)
Der konstante Kampf des Papstes Franziskus gegen Armut und Elend in der Welt, adelt ihn und sein Pontifikat. Deshalb hier ein letzter Gruß: Papst Franziskus bleibt als wahrhaft edler Mensch unvergessen; denn bis zum Ende seines Lebens stand er für das große Wort der Bibel *9):
„Tue deinen Mund auf für die Stummen und die Sache derer, die verlassen sind.”
*1) World Poverty Statistics 2024; https://socialincome.org/en/int/world-poverty-statistics-2024#
*2) Poverty. By: Joe Hasell, Bertha Rohenkohl, Pablo Arriagada, Esteban Ortiz-Ospina, and Max Roser; https://ourworldindata.org/poverty.
*3) From $1.90 to $2.15 a day: the updated International Poverty Line. By: Joe Hasell. October 26, 2022. Retrieved from: ‚https://ourworldindata.org/from-1-90-to-2-15-a-day-the-updated-international-poverty-line‘. (RS: Joe Hasell betont, dass der zeitliche Unterschied in den beiden Armutsindikatoren vor allem die Inflationsentwicklung im Zeitablauf berücksichtigt).
*4) Poverty, Prosperity, and Planet Report 2024. Improvements in shared prosperity have stalled; https://www.worldbank.org/en/publication/poverty-prosperity-and-planet
*5) OPINION. TARIFFS. Poor countries are victims of Trump’s cynicism. EDITORIAL. Le Monde. The tariffs announced by the US president on April 2 are set to impact the most vulnerable populations first and are threatening their countries‘ economies with collapse. Published on April 5, 2025, at 6:03 pm (Paris), updated on April 6, 2025, at 8:58 am; https://www.lemonde.fr/en/opinion/article/2025/04/05/poor-countries-are-victims-of-trump-s-cynicism_6739870_23.html (Übertragung rs).
*6) Die Osterbotschaft des Papstes zum Segen Urbi et Orbi im Wortlaut. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Osterbotschaft von Papst Franzikus 2025 im Wortlaut. Sie wurde in seiner Anwesenheit vor dem Ostersegen Urbi et Orbi verlesen. Dazu beauftragte der Papst seinen Zeremonienmeister, Erzbischof Diego Giovanni Ravelli. Siehe: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-04/papst-franziskus-ansprache-ostersegen-urbi-et-orbi-ostern-2025.html?
*7) Papst Franziskus: Bis aufs Unterhemd. Patrik Schwarz. Aktualisiert am 11. April 2025, 18:05 Uhr; https://www.zeit.de/2025/14/papst-franziskus-krankheit-bilder-inszenierung
*8) Hoffnung in Papst Franziskus: Skandal der Offenheit. Jens Jessen. 26. April 2025, 14:39 Uhr; https://www.zeit.de/gesellschaft/2025-04/hoffnung-papst-franziskus-tod-protestantismus-veraenderung
*9) Sprüche Salomonis 31, 8.