Deutschland prüft.

Seit November 2023 greifen Huthi-Milizen, vom Iran finanziert und mit Waffen ausgerüstet, Handelsschiffe an, die das Rote Meer durchfahren.

1. Angriffe auf Handelsschiffe — Schutzinitiative der USA.

Die Huthis verfolgen das politisch-militärische Ziel, den Jemen unter ihre Kontrolle zu bringen und stellen sich als Kämpfer im Widerstand gegen die USA und Israel dar.

Ihr militärisches Operationsgebiet gegen Handelsschiffe ist die Meerenge des Bab al-Mandab zwischen Dschibuti und dem Jemen, wo sich das Rote Meer und der Golf von Aden treffen. Dort maßen sie sich Kontrollbefugnis über die Schifffahrt an: „Nur Frachtern, die Hilfsgüter für den Gazastreifen lieferten, würde die Durchfahrt im Roten Meer gewährt. Alle anderen würden zu ´legitimen Zielen unserer Streitkräfte`“. *1)

Der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ist diesem Huthi-Terror am 18. Dezember 2023 mit klarer Ansage entgegen getreten: *2)

  • Die rücksichtslos eskalierenden Attacken der Huthis aus dem Jemen würden freie Handelswege bedrohen, unschuldige Seeleute gefährden und das internationale Recht verletzen.
  • Das Rote Meer habe als bedeutende wirtschaftliche Verkehrsroute eine kritische Rolle für die freie Seefahrt und den internationalen Handel.
  • Länder, die sich zu dem Grundsatz freier Seefahrt bekennen, müssten sich vereinen gegen die Herausforderungen dieses nicht-staatlichen Akteurs, der ballistische Raketen und ferngelenkte Drohnen gegen Handelsschiffe vieler Länder einsetze, die rechtmäßig internationale Gewässer durchfahren.
  • Deshalb, so Lloyd Austin, kündige er heute die “Operation Prosperity Guardian“ (Einsatz zur Sicherung des Wohlstandes) an. Diese wichtige multinationale Initiative fokussiere sich auf die Sicherheit im Roten Meer unter dem Schirm der “Combined Maritime Forces (CMF)“ (Multinationale Streitkräfte zur See) und unter Führung ihrer “Task Force 153 (CTF153)“ (Einsatzgruppe 153).

Auf einer anschließenden Reise in den Nahen Osten *3) teilte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mit, dass sich neben den USA auch Großbritannien, Bahrein, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen, Spanien, Griechenland und Australien sowie weitere acht Länder, die ungenannt bleiben wollten, insgesamt also 20 Länder, an Maßnahmen zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer beteiligen.

Einige Länder, wie Frankreich, Italien und Spanien, betonen, dass ihre Einsätze im Roten Meer unter der Führung ihrer nationalen Streitkräfte verbleiben und nicht der “Operation Prosperity Guardian“ (OPG) unterstellt werden. *4) Bei Spanien steht das Engagement derzeit überhaupt infrage.

2. Deutschland verurteilt Huthi-Terror und prüft …

Die deutsche Politik verurteilt die Angriffe der Huthis: „Das sind massive Eingriffe in die internationale Schifffahrt, und sie gefährden globale Handelswege.“ *5)

Diese Verurteilung ist zumindest erwartbar, da am 15.12.2023 auch das Frachtschiff „Al Jasrah“ attackiert und in Brand gesetzt wurde. Die deutsche Reederei Hapag Lloyd betreibt diesen Frachter und leitet ihre Schiffe derzeit auf die bis zu einem Monat länger dauernde Route um Afrika und das Kap der Guten Hoffnung. *1)

Doch was leistet Deutschland jenseits empörter Worte über die Huthi-Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer?

  • Vom Auswärtigen Amt ist zu erfahren: Deutschland prüfe „jetzt in Brüssel zusammen mit unseren EU-Partnern, ob es einen neuen maritimen Einsatz der EU geben kann. Darüber ist noch nicht entschieden. Wir als Bundesregierung stünden dafür bereit. Es ist nämlich wichtig, dass wir auch als EU angesichts der fortdauernden Angriffe so schnell wie möglich handlungsfähig sind.“ *5)
  • Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums teilt mit: Am „20. Dezember, vor acht Tagen, wurde hier ausgiebig über die Fähigkeiten speziell auch im Bereich der Luftverteidigung der Fregatten und darüber gesprochen, dass die diesbezüglichen Prüfungen zwischen den Ressorts und mit den Ressorts natürlich laufen.“ *5)

Also auch bis zum Jahresbeginn 2024 scheinen die Prüfungen der Bundesregierung, ob die Route im Roten Meer im Rahmen der EU geschützt wird bzw. ob eine Einsatzfähigkeit für Schutzmaßnahmen besteht, nicht abgeschlossen.

Nun sind EU-Länder wie die Niederlande und Griechenland bereits der “Operation Prosperity Guardian“ (OPG) beigetreten. Auch Frankreich und Italien schützen ihre Schiffe im Roten Meer unter nationalem Kommando.

In dieser Krisenlage für sichere Handelswege erscheint die deutsche Position derzeit zunehmend unklar. Dr. Johann Wadephul (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuständig für Auswärtiges und Verteidigung, warnt „vor überzogener Eile: … die USA (sind) ja bereits präsent vor Ort. Zusammen mit Großbritannien, Frankreich und Italien, vielleicht auch Spanien. Es ist also nicht nötig, dass Deutschland sofort dieser Koalition beitritt.“ *6)

Sind vielleicht Meinungsumfragen Ursache des Eindrucks deutscher Zögerlichkeit und Entscheidungsschwäche in der Handelskrise im Roten Meer? Demoskopie sogar als Ursache der gegenüber dem Partnerland USA unanständigen Warnung “vor überzogener Eile“ durch den für Außenpolitik zuständigen Dr. Wadephul, CDU-MdB?

Die Körber Stiftung hatte im November 2023 erhoben, “Deutsche wollen internationale Zurückhaltung“. Auf die Frage “Sollte sich Deutschland künftig bei internationalen Krisen stärker engagieren oder zurückhalten?“ haben sich 54 % für Zurückhaltung ausgesprochen (zwei Prozentpunkte mehr als 2022) und nur 38 % für stärkeres Engagement (2022: 41 %). *7)

Wenn dieser demoskopische Befund die deutsche Zögerlichkeit erklärte, könnte an der Führungsqualität deutscher Spitzenpolitiker gezweifelt werden. Dieses Urteil erschiene sogar doppelt begründet:

2.1. Deutschland: weltweit drittgrößte Handelsnation.

  • Deutschland ist laut dem Statistischen Bundesamt die weltweit drittstärkste Handelsnation hinter China und den USA.
  • Deutschland hat sich im Vergleich zu den übrigen G 7- Staaten (Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) am stärksten für den internationalen Handel geöffnet: mit einem “Offenheitsgrad“ (Importe plus Exporte in Relation zur Wirtschaftsleistung (BIP)) von rund 89,4 % ! *8)
  • Der Wohlstand und die Beschäftigung in Deutschland sind „in hohem Maße auf offene Märkte und internationalen Handel angewiesen: 27 % der deutschen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom Export ab, im Verarbeitenden Gewerbe sogar mehr als 56 %.“ *8)
  • Ebenso sind deutscher Wohlstand und die Sicherheit der Arbeitsplätze auf die Freiheit der internationalen Handelswege angewiesen. Die von den Angriffen der Huthis bedrohte Schifffahrt durch das Rote Meer ist dabei von besonderer Bedeutung: „Rund zehn Prozent des Welthandels werden auf dieser Strecke abgewickelt und rund 30 Prozent des Containerverkehrs.“ *6)
  • Die Bedeutung der Schifffahrt durch das Rote Meer für Deutschland wird auch durch dessen hohen Handelsanteil im Warenverkehr mit dem geografischen Raum Asien offenkundig: 14.4% der deutschen Warenexporte gehen in diese Region (Abb.7, S. 8), während 21.5 % der deutschen Warenimporte von dort geliefert werden (Abb. 9, S. 9). *8)

Deutschland als Außenhandelsnation ist also gerade im EU-Vergleich wirtschaftlich von den Attacken der Huthis auf die Schifffahrt im Roten Meer stark betroffen. Und hätte deshalb jeden Grund, mehr zu leisten als Worte der Entrüstung.

2.2. Transatlantische Bindung Deutschlands an die Regierung Biden.

Bundeskanzler Scholz hatte bisher jedes Abwarten in der Unterstützung der Ukraine mit der Nähe zu Entscheidungen der Biden-Regierung begründet. Diese transatlantische Bindung scheint nun in der Krise im Roten Meer und dem Handeln der Regierung Joe Bidens durch die “Operation Prosperity Guardian“ (OPG) gar keine Rolle zu spielen. Dies könnte den transatlantischen Zusammenhalt USA-Deutschland gefährden.

  • Die Äußerungen aus Bundesregierung und Opposition, insbesondere Wadephuls (CDU) Warnung „vor überzogener Eile: … die USA (sind) ja bereits präsent vor Ort“, dürften in den USA zumindest Misstrauen gegen Deutschlands transatlantische Loyalität wecken.
  • Die Republikaner und ihr Ex-Präsident Donald Trump könnten die benannten deutschen Reaktionen auf die OPG-Initiative der Biden-Regierung im beginnenden Wahlkampf für ihre Anti-Europa-Polemik nutzen. Dies wäre gewiss für Trump willkommener Anlass, erneut gerade Deutschland eine schäbige Haltung zur angemessenen Lastenteilung mit den USA vorzuwerfen.

Auch unter dem Gesichtspunkt transatlantischer Loyalität zur Biden-Regierung könnte Deutschlands Zögerlichkeit, die Haltung zur OPG-Initiative gegen die Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer zu definieren, sehr kritisch beurteilt werden.

3. Fazit.

Transatlantisch engagierte Bürgerinnen und Bürger müssen von der Bundesregierung und der Opposition eine umgehende Unterstützung der USA bei der “Operation Prosperity Guardian“ erwarten. Weiteres Zögern unter dem Vorwand der “Prüfung“ würde Deutschland sogar in der EU isolieren.

Die Feststellung Botschafter Wolfgang Ischingers könnte sich erneut bestätigen: „In den USA, aber auch in Europa entsteht der Eindruck: Die Deutschen sind die weltbesten Trittbrettfahrer. Sie haben den Handelsüberschuss, tun aber nichts für die Sicherheit der Handelswege.“ *9)

*1) Huthi-Angriffe im Roten Meer. Eine Gefahr – nicht nur für den Welthandel. Stand: 17.12.2023; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/rotes-meer-welthandel-100.html. Der THB (Täglicher Hafenbericht) aus Hamburg fordert am heutigen 02. Januar: „Es gilt bereits zu Beginn des neuen Jahres die Sicherheit der zivilen Handelsschifffahrt im Roten Meer und damit die sich anschließende Passage des Suezkanals als kürzeste Verbindung auf dem Seeweg von Asien nach Europa zu gewährleisten.“ (https://www.thb.info/utm_source=THB_EM2401&utm_medium=EM&utm_campaign=24-THB-Abo-Jahresausblick)

*2) IMMEDIATE RELEASE. Statement from Secretary of Defense Lloyd J. Austin III on Ensuring Freedom of Navigation in the Red Sea. Dec. 18, 2023; https://www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3621110/statement-from-secretary-of-defense-lloyd-j-austin-iii-on-ensuring-freedom-of-n/ (Übertragung RS). (Hinweis RS: Die CMF (https:/combinedmaritimeforces.com) ist eine multinationale maritime Partnerschaft mit dem Ziel, die regelbasierte internationale Ordnung gegen rechtswidrige nicht-staatliche Akteure auf hoher See und den weltweit wichtigsten Routen der Schifffahrt zu verteidigen. Die CTF 153 ist für Einsätze im Roten Meer und im Golf von Aden zuständig. Die CMF steht unter dem Kommando eines Vizeadmirals der US-Marine und dessen britischem Stellvertreter. Deutschland gehört zu den 39 Mitgliedsländern der CMF, die nicht an ein festgelegtes politisch-militärisches Mandat gebunden sind. Diese Flexibilität der CMF ermöglicht Kriegsschiffen, sowohl Aufgaben unter nationalem wie unter CMF-Kommando wahrzunehmen).

*3) Austin Lauds Key Partnerships in Middle East. Dec. 19, 2023. By Joseph Clark , DOD News. https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/Article/3622360/austin-lauds-key-partnerships-in-middle-east/

*4) What is U.S.-led Red Sea coalition and which countries are backing it? Reuters. December 22, 2023. Updated 7 days ago; https://www.reuters.com/world/us-red-sea-taskforce-gets-limited-backing-some-allies-2023-12-20/

*5) Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 28.12.2023. Darunter: Mögliche deutsche Beteiligung an der US-Marineoperation Prosperity Guardian im Roten Meer; https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2638544

*6) TERRORISMUS JEMEN. Schützt Deutschland Frachter im Roten Meer. Jens Thurau. 21.12.2023; https://www.dw.com/de/schützt-deutschland-frachter-im-roten-meer/a-67789416

*7) Körber Stiftung. The Berlin Pulse 2023/24. Of Power shifts and Paradigms. November 2023; https://koerber-stiftung.de/en/projects/the-berlin-pulse/2023-24/

*8) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Fakten zum deutschen Außenhandel. Stand Juli 2022; https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Aussenwirtschaft/fakten-zum-deutschen-aussenhandel-2022.pdf?

*9) Ischinger: Merkel klärt Bürger nicht genügend über ihre Politik auf. DIE DEUTSCHEN SIND DIE WELTBESTEN TRITTBRETTFAHRER. 11. August 2018; https://www.fuldainfo.de/ischinger-merkel-klaert-buerger-nicht-genuegend-ueber-ihre-politik-auf/