Dreist mit ODA.

Erwartet bitte keine Anekdote zum Umgang mit einer Dame namens Oda. Gleichwohl soll hier eine Dreistigkeit thematisiert werden.

In der Neujahrsansprache 2016 hatte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den Mitbürgerinnen und Mitbürgern versichert: „Ich bin überzeugt: Richtig angepackt ist auch die heutige große Aufgabe des Zuzugs und der Integration so vieler Menschen eine Chance von morgen.“

Halten wir uns an die Lebensweisheit „Hope for the Best. Expect the Worst“, die wir Mel Brooks verdanken. Dann finden wir auch ein eigenes Urteil zwischen der Überzeugung der Bundeskanzlerin und dem Urteil namhafter Arbeitsmarktexperten.

Und nun zu ODA (Official Development Assistance), zu unserer Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit.

Kurz und treffend definiert Österreich den Sinn und Zweck von ODA: „Unter ODA versteht man von öffentlichen Stellen vergebene Leistungen, die die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Partnerlandes zum Ziel haben, ein Zuschusselement von mindestens 25 % aufweisen und an ein Empfängerland der Development Assistance Committee (DAC)-Länderliste gehen, d.h. an ein so genanntes „Entwicklungsland“ bzw. ODA-Empfängerland.“ *1)

Für internationale Vergleiche berechnen Geberländer den Geldwert dieser Öffentlichen Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit eines Jahres und setzen ihn ins Verhältnis zu ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP).

Als Zielgröße wird eine ODA-Quote von 0.7 % angestrebt, d.h. die ODA-Leistungen der Geberländer sollten ca. 0.7 % des BIP erreichen. Das wären für Deutschland derzeit ungefähr 21 Mrd. Euro. Tatsächlich erreichte Deutschland 2014 insgesamt nur 0.42 Prozent, rd. 12.5 Mrd. Euro, um die Armut in den Entwicklungsländern zu überwinden.

Das sieht für ein weltweit exportierendes Industrieland wie Deutschland ein wenig dürftig aus. Schweden z.B. hat das 0.7 %-Ziel der ODA-Quote übertroffen.

Und nun tritt ein Haushaltsfachmann, Eckhardt Rehberg (CDU, MdB), mit einer genialen Idee hervor: Rechnen wir doch unsere Ausgaben für Flüchtlinge zu unseren ODA-Leistungen hinzu, dann schaffen wir eine ODA-Quote von 0.6 %: „Das ist ein großer Sprung in Richtung des 0.7-Prozent-Ziels“ (Rehberg). *2) Und wir, die Deutschen, stehen vor der Welt ganz groß da.

Alle Achtung, Dunnerschlag, Rawettaja, caramba, habe die Ehre — ein ganz schlauer Herr aus Meck-Pomm!

Nur trägt Bundeskanzlerin Merkel die Schuld an einem kleinen Schönheitsfehler dieser Idee des gerissenen Herrn Rehberg.

Denn die Bundeskanzlerin hatte uns zu Neujahr 2016 versichert, die „große Aufgabe des Zuzugs und der Integration“ der Flüchtlinge sei „eine Chance von morgen“ für uns, die Deutschen.

Dann müssen wir uns doch fragen: Stellen die Ausgaben für Flüchtlinge einen Beitrag für Chancen in Deutschland dar? In diesem von Frau Merkel betonten Fall dienen sie sicher nicht der Bekämpfung von Armut in den Entwicklungsländern. Und haben in der deutschen ODA-Leistung für Entwicklungszusammenarbeit nichts zu suchen.

Herr MdB Rehberg, ist Maßstab für Deutschland das schlechte Beispiel anderer Länder, die solchen Etikettenschwindel betreiben?

Erklären Sie uns den Widerspruch: Dienen die Ausgaben für Flüchtlinge in Deutschland unseren „Chancen von morgen“ (Bundeskanzlerin Merkel) oder stellen sie Hilfe zur Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern dar?

Herr Rehberg, treiben Sie es nicht zu dreist mit ODA!

*1) https://service.bmf.gv.at/BUDGET/budgets/2013/beilagen/EZA_Beschluss_2013.pdf. 2.1 Official Development Assistance (ODA)

*2) Deutschland kann sich die Ausgaben für Flüchtlinge international bei der Entwicklungshilfe anrechnen lassen. DTS-Meldung vom 21.03.2016