Innovative AKBP

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) entwickelt neue Ideen, um offene und freie Gesellschaften im weltweiten Wettbewerb, vor allem mit Russland und China, zu verteidigen.

1. Neue Herausforderungen für die auswärtige Kulturpolitik.

Diese autoritär geführten Staaten streben nach geopolitischer Expansion. *1) Durch Kampagnen in sozialen Medien wird der „Westen als schwach und dekadent“ dargestellt. Offensive Propaganda mit „kulturellen“ Inhalten wirbt für ein autoritär-nationalistisches Weltbild und Herrschaftsmodell. Nicht nur in den westlichen Demokratien, sondern gerade auch in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, erklärt zur kulturpolitischen Weltlage: *2)

  • China habe seit 2006 die Zahl der Konfuzius-Institute von weltweit 120 auf 500 erhöht. Russland konnte in den vergangenen Jahren die Zahl seiner Mir-Institute auf 150 verdreifachen und mit dem Goethe-Institut, einer maßgebenden Mittlerorganisation für die deutsche internationale Kulturpolitik, gleichziehen.
  • Durch „hybride Informationsverfälschung“ Chinas und Russlands, werde eine „Vorstellung vom Zusammenleben der Gesellschaften“ propagiert, die sich gegen die westlichen Werte richte.
  • Diesen Methoden müsse die auswärtige Kulturpolitik „aktiver als bisher unsere eigene Erzählung entgegensetzen … (und) selbstbewusst das Modell einer offenen Gesellschaft“ vertreten.
  • Einen regionalen Schwerpunkt für diesen Ansatz der internationalen Kulturpolitik sehe das Auswärtige Amt in Afrika, dem “jungen, kreativen Kontinent der Zukunft“.

Dabei gehe es nicht um einen Kampf der Kulturen, sondern um einen „Wettbewerb der Narrative“. Die kulturpolitische Auslandskommunikation setze „auf Argumente, Meinungsaustausch, die Überzeugungskraft der Demokratie.“ *2)

2. Afrika, Kolonialismus, kulturelle Verantwortung.

Die AKBP stellt sich in den Rahmen der Leitlinien für die Afrika-Politik der Bundesregierung — Stichworte zur Förderung sind: wirtschaftliche Zusammenarbeit, Friedens- und Sicherheitsarchitektur mit den Organisationen der Afrikanischen Union, rechtsstaatliche Strukturen und humane Regierungsführung sowie eine präventiv und entwicklungsorientiert gestaltete Migrationspolitik.

Ein wesentliches Ziel der internationalen Kulturpolitik ist daher, die kulturelle Zusammenarbeit im Dialog mit afrikanischen Partnerorganisationen zu fördern. Dabei stehe auch Deutschland zu dem Bekenntnis des Staatspräsidenten Emmanuel Macron, das er 2017 in Burkina Faso festhielt: „´Der Kolonialismus ist Teil der französischen Geschichte. Er ist ein Verbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, er ist wahrlich eine Barbarei` … Niemals hat man in Frankreich die Dinge so klar bei ihrem Namen benannt.“ *3)

Felwine Sarr und Bénédicte Savoy erinnern zu Recht auch an die Kolonialverbrechen in Afrika durch Deutschland (Vernichtung der Hereros, Namibia), Italien (Libyen), Großbritannien (Kenia) und Belgien (Mord von Millionen durch Ausbeutung im Kongo): „Für diese Vergangenheit, die nicht vergeht, Verantwortung zu übernehmen (psychologisch, politisch, und in der Geschichtsschreibung) ist für Europa eine der gemeinschaftlich größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.“ *3)

Zu dieser Verantwortlichkeit gehört auch, die Rückgabe (Restitution) afrikanischer Kulturgüter zu regeln — ein Erbe des rücksichtslosen Raubes afrikanischer Kunst durch die Kolonialmächte.

3. Kulturpolitische Innovation — internationale Museumskooperation.

Zeugnisse kolonialer Raubzüge lassen sich in nicht wenigen europäischen Museen besichtigen — auch in deutschen Kultureinrichtungen: „Wie können es Museen und Sammlungen rechtfertigen, Objekte aus kolonialen Kontexten in ihren Sammlungen zu haben, deren Verbringung nach Deutschland unserem heutigen Wertesystem widerspricht?“ *4)

Gerade weil Deutschland heute anerkennt, dass sich in Kulturgütern die Identität und Würde der Menschen abbildet, wird bedeutenden Kulturgütern gesetzlicher Schutz gewährt. Aus diesem Verständnis kultureller Werte hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2018 verpflichtet: „Die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen wollen wir — insbesondere auch … in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund — mit einem eigenen Schwerpunkt fördern.“ *5)

Auf dieser Grundlage fordern Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien *4):

  • Von Museen und Sammlungen erwarten wir die Bereitschaft, sich offen der Frage einer Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten zu stellen.
  • Für Museen und Sammlungen führt kein Weg mehr daran vorbei, bei der Ausstellung von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten deren Herkunftsgeschichte darzustellen.

Eine zentrale Rolle beim Umgang mit Kulturgütern aus kolonialem Raub spielen Forschungsmuseen. Sie werden eingebunden in den Auftrag des Auswärtigen Amtes, indem auch von Museen erwartet wird, dass sie „die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika verstärken und einen stärkeren Kulturaustausch befördern, insbesondere durch die Aufarbeitung des Kolonialismus sowie den Aufbau von Museen und Kultureinrichtungen in Afrika.“ *6)

Diesem Ziel soll die „Agentur für Internationale Museumskooperation“ des Auswärtigen Amtes dienen. Durch ihre Förderpolitik sind zusätzlich folgende Maßnahmen von Museen insbesondere für afrikanische Partner in der Diskussion und Planung vorgesehen:

  • Afrikanische Partner-Museen finanziell unterstützen.
  • Beratung und Förderung bei der technischen Ausstattung von Restaurierungswerkstätten.
  • Transfer von Wissen, Erfahrungsaustausch zwischen Kuratoren, museumspädagogischen Fachkräften und Museumstechnikern.
  • Förderung von Neubau und Renovierung von Museen.
  • Gemeinsam mit internationalen Partnern und afrikanischen Museen Ausstellungen realisieren.

Die Museumszusammenarbeit zwischen deutschen und vorwiegend afrikanischen Ländern wird mit etwa 8 Mio. € vom Deutschen Bundestag gefördert. Als auf diesem Gebiet langjährig erfahrene Mittlerorganisation sieht das Goethe-Institut in der „Agentur für Internationale Museumskooperation“ ein innovatives Instrument für folgende Ziele *7):

  • Deutsche Museen im Ausland zu vernetzen und den Austausch untereinander zu intensivieren.
  • Das Potenzial hochwertiger Sammlungen in deutschen Museen stärker für internationale Kooperationen zu nutzen.
  • Internationale „kulturelle Lerngemeinschaften über die Kunst“ zu entwickeln.

4. Deutsche Museen — gemeinsame Marke.

Die Kulturarbeit der „Agentur für Internationale Museumskooperation“ soll eine „gemeinsamen Marke“ der deutschen Museen entwickeln, die für einen offenen Dialog „auf Augenhöhe“ und gegenseitiges Lernen steht.

Denn die deutschen Forschungsmuseen seien — so Staatsministerin Müntefering — keine „Elfenbeintürme“, sondern „Orte der sozialen Interaktion“: durch Programme für Kinder, den Besuchern von morgen, durch die Museumscafés, die Buchläden, die vielen Veranstaltungen, die Begegnungen ermöglichen und „soziale Kraft“ entfalten. Hier können „die Menschen nicht nur Wissen tanken“, sondern auch über die Gesellschaft mehr erfahren. *6)

Mit einem gemeinsamen Markenkern deutscher Forschungsmuseen verbindet die internationale Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes den Gedanken „weltumspannender Vernetzung“ gegen die Tendenzen nationaler Abschottung in unserer Zeit.

So könne sich „Deutschlands und Europas Verhältnis zur Welt — insbesondere zum globalen Süden“ wandeln: kulturelle Vorurteile abbauen, Brücken zwischen Gesellschaften stärken und langfristige Beziehungen mit Freunden und Partnern gestalten. *6)

5. Erinnerung: die „Tunisreise 1914“.

Ein frühes kunstgeschichtliches Zeugnis für diesen Gedanken des kulturellen Brückenbaus zwischen Europa und den Partnern des „Südens“ mag in der Tunisreise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet gesehen werden.

Im April 1914, am Beginn der unfassbaren europäischen Katastrophen, reisten die drei Maler nach Tunesien. August Macke, Louis Moilliet und Paul Klee schufen dort Bilder, die in der Kunstgeschichte stark beachtet wurden. Moilliet berichtete später von Kontakten mit tunesischen Künstlern, deren Aquarelle Macke und Klee stark beeindruckt hätten.*8)

Noch heute können wir uns in die Farbigkeit ihrer Werke versenken wie in die Worte von Gedichten. Und noch heute wird anerkannt, dass Klee, Macke und Moilliet mit den Arbeiten ihrer Tunisreise zu einem neuen Orientbild in Europa beitrugen — gegen die feindseligen Vorurteile des 19. Jahrhunderts.

Nur wenige Monate später fiel August Macke in einer der Schlachten des Ersten Weltkriegs. Die nationalsozialistische Diktatur setzte die Werke von August Macke und Paul Klee als „entartete Kunst“ herab. Heute sind sie der Stolz von Museen.

Kann die Erinnerung an die Tunisreise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet im schicksalhaften Jahr 1914 den Kulturdialog zwischen Europa und Afrika bereichern?

Ganz gewiss, wenn den Museen heute diese Möglichkeit eröffnet wird. Denn die drei Malerfreunde lebten auf ihrer Tunesienreise und in ihren Werken genau die Werte und die Haltung vor, die heutige internationale Museumskooperation prägen soll:

„Wir brauchen Weltheimatmuseen für Weltbürger.“ *6)

*1) Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Der Kampf der Ideen wird härter.

Autoritäre Staaten rüsten auf im Ringen um Weltbilder und Ordnungsmuster, investieren in Medien und Kultur. Das Auswärtige Amt will dagegenhalten. HANS MONATH. 25.05.2018; https://www.tagesspiegel.de/politik/auswaertige-kultur-und-bildungspolitik-der-kampf-der-ideen-wird-haerter/22605924.html.

*2) „Kulturpolitik ist eine sanfte Macht“. Interview der Staatsministerin für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering mit der Stuttgarter Zeitung. 16.01.2019 — Interview; https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/muentefering-stuttgarter-zeitung/2177780

*3) Felwine Sarr, Bénédicte Savoy. Rapport sur la restitution du patrimoine culturel africain. Vers une nouvelle éthique relationnelle. Novembre 2018. S. 1f.; http://restitutionreport2018.com/sarr_savoy_fr.pdf. (Übersetzung RS).

*4) Eine Lücke in unserem Gedächtnis. Gastbeitrag von Michelle Müntefering und Monika Grütters in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.15.12.2018 — Namensbeitrag; https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/muentefering-gruetters-faz/2172172.

*5) Koalitionsvertrag 2018. Kapitel XIII. 2. Kunst, Kultur und Medien. Abschnitt „Kulturelles Erbe, Kolonialismus, Flucht und Vertreibung.“

*6) Rede der Staatsministerin für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering zur Eröffnung des Global Summit of Research Museums. 04.11.2018; https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/muentefering-global-summit-research-museums/2159738.

*7) Museumszusammenarbeit zwischen deutschen und afrikanischen Ländern. Goethe-Institut unterstützt „Agentur für Internationale Museumskooperation“. 21.01.2019; https://www.goethe.de/de/uun/prs/p18/21472287.html.

*8) Wikipedia: „Die Tunisreise ist Thema zahlreicher kunstgeschichtlicher Betrachtungen und Analysen, die in dieser Reise die Überwindung des deutschen Expressionismus zur gegenstandslosen, abstrakten und modernen Kunst, besonders bei Paul Klee, sehen. Sie wird in der Kunstgeschichte als Schlüsselereignis in der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgefasst.“