Enten füttern (Bericht).

Hier ist das Erlebnis eines alten Studienfreundes – Eckart St. aus einer norddeutschen Stadt – wiedergegeben, das nachdenklich stimmen könnte.

„Du kennst meinen Wanderweg, der mich nach einer guten Stunde zu dem Parkteich führt, der einmal im Jahr fast ganz abgelassen und gereinigt wird. Immer sauber, gut bepflanzt, eine Freude für manche ältere Dame, die dort Graugänse, Nilgänse und Stockenten füttert“.

„Davon halte ich gar nichts!“ unterbreche ich den Freund, der zu Recht versetzt: „Die Geschichte aus Bukarest vom Ausflugssee, wo am Sonntagabend 30 Ratten am Ufer herumschwimmen und die restlichen Semmelbrocken fressen, hast Du mir schon x-mal erzählt.“

„Also, bei meinem Weg am Parkteich entlang, fällt mir seit zwei Wochen auf: Keine Graugänse, keine Nilgänse, nur wenige Stockenten. Wieso sind die weg?“ Ich verkneife mir zu bemerken, dass es woanders mehr zu fressen gibt.

„Nun gehe ich heute wieder zum Teich, da sehe ich eine sportlich gekleidete Dame, etwas verdeckt neben einem Bambus …“, zuviel für mich: „Was für ein Bambus?“

Eckart, etwas ungeduldig: „Fargesia robusta Campbell, mindestens drei Meter hoch.“

„Und was ist nun mit der sportlichen Dame?“

„Dabei war ich doch, wenn Du nicht ständig dazwischen reden würdest. Also, ich sehe, wie die Frau aus einer braunen Tasche eine durchsichtige, längliche Plastiktüte nimmt, die mit einer Flüssigkeit gefüllt ist. Und dann gießt sie das stark gelb gefärbte Zeug ins Wasser.“ „Komisch“, entfährt es mir.

„Komisch, dachte ich auch,“ setzt Eckart fort. „Ich bleibe stehen, etwa 30 Meter von der Frau weg. Da sieht sie, dass ich sie beobachte, sie packt ihre Tasche und entfernt sich eilig zur Straße hin. Ich gehe schnell zu der Stelle neben dem Bambus …“ – „Fargesia Robusta“ muss ich loswerden – „Also, ich gehe dahin und sehe am Teichrand unter Wasser auf dem Zement einen gleichmäßigen gelben Belag, etwa 40 cm Durchmesser.“

„Solche Entenfütterung habe ich noch nie gesehen,“ sage ich.

„Ich auch nicht, und ich denke sofort an die Nilgänse, die nicht mehr zu sehen sind. Gucke auch beim Bambus – und jetzt bist Du still – ob da eine Schlinge ist, aber da war nichts. Jedenfalls bin ich der Dame nach, um sie zu fragen, was das für eine Art sei, Enten oder Fische zu füttern.“

„Also ich zur Straße gedüst, und da sehe ich, dass sie bereits 100 Meter voraus in Richtung Zentrum geht. Und das verdammt schnell, als sie sich nochmal kurz umdreht. Sie hat Laufschuhe an und legt ein Tempo vor, dass ich kaum folgen kann, hatte ja auch schon eine Stunde Wanderung in den Knochen.“

„Immerhin habe ich sie noch im Auge und kann den Abstand etwas verkürzen, wir sind inzwischen gute 500 Meter unterwegs …“ – „Verdammt zäher Damenverfolger“, ich anerkennend – „da kommt sie an die Kreuzung, biegt links ab, ich renne wie beim Halbmarathon, weg ist sie.“

„Das war’s dann?“ „Nein, das war’s natürlich nicht. An der Ecke ist die Bank, ich rein, erkenne sie sofort, eine gut aussehende etwa 40-jährige Frau am Automaten. Ich raus aus der Bank und überlege. Es ist 14.00 Uhr, die Bank schließt erst in einer Stunde, das kann nicht der Grund ihrer Eile gewesen sein. Der vage Verdacht bleibt.

Da sehe ich zwei Herren vom Städtischen Ordnungsamt an ihrem Fahrzeug. Ich wende mich an einen, schildere den Vorfall, meine Besorgnis und verweise auf die Dame in der Bank. Betone aber ausdrücklich, dass ich ihr nicht Unrecht tun wolle, es könne alles ganz harmlos sein. Der Beamte sagt mir, mein Hinweis sei in Ordnung, er werde das mit der Dame abklären.

Ich gebe ihm meinen Namen. Und bleibe bei ihm, während wir auf die Frau warten. Die kommt schließlich heraus. Der Beamte spricht mit ihr und verweist auf mich. Die Dame sieht mich an, und dann folgt eine nicht endende Beschimpfung, was für ein schlechter Mensch ich sei, was ich mir erlaube. Ihr Deutsch ist recht gut, die Dame hat Migrationshintergrund. Erst jetzt merke ich das.

Der Beamte sagt ihr ruhig,´Der Herr hat richtig gehandelt, wir bekommen gewisse Mitteilungen, so dass sein Verhalten völlig berechtigt ist. Wir fahren jetzt mit Ihnen dorthin und sehen uns die Sache an.`

Seine begütigenden Worte verfehlten allerdings die Wirkung auf die Dame: ´Wie kann ein Mensch nur so schlecht sein. So ein schlechter Mensch! Der gleich zur Polizei läuft. Es war nur couscous. Nur couscous. So eine Schlechtigkeit!`“

Der Freund war zutiefst beunruhigt: „Ich habe mich von dem Beamten verabschiedet. Und leider vergeblich versucht, der Dame zu erklären, dass ich dem Beamten versichert habe, sie nicht beschuldigen zu wollen. ´Solche Schlechtigkeit, wie kann man so ein schlechter Mensch sein`, waren ihre letzten Worte an mich, als sie mit den Beamten des Ordnungsamtes zum Parkteich fuhr.“

Ich versichere dem Freund, dass neun von zehn Bürgern bei diesem Vorfall gleichgültig vorbei gegangen wären. Dass ich seinen Einsatz bewundere, und dass ich hoffte, in solcher Lage genau wie er zu handeln. Zudem sei das Verhalten des Beamten vom Ordnungsamt seiner Stadt vorbildlich.

„Das beruhigt mich nicht wirklich“, sagt der Freund, „die Dame war so außer sich. Nur couscous! Für was für einen miesen Polizeispitzel die mich hält. Obwohl sie gut Deutsch sprach und daher bestimmt schon Jahre hier lebte. Überleg` doch mal, wie schwer es sein muss, dass Integration gelingt.“