Danke, Präsident Trump!

Wofür? Weil er durch sein erratisches Verhalten nun auch auf dem G7-Gipfel in Kanada die EU zu einer gleichgerichteten Sichtweise über ihre Aufgaben zwingt: zunächst in der Verteidigungs-, Handels- und Außenpolitik.

Denn Trump ignoriert die transatlantische Partnerschaft und blickt allein auf die turnusmäßigen “midterm“ (Halbzeit-) Wahlen Anfang November 2018, bei denen die üblichen Verluste drohen. Jüngste Umfragen zu den Parteipräferenzen sehen die Demokraten bei 47.5 % und Trumps Republikaner bei 39.3 %. *1)

Es mag überzeugte Transatlantiker schmerzen, dass nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber den verbündeten USA für die Außenpolitik der NATO- und EU-Mitglieder gelten muss: „realitätsbasiert statt illusionsgeleitet“. *2)

Dieser Grundsatz der Außenpolitik wird jetzt umso wichtiger, als auf Trumps Wort offenbar kein Verlass ist. Das scheint leider sogar für die „National Security Strategy“ (NSS) der US-Regierung zu gelten, die Trump Ende 2017 persönlich vorgetragen hat. Die NSS der US-Regierung — vom US-Kongress eingefordert — ist als sicherheitspolitische Planungsgrundlage für den Zusammenhalt des atlantischen Bündnisses von zentraler Bedeutung. Zweifel wachsen, ob sich Trump an die den Alliierten in der NSS gemachten Zusicherungen gebunden sieht.

Trump hat nach gut 500 Tagen Amtszeit die Auffassung nicht weniger Fachleute der USA bestätigt, dass die „Unstimmigkeit zwischen den Aussagen der NSS und Trumps eigenen Erklärungen jeglichen Wert untergraben, den das (NSS-) Dokument als Leitlinie für die derzeitige Außenpolitik haben könnte. Und Trumps impulsive Art wirft die Frage auf, ob diese Regierung überhaupt irgendeine Strategie umsetzen kann.“ *3)

Das gewohnt erratische Verhalten des US-Präsidenten Trump lässt sich bereits illustrieren, wenn nur seine handelspolitischen tweets seit Anfang Juni 2018 gelesen werden: *4)

  • 02.06.2018: Westliche Handelsbeziehungen aus Sicht Trumps — nicht frei, nicht fair, nur blöd. Zahl der „likes“ (d.h. gefällt mir): fast 130 Tausend.
  • 07.06. – 09.06.2018: Handelspolitische Warnungen an die G7-Kollegen wegen der Benachteiligung der USA. Zahl der „likes“: zwischen 72 Tsd. und 104 Tsd., eher umso mehr, desto härter Trumps Ton.
  • 09.06.2018: Freundlichkeiten Trumps auf dem G7-Gipfel, weil seine handelspolitischen Positionen verstanden würden. Drastischer Absturz der Zahl der „likes“: 34 Tsd. bis 36 Tsd.
  • 09.06.2018: Vor allem Kanadas Premierminister Justin Trudeau, den Gastgeber des Gipfels, beschuldigende und beleidigende („Very dishonest & weak“) tweets nach Trumps Bruch mit der G7-Vereinbarung. Zahl der „likes“: 68 Tsd. bis 72 Tsd.

Trump befindet sich anscheinend im „America First — America Alone“ Wahlkampf-Modus. Und die like-Reaktionen auf seine tweets werden ihn bestärken, die isolationistischen Bedürfnisse seines Stammpublikums zu bedienen.

Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisiert zu recht den „Vertrauensbruch“ und erweist seine USA-Politik damit als „realitätsbasiert statt illusionsgeleitet“: „Man kann mit 280 Twitter-Zeichen in Sekundenschnelle Vertrauen zerstören … Das wieder aufzubauen, wird viel länger dauern.“ *5)

Nicht nur in der Handelspolitik, auch gegenüber dem Klima- und ebenso gegenüber dem Iran-Abkommen habe Trump ähnliche Stimmungswechsel gezeigt. Das spreche — so Außenminister Maas — nicht gegen die G7-Gipfel, die Russlands Präsident Putin nach Pressemeldungen als „Gelaber“ (s. z.B. BILD) diskreditiert hat: „Manchmal macht es auch Sinn, in solchen Formaten die Unterschiede zu erkennen und dann auch deutlich zu machen.“ *5)

Auch das G7-Format hatte Trump bei dem Treffen in Kanada infrage gestellt. Von den übrigen Staats- und Regierungschefs wurde jedoch einhellig Trumps Forderung zurückgewiesen, Russlands Regierung einzubeziehen und G7 künftig wieder als G8-Gipfel zu organisieren.

Das G7-Format — argumentiert Strobe Talbott, der ehemalige stellvertretende Außenminister des US-Präsidenten Bill Clinton, gegen Trumps Vorschlag — sollte dazu dienen, die internationale Politik der Mitgliedsländer zu festigen auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Interessen. Mit Präsident Putins Teilnahme würden derzeit diese Ziele verfehlt. *6)

Russlands Ausschluss aus dem Gipfelformat im Jahr 2014 nach seinen Völkerrechts- und Kriegsverbrechen gegenüber der Ukraine sei ein „ideologischer und geopolitischer Imperativ durchaus im Einklang mit den Gründen für Russlands Aufnahme in die G8-Gruppe“ im Jahr 1997. Präsident Clinton damals, so erinnert Talbott: Russland in den Klub führender Demokratien aufzunehmen, sei zwar ein hochgradiges Problem, müsse aber mit der Situation verglichen werden, „dass Russland einen schlechten Weg nähme und unser Feind würde.“ *6)

Strobe Talbott stellt mit tiefem Bedauern fest: „That was a different Russia in a different world and, sadly, one led by a different United States … So here we are, 21 years later, and Russia has gone really bad, and it really is our enemy.“ *6)

Und Talbott schließt mit einem Weckruf für die Mitglieder der NATO und der Europäischen Union, der eindringlicher nicht sein könnte: „Trump told the press last week, with apparent pride, that he is ´Russia’s worst nightmare`. Wrong. He is the democratic world`s worst nightmare. He has crippled NATO, the North Atlantic community, the European Union and now the G7. In Putin`s zero-sum worldview, that is a dream come true.“ *6)

„Wir können Trump dankbar sein“ — hat der Experte für US-Außenpolitik, Josef Braml, überzeugend gefolgert: „Wir sollten uns darauf einstellen, dass die amtierende US-Regierung darauf aus ist, Europa zu teilen, um es besser beherrschen zu können.“ *7)

Transatlantische Partnerschaft ohne Illusionen, danke Präsident Trump!

*1) Vgl. Wikipedia-Artikel: Wahl zum Repräsentantenhaus und zum Senat der Vereinigten Staaten 2018.

Für die Wahl zum Repräsentantenhaus findet sich dort folgende Einschätzung: „Strukturell gelten Halbzeitwahlen als schwierig für die Partei des amtierenden Präsidenten, weil sie als Referendum gegen unpopuläre Entscheidungen auf Bundesebene dienen … Die Turbulenzen der bisherigen Präsidentschaft Trumps — der nach sechs Monaten der unbeliebteste Amtsinhaber seit Beginn repräsentativer Umfragen gewesen ist — haben dazu beigetragen, dass Beobachter davon ausgehen, dass die Republikaner Sitze verlieren könnten, manche sehen sogar ihre Mehrheit in Gefahr“.

Vgl. dazu auch: Are Democrats/Republicans Winning The Race For Congress? An updating estimate of the generic ballot, based on polls that ask people which party they would support in a congressional election. June 9 2018: Democrats 47.5 %. Republicans 39.3%; https://projects.fivethirtyeight.com/congress-generic-ballot-polls/.

*2) Diese Mahnung zur Außenpolitik findet sich in: MEINUNG GEGEN-AUFRUF. In der Ukraine-Krise ist eindeutig Putin der Aggressor. Veröffentlicht am 12.12.2014; https://www.welt.de/debatte/kommentare/article135289463/In-der-Ukraine-Krise-ist-eindeutig-Putin-der-Aggressor.html. (Eine Antwort auf den Russland-Aufruf von 60 Prominenten: 100 deutschsprachige Osteuropa-Experten plädieren „für eine realitätsbasierte statt illusionsgeleitete Russlandpolitik“. Der Text im Wortlaut.)

*3) The National Security Strategy Is Not a Strategy. Trump’s Incoherence Is a Reminder of Why a New Approach Is Needed. By Rebecca Friedman Lissner; https://www.foreignaffairs.com/articles/united-states/2017-12-19/national-security-strategy-not-strategy?cid=nlc-fa_fatoday-20171219. December 19, 2017. (Übersetzung RS).

*4) Donald J. Trump. Verifizierter Account @realDonaldTrump.

Erratisches Verhalten Trumps — vergleiche dazu die Pressemeldung: „Vor seinem Abflug hatte sich Trump trotz der tiefen Gräben im transatlantischen Verhältnis noch zufrieden gezeigt. Der Gipfel sei ´ausgesprochen erfolgreich` verlaufen. Das Verhältnis zu den anderen sechs inklusive Trudeau bewertete er mit der Bestnote 10 auf einer Skala von 1 bis 10.“

Siehe: Eklat: Trump stieg aus G7-Gipfel-Erklärung aus. Erst nennt US-Präsident Trump das Gipfeltreffen „ausgesprochen erfolgreich“, dann zertrümmert er via Twitter dessen mühsam errungene Ergebnisse.

10. Juni 2018; https://derstandard.at/2000081291022/Eklat-bei-G7-Gipfel-Trumpstieg-nachtraeglich-aus-Abschlusserklaerung-aus.

*5) Reaktionen zum G7-Gipfel. „Präsident Trump ist ein Chaot“. SPD-Chefin Andrea Nahles hat Donald Trump nach dem G7-Gipfel scharf angegriffen. Auch Außenminister Maas übte Kritik. Chinas Präsident Xi Jinping warb für offene Märkte.

Aktualisiert am 10. Juni 2018, 16:00 Uhr. Quelle: ZEIT ONLINE, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/reaktionen-g7-gipfel-kanada-donald-trump.

*6) WASHINGTON AND THE WORLD. Trump Just Blew Up the G7. Now What? With his call to invite back Russia and his refusal to sign the final statement, the U.S. president showed his true colors. By STROBE TALBOTT. June 09, 2018; https://www.politico.com/magazine/story/2018/06/09/trump-g7-what-comes-next-218668. (Übersetzung RS).

*7) Mittwoch, 06. Juni 2018. Experte zur US-Außenpolitik. „Wir können Trump dankbar sein“. Mit Josef Braml sprach Hubertus Volmer.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor des Buches „Trumps Amerika — Auf Kosten der Freiheit“. Quelle: n-tv.de.