Innovation und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert – Vordenker Olaf Scholz.

Wer sozialliberale Werte und Politikziele bejaht, kann sich über die SPD vorsichtig freuen. Vor allem über das Vertrauensvotum für Olaf Scholz in Hamburg!

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (Vgl. Interview, BILD, 27.2.2011): „Sein Wahlsieg hat der ganzen Partei einen Schub gegeben.“ Nicht wirklich! Vielmehr haben die von Olaf Scholz vertretenen politischen Positionen einen „Schub“ durch die  Hamburger WählerInnen erhalten. Dazu Sigmar Gabriel: „Die Kombination von wirtschaftlicher Kraft und sozialem Ausgleich.“

Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann kommt dem Kern näher und formuliert zutreffend (Rheinische Post, 1.3.2011): „Ohne wirtschaftliche Dynamik können wir keine Verteilungsgerechtigkeit erreichen.“ Richtig. Nicht irgendeine „Kombination“, sondern wirtschaftliche Dynamik als notwendige Bedingung für soziale Verteilungspolitik. Damit die Prioritäten klargestellt sind!

Die WELT ONLINE (Ulrich Exner, Daniel F. Sturm, 28.2.2011) bemerkt „Sehnsucht nach Schröders SPD, aber ohne Schröder … eine Rückeroberung der Macht durch die sozialdemokratische Mitte“. Dies sind die Repräsentanten der solidarischen Mitte im Sinne Gerhard Schröders: Jens Böhrnsen in Bremen, Torsten Albig in Schleswig-Holstein, Stefan Weil in Niedersachsen mit dem Hamburger Olaf Scholz – „Das Beste am Norden“!

„Zurück in die Zukunft“ formuliert die WELT. Thomas Oppermann drückt es so aus: „Die SPD ist im Begriff, sich mit der erfolgreichen Politik Gerhard Schröders auszusöhnen.“ Im Begriff! Da muss man vorsichtshalber an jene denken, die schwer von Begriff sind. Deshalb ist zu begrüssen, dass Kurt Beck und Olaf Scholz die Bundes-SPD auffordern, sich zu wirtschaftsfreundlicher Haltung zu bekennen (BILD, 28.2.2011). Dazu passt das Wort des bedeutenden Wirtschaftswissenschaftlers Professor Winfried Vogt aus den 1970er Jahren: Es gibt keine sozialdemokratische, sondern nur eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Gerhard Schröder hatte diese Aussage aufgegriffen.

In Erinnerung an den guten Kampf, den Olaf Scholz durchgestanden hat, sei ein Blick zurück erlaubt. Als Generalsekretär der SPD gehörte Olaf Scholz durch profunde Sachkenntnis auf den Gebieten Arbeitsrecht, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu den maßgeblichen konzeptionellen Gestaltern der Agenda 2010, die Bundeskanzler Schröder 2003 durchsetzte.

In seinem Amt als Generalsekretär stand Olaf Scholz im Jahre 2003 für folgende Positionen gerade (Vgl. Punkte 1, 3 (Pressemappe Gruner + Jahr, Stern, 6.8.2003); Punkte 2, 4 (Rede O. Scholz vom 17.10.2003, Umverteilen – aber was? Warum Sozialdemokraten über Gerechtigkeit nachdenken müssen.):

1. Der Begriff „demokratischer Sozialismus“ habe für „die Zukunft nur eine geringe Aussagequalität“.

2. Eine Politik für wirtschaftliche, technische und soziale Innovation und Förderung von Unternehmen verbinde sich mit Gerechtigkeit, indem sie deren „Grundgüter“ (John Rawls) zur Verfügung stelle: Bildung, Arbeit, Lebenschancen für die Menschen und ihre Familien, Teilhabe an Einkommen, Eigentum, Kulturgütern. Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität gehören als Kategorien solcher „Gerechtigkeitspolitik“ zusammen und sind nicht gegeneinander auszuspielen. Sonst, warnt Scholz, scheitere sozialdemokratische Politik an den Realitäten der globalisierten Wettbewerbswelt.

Vor allem auf den Politikfeldern Arbeit und Bildung müsse die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert ihrem historischen Anspruch als „Emanzipations- und Selbsthilfebewegung … mit neuer Dringlichkeit“ wieder gerecht werden. Teilhabe an Arbeit und Bildung sicherten auch heute „soziale und kulturelle Ermächtigung von Menschen, die …anderenfalls mangels Fertigkeiten und Kenntnissen unweigerlich an den Rand der Gesellschaft geraten würden.“

3. Olaf Scholz plädiert für sozialpolitisches Umdenken: „Unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe ist selbst schlecht bezahlte und unbequeme Arbeit besser als staatlich finanzierte Nichtarbeit. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist und danach aus Steuermitteln Unterstützung bekommt, der muss bereit sein, jede Arbeit anzunehmen, die ihm für andere Bürger zumutbar erscheint.“ Vor allem, sei hinzugefügt,  wenn ihm für andere Bürger auch solche Arbeit zumutbar erscheint, die er nicht für die vielfach beschworene „gute Arbeit“ hält – dies dürfte gerade viele hart arbeitende Menschen ansprechen, die sich sehr wohl als solidarisch empfinden.

4. Für Olaf Scholz „wirken die Gebote der Gerechtigkeit und des ökonomischen Nutzens in dieselbe Richtung“: Die Wirtschaft benötige hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Jeder einzelne Jugendliche ohne Schulabschluss und Ausbildung werde „nicht nur unwiederbringlich um Lebenschancen und ´Grundgüter der Gerechtigkeit` gebracht …, sondern (bedeute) … schon in wenigen Jahren eine Belastung für Wertschöpfung und Sozialstaat.“

Diese Positionen prägten die von Olaf Scholz im Jahre 2003 maßgeblich mit entwickelte und vertretene umfassende Agenda 2010 mit ihren Politikfeldern Bildung, Arbeit, Familie. Sie war auf Teilhabe gegen die im globalen Wettbewerb wachsende Gefahr der ökonomischen und gesellschaftlichen Ausgrenzung von Menschen gerichtet. Und sie sollte die Zukunft des historisch gewachsenen und gerade von Sozialdemokraten aufgebauten, beitragsfinanzierten Sozialstaats sichern.

Wie wurde seine Leistung von der Partei gewürdigt? Fragt die Delegierten des Bochumer Parteitags vom 17. und 18. November 2003! (Vgl. Christoph Schwennicke, SZ, 19.11.2003)

Sie organisierten einen „Parteitag der Abrechnungen“: Vor allem mit Olaf Scholz, der mit 54 % „um gerade mal fünf Stimmen an seiner Abwahl vorbeischrammte … auf Krücken und mit zerschossenen Beinen“ – so titelte die SZ.

Thomas Oppermanns Worte haben Gewicht. Die SPD „im Begriff“, sich zu entscheiden: Zurück in die Zukunft. Für Innovation und Gerechtigkeit, für Teilhabe durch Bildung, Arbeit und Förderung der Familien.

Olaf Scholz und seine Freunde haben einen guten Kampf gekämpft.

Offen bleibt, worauf Thomas Oppermann hinauswollte. Sollten die SPD-Spitzen bereits Gerhard Schröder mit Blick auf 2013 bearbeiten? Damit er in Erinnerung an den „suboptimalen“ Wahlabend 2005 endlich mit Angela Merkel quitt wird?