Frauen, Google, Arbeitsmarkt.

Nach Zusage des Termins dachte ich an eine junge, tapfere Mutter.

In Perú, Lima, Villa El Salvador. Vor ihren Kindern hatten Terroristen des Sendero Luminoso die Leiterin einer Frauenorganisation für Selbsthilfe ermordet. Auf die grausamste Weise.

Deshalb begann das Gespräch mit zwei engagierten Vertreterinnen eines „comité contra el machismo“ über die Unterdrückung von Frauen in Deutschland etwas freudlos. Frau Socorro Sensata und Dra. Dolores Elegía kamen aber schnell zur Frage nach den Ursachen – „preciso y sin titubeos, por favor!“.

Versichernd, dass ich auf dem Gebiet nur eine Laiensicht vertreten könne, und eine Liste mit wirklichen ExpertInnen überreichend, nannte ich folgende Gründe.

Gewalt, physische und strukturelle. Mit Beteiligung feinster Kreise, als Unterstützer und Kunden beim Menschenhandel zum Beispiel.

Brutalität und Seilschaften im Berufsleben zum Nachteil vieler junger Frauen, die oft  besser ausgebildet und fleißiger sind als ihre „Kollegen“. Hinzu käme manchmal, wie beklagt werde, Opportunismus besonders ehrgeiziger Frauen, die auf Alleinstellung und Quote spekulierten. Auch Gewerkschaften hätten Grund, sich selbstkritische Fragen zu stellen.

Insgesamt seien weitere gesetzliche Reformen notwendig, um schwerwiegende Benachteiligungen von Frauen im Arbeitsleben zu beseitigen.

Dazu verwies ich auf fundierte Positionen der Sozialdemokratin Ulla Schmidt, Bundesministerin a.D., die sie schon seit den 1990er Jahren vertreten hatte.

Danach gehörten vor allem Frauen zu den Außenseitern des Arbeitsmarktes, z.B. in Teilzeit, Frist- und Werkverträgen.

Auch seitens der EU sei versucht worden, die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt zu verbessern: Mit Aktionsprogrammen spezifischer Frauenförderung – gegen Arbeitslosigkeit, für den Zugang zu Führungspositionen, für verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Entscheidend sei Chancengleichheit der Frauen durch „Mainstreaming“. Sämtliches Handeln in Staat und Wirtschaft müsse „genderspezifisch“, also in den Auswirkungen auf Frauen und Männer, analysiert und bewertet werden. Der Mainstreaming-Ansatz sei dann erfolgreich, wenn politische Konzepte und Maßnahmen insgesamt die Chancen für Frauen in Bildung und Beruf, in Gesellschaft und Wirtschaft verbesserten.

Mit der Expertenliste, versicherte ich abschließend, könne geprüft werden, wie sich die Situation seit der profunden Analyse Ulla Schmidts verändert habe.

Das war keineswegs der Abschluss des Gesprächs. Mit der Frage nach kulturellen Einstellungen wurde ich auf ganz dünnes Eis geschoben. Die Gefahr des Einbrechens ignorierend, schilderte ich unverstellte Schäbigkeiten in durchaus „feinen Kreisen“ der deutschen Gesellschaft.

Dort herrsche wie überall Freude am Party-Getuschel – wer mit wem, wer ist up, wer ist down, wer ist in, wer ist out. Aber nicht in der eleganten lateinischen Art, die sich vor allem auf Mimik und Blicke beschränkt. Sondern platt und ungeniert, con grosería y obscenidad. Angeführt von einem prominenten TV-Moderator, der sich vor Millionenpublikum Andeutungen gegen die Gattin des Staatsoberhauptes erlaubt hatte.

An dem üblen Spiel sei auch die Presse beteiligt, die solches weitertrage, bis hin zu Google-Deutschland, das aus dem Versteck des „Algorithmus“ zum Beispiel den Namen der intellektuell und professionell hervorragenden Bettina Wulff mit schändlichen, verleumderischen Substantiven versehe. „Qué barbaridad“!

Sicher, und umso mehr justificada su indignación, als verschiedene Gerichtsurteile Google in seiner Weigerung bestärkten, solche „barbaridad“ zu beenden. Erst jetzt hat der Bundesgerichtshof, oberste Instanz für Zivil- und Strafprozesse, dieser Unanständigkeit ein Ende gemacht. Die „Infrastruktur für Rufmord“ *), wenn auch nicht die „feinen Kreise“, kann nun auf dem Rechtswege zur Verantwortung gezogen werden.

Nun war ich aus dem Gröbsten raus, oder? „Y tú, en tu vida profesional, como fomentaste el ´gender-mainstreaming`?“ „Jeder Kollegin habe ich auf Wunsch bestätigt, dass sie intelligenter, fähiger und besser geeignet sei für jeden Job, den ich hatte“, so machte ich mir – zufrieden mit dem Einfall – einen schlanken Fuß.

Das Gelächter von Frau Dolores und Frau Socorro bewies wieder mal, wie sehr Intelligenz und Humor bei Frauen unterschätzt werden.

*) Kampf dem Rufmord. Ein Kommentar von Wolfgang Janisch; Süddeutsche.de, 14. Mai 2013.

Nachtrag 17.05.2013: Einige Anmerkungen, dass „Gewalt, physische und strukturelle“ oder „Brutalität“ am Arbeitsmarkt mit Kritik an Gewerkschaften etwas übertrieben sei, veranlassten die Suche nach einer Quelle mit Blick von „außen“. Dort heißt es: „Opferhilfeverbände schätzten, dass 20 bis 25 Prozent aller Frauen zu einem Zeitpunkt ihres Lebens Opfer physischer oder sexueller Gewalt waren.“ „Dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge suchen jährlich etwa 400.000 Frauen Zuflucht vor Missbrauchssituationen.“ „Frauen waren in hoch bezahlten Managementpositionen unter- und in einigen Niedriglohnbeschäftigungen überrepräsentiert.“
(USEMBASSY.DE; Amerika_Dienst: Länderberichte über Menschenrechtspraktiken 2012 – Bundesrepublik Deutschland, Abschnitt „Frauen“; 15. Mai 2013; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/)