FDP – Jetzt erst recht!

Philipp Rösler hat mich beeindruckt. Durch die Diagnose, die sich schonungslos auch gegen ihn selbst richtet: „Man hat diese FDP bewusst abgewählt.“

Als Sozial-Liberaler bedaure ich den Absturz sehr. Deutschland braucht den politischen Liberalismus. Vor allem um kleine unternehmerische Wagnisse, Handwerk und industriellen Mittelstand vor ideologisch aufgeladenen Sozialansprüchen und Steuerzugriff zu schützen. Dies mögen linke Ideologen als „neoliberal“ denunzieren; aber in der Regel verfolgen diese Gruppen eine Wirtschaftspolitik, die nicht auf die Leistung der Märkte und der Bürger setzt.

Natürlich ist eine liberale Partei kein Favorit der Massen. Aber dass jetzt ein Pöbel mit Mails, Briefen, Telefonaten seine „Häme über die Verlierer“ loslässt *1), beschämt. Kein Zeichen ausgeprägter politischer Kultur.

Deshalb eine persönliche Bemerkung. Ich habe mir vor der Wahl Sorgen um die FDP gemacht. Und sozial-liberal gewählt. Erststimme der ausgezeichneten SPD-Kandidatin, Frau Rechtsanwältin Bettina Bähr-Losse; Zweitstimme der FDP. Leider haben beide Stimmen nicht das angestrebte Ergebnis bewirkt.

Ohne Frage haben liberale Politiker nach dem Triumph 2009 schwere Fehler begangen. Ich habe es gelegentlich kritisiert. Schwamm drüber.

Heide Simonis, ehemalige Ministerpräsidentin, fand noble Worte gegenüber „den 500 FDP-Mitarbeitern und 93 Abgeordneten, die durch das Debakel der Liberalen bei der Bundestagswahl ihre Jobs verloren haben.“ *2)

Ich möchte – auch den bitter geschlagenen Liberalen – über zwei Erlebnisse aus dem Jahr 1988 berichten.

Dies war das Jahr, in dem ich von Egon Bahr die Prognose hörte, die GRÜNEN seien erledigt. Fast hätte der große Sozialdemokrat Recht behalten: die westdeutschen GRÜNEN wurden durch die Einheit und das ostdeutsche BÜNDNIS 90 vor dem „Aus“ gerettet.

1988 durfte ich einen herausragenden Sozial-Liberalen näher kennenlernen. Den Politiker der Labour-Party Bryan Gould. Im Rahmen des britischen Mehrheits-Wahlrechts hatte er 1979 einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen. Im Sog des Siegeszuges von Margaret Thatcher verlor er seinen Wahlkreis. Das bedeutet im UK bekanntlich: aus, vorbei, keine Existenz als Berufspolitiker.

Bryan Goulds Stärke und Festigkeit kam in einem Interview zum Ausdruck: Arbeitslosigkeit sei eine Erfahrung, die jeder einmal machen sollte. Gould baute sich unverzüglich eine Karriere im Journalismus und im TV auf. 1983 schlug er das lukrative Angebot aus, das TV-Programm „Weekend World“ zu leiten und erkämpfte sich den Sieg im Wahlkreis Dagenham. Zog in das britische Parlament ein und gehörte alsbald zum engsten Führungskreis um Neil Kinnock.

Bryan Gould war Erfinder von „New Labour“. Mit der Methode des „leap-frogging“: Gegen „hard left“ und „new right“ entwickle Politik durch „Überspringen“. Nicht durch faulen Kompromiss, sondern jenseits dieser Extreme, über diese hinwegdenkend. Das war sein politisches Erbe …

Ich werde die Beiträge von MdBs der Liberalen im Deutschen Bundestag vermissen. Ich bin sicher, gerade Abgeordnete wie die Herren Fricke, Kober, Toncar, Vogel, Wissing – um nur einige wenige zu nennen, deren wirtschafts- oder finanzpolitische Stellungnahmen ich im Protokoll gelegentlich nachlas – werden den Weg zurück schaffen können. Sie hätten in dieser Legislaturperiode sicher bedeutende öffentliche Statur und Bekanntheit gewonnen.

Alle guten Wünsche für den politischen Liberalismus in Deutschland von einem Sozialdemokraten!

*1) sueddeutsche.de; 26. September 2013 11:52; Nach Wahldebakel – Aderlass zum Neuanfang der FDP. Von Stefan Braun, Berlin.
*2) DTS-Meldung vom 26.09.2013, 11:48 Uhr; Ex-Ministerpräsidentin Simonis: Große Koalition das „Allerletzte“.