Hooligans und Deutschlandbild.

Unser Wohlstand beruht auf dem weltweiten Ansehen der exportierenden Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer – Qualität, pünktliche Lieferung, Betreuung der Kunden.

Wie erklärt man der Welt und den Bürgern, die unser internationales Ansehen erarbeitet haben, die zunehmenden Exzesse fremdenfeindlicher Gewalt nicht nur am Sonntag, 26. Oktober 2014, vor dem Kölner Dom?

Das Grundrecht auf Demonstration hatten an jenem Sonntag folgende Organisationen in Anspruch genommen. Die Vereinigung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) hatte die Kölner Kundgebung „organisiert“, die anti-muslimische Partei „PRO NRW“ zu der Demonstration aufgerufen. Im Kern war die Akion nach überwiegender Einschätzung der Medien, z.B. der Frankfurter Rundschau, „eine Verabredung zum Krawall“.

Den aus Rostock, Magdeburg, Hamburg, dem Ruhrgebiet usw. per Bahn angereisten Hooligans wurde vom Polizeipräsidenten der weltweit geschätzte Raum vor dem Kölner Dom freigegeben. Für eine Randale, die in Deutschland bekanntlich schon öfter stattfand. Die Bilanz in Köln: Fast 5000 Hooligans und Neonazis gingen auf die Polizei los, nahezu 50 Beamte wurden verletzt, Polizeiautos demoliert, eine wüste Straßenschlacht vor weltweit bekannter Kulisse. Feine Werbung für das Deutschlandbild in unseren Exportmärkten.

Im Phönix-TV diskutierte Moderator Michael Sahr mit Oliver Malchow (Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)) und Robert Claus (Fußballfan-Forscher Universität Hannover) über die Ausschreitungen in Köln. Herr Claus meinte, dass schon im Vorfeld rassistische Gewaltabsicht erkennbar gewesen war. Der TV-Beitrag von Herrn Sahr zeigte dazu extrem provokative Symbole und Internetbanner wie z.B. „Nixe wolle Musel Dreckschwein“.

Die Polizei hatte sicher im Lichte vorliegender Erfahrungen den Einsatz und das Aufgebot an Beamten angemessen vorbereitet. Die Eskalationsdynamik, die von derartigem Mob ausgelöst werden kann, ist schwer abzuschätzen. Deshalb sind Vorwürfe über zu geringe Polizeipräsenz im Nachhinein etwas wohlfeil.

Die Kölner Ausschreitungen von Hooligans und Rechtsextremen haben einige politische Kommentare ausgelöst, die das künftige Vorgehen des Staates bestimmen können.

Der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, MdB (CDU), beschreibt das neue Gewaltpotential: „Hier kommen gewaltbereite Salafisten, gewaltbereite Rechtsextremisten und solche zusammen, die ohne politische Motivation für jede Möglichkeit einer Schlägerei dankbar sind. Das ist eine neue, besorgniserregende Qualität von Gewalt.“ *1)

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verweist bei erkennbarem Missbrauch auf ein Verbot derartiger Demonstrationen: „Wenn von vornherein klar ist, dass hier die Gewaltanwendung im Mittelpunkt steht und eigentlich die Politik nur ein Vehikel ist, um eine Massenschlägerei anzuzetteln, das übrigens mit Alkohol verbunden, dann sehe ich gute Chancen, dass die Verwaltungsbehörde ein Verbot ausspricht und dass das auch vor Gericht hält“. *2)

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, warnt vor Gewalt zwischen Salafisten und anderen Extremisten in Deutschland: „Es besteht Anlass zur Sorge, dass sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Extremisten auf unseren Straßen weiter aufschaukeln“ *2).

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD): „Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, der muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden“. Die Probleme seien aber nicht allein mit repressiven Mitteln lösbar … Radikalisierung müsse an den Wurzeln bekämpft werden. „Das ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ *3)

Die Bürger setzen auf diese Worte und die Zusicherung, dass nicht nur unsere Freiheit und Sicherheit, sondern auch unser Ansehen in der Welt von den zuständigen Behörden vor diesen neuen Bedrohungen geschützt werden.

Was genau mag Bundesminister Heiko Maas meinen, wenn er uns Bürgern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stellt, die „Radikalisierung an den Wurzeln zu bekämpfen“?

Wie urteilen die Bürger, wenn ein gewählter Politiker ein schwerwiegendes Problem, zu dem von ihm Maßnahmen erwartet werden, an die Bürger zurückdelegiert? Hier wird dies als Ansporn verstanden.

Zunächst ist die von Justizminister Maas gestellte Aufgabe einzugrenzen. Der gewalttätige Salafismus ist sicher ein sehr wichtiger Punkt, er wird hier als Gewaltvorwand für die Hooligans benannt, kann aber im Rahmen des Themas nicht analysiert werden.

Beschränken wir uns auf die Frage nach den Wurzeln der Hooligan-Gewalt. Dazu scheinen zwei Erklärungen wichtig.

1. Gesellschaftliche Einstellungen.

Hier kann, von der „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ (Heiko Maas) ausgehend, der Ansatz in der Gesellschaft und ihrer Haltung zur Hooligan-Gewalt gesucht werden.

Der Soziologe Professor Wilhelm Heitmeyer sieht in den Einstellungen der Bevölkerung eine Ursache dafür, dass Gewaltdemonstrationen von Hooligans und Neonazis möglich seien. In allen sozialen Schichten unserer Gesellschaft werde nicht hinreichend differenziert zwischen gläubigen Muslimen und gewaltbereiten Salafisten. *4)

Die Hooligans und rechtsextremen Gruppen nutzten diese gesellschaftliche Einstellung, um für ihr Salafisten-Feindbild ein Umfeld von Sympathisanten zu schaffen. Damit rechtfertigen sie dann auch ihre Gewalt gegen die Polizei, die nicht vor der eigentlichen „salafistischen Gefahr“ schütze.

Folgt man dieser Analyse Heitmeyers, ist ein Wandel eher pessimistisch zu beurteilen. Denn die durchaus problembewussten Medien und Einrichtungen für politische Bildung konnten offenbar gegen solche Einstellungsmuster in der Bevölkerung bisher wenig ausrichten.

2. Politisch-psychologische Faktoren.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) stellt fest: „Die .. Neonazis und rechten Hooligans missbrauchen die mediale Aufmerksamkeit rund um den Fußball, um Rassismus und Fremdenhass, getarnt unter dem Feindbild „Gegen Salafisten“ in die Öffentlichkeit zu tragen, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und so möglichst viele Unterstützer für ihre Ideologie zu sammeln.“ *5)

Gewaltbereitschaft der Hooligans hat also eine politisch rechtsextreme Komponente. Das mag aber nur ein Teil des Problems sein. Vielleicht sind die meisten Hooligans gar keine Neo-Nazis. Sondern nur die jedem bekannten Typen — Prügler aus Spaß an der Freud` — wie früher bei der Randale „Unterdorf gegen Oberdorf“.

Rolf-Arnd Marewski, pädagogischer Leiter des Fanprojekts Dortmund e.V., kennt das Problem jugendlicher Gewalttätigkeit seit Jahrzehnten. Er fragt, „was die Jugendlichen dazu treibt, sich jedes Wochenende die Köppe einzuhauen.“ *6) Die Hooligans hätten sich aus dem Umfeld der Fußball-Stadions „total zurückgezogen.“ Sie verabreden sich mit gleichgesinnten „Hools“ aus anderen Städten zur Prügelei im Wald und auf der Heide.

Bei Demonstrationen im Blickpunkt von TV und Öffentlichkeit kommt dann zusätzlich, wie die erwähnte Phönix-TV-Sendung einen Hooligan zitierte, „ein geiles Gefühl, 300 Mann und eine Rieseneskorte“ der Polizei, gegen die zu prügeln einfach Spaß mache. Herr Marewski meint, „dass Jugendliche sich gern beweisen und darstellen möchten, aber kaum noch Chancen dazu haben.“ *6)  Einmal drin in der Hooliganszene arten die Massenaufläufe dann schnell aus.

Hoffen wir mit etwas Optimismus, dass die Mehrheit der Hooligans zur Vernunft zu bringen ist. Mögen sie doch bei ihrer Kapazität zur Selbstorganisation einen neuen Typ von Mannschaftssport entwickeln, der mit einigen klaren Regeln der Rauflust ein Ventil eröffnet. Dann brauchen sie keine rechtsextremen Provokationen, die Beobachter in unserem Land und in der Welt abstoßen.

Es bleibt also Daueraufgabe in den Familien, Schulen und Sportvereinen, bei den Ausbildern, Lehrherren und den Arbeitskollegen, die jungen Hooligans immer wieder an ganz einfache Sachverhalte zu erinnern:

Wer verkaufen will, muss freundlich sein. Wer von den Kunden in der ganzen Welt lebt, der darf keine rassistischen, fremdenfeindlichen Flecken auf dem Deutschlandbild erlauben.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel brachte es heute beim Deutschen Arbeitgebertag auf den Punkt: „Wir sind der Industrialisierer der Welt, wir liefern die Produkte und Verfahren für industrielle Entwicklung weltweit.“

Von dieser Fähigkeit und von der Akzeptanz Deutschlands bei den Kunden in aller Welt hängen unsere Arbeitsplätze und unser Wohlstand ab.

*1) DTS-Meldung vom 28.10.2014, 10:41 Uhr. Krawalle in Köln: Bosbach warnt vor neuem Gewaltpotenzial.

*2) Diskussion über Extremismus in Deutschland. Maaßen befürchtet mehr Krawalle. Stand: 28.10.2014 15:00 Uhr; http://www.tagesschau.de/inland/diskussion-extremismus-deutschland-101.html.

*3) Demonstrationen. Maas nach Hooligan-Ausschreitungen in Köln: „keinerlei Toleranz“. Montag, 27.10.2014, 11:34, focus.de.

*4) ISLAMFEINDLICHKEIT, „Menschen islamischen Glaubens werden homogenisiert“. Wilhelm Heitmeyer im Gespräch mit Michael Köhler. Deutschlandfunk, Interview vom 02.11.2014.

*5) Donnerstag | 30. Oktober 2014 | 10:37. BAG besorgt anlässlich der „HoGeSa“-Demonstration. Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte, http://www.fanprojekt-dortmund.de/newsleser/items/bag-besorgt-anlasslich-der-hogesa-demonstration.html.

*6) „Viele Fans halten sich an die immer strengeren Regeln“. 25. April 2013 //http://www.trailer-ruhr.de/viele-fans-halten-sich-an-die-immer-strengeren-regeln.