Kaffee-Klatsche

Eine gute Stunde Wartezeit überbrückt man gern im Café. In der Nähe einer lebhaft diskutierenden Gruppe wurde ich Ohrenzeuge heftiger Polemik um den Bürgerentscheid in Bad Honnef.

Hier der Versuch, die erbitterten Bemerkungen offenbar stark grün-ökologisch engagierter jüngerer Menschen zu beurteilen.

Folgende Punkte zum Bürgerentscheid verärgerten die junge Runde im Café am stärksten:

  • Baupläne in wertvollem innerstädtischem Grün, dem nördlichen Stadtgarten.
  • Angebliche Trickserei der Stadt bei der Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Z. B. Ausfall von Computern im städtischen Abstimmungsbüro, was zeitweise die Stimmabgabe verhindert hätte.
  • Angebliche Doppelzüngigkeit der SPD, die in undemokratisch-bürokratischer Manier den Gemeinderat für wichtiger als kommunalpolitische Bürgerinitiativen halte.

Meinem Versuch einer Stellungnahme muss ich vorausschicken, dass ich zwar Sympathie und Verständnis für die engagierte Café-Runde, zugleich aber auch eine hohe Meinung über die Stadtverwaltung Bad Honnefs habe. *1)

1. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid.

Diese beiden Elemente direkter Demokratie sind gerade für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden von allergrößter Bedeutung. Ihr Ziel ist, die Bürgerschaft stärker an der kommunalen Selbstverwaltung zu beteiligen.

Dazu dient das Bürgerrecht, in bestimmten kommunalen Angelegenheiten selbst zu entscheiden: z.B. bei der Planung von städtischen Bauvorhaben (Schule, Rathaus, Schwimmbad, Kindergarten, Radwege, Grünanlagen bis hin zum Friedhof). Der Beschluss der Bürgerschaft durch den Bürgerentscheid  wirkt dann wie eine Entscheidung des Gemeinderates und tritt an dessen Stelle. *2)

Diese großartige Errungenschaft unserer Demokratie ist in der Gemeindeordnung (GO NRW) des Landes Nordrhein-Westfalen festgeschrieben: „Die Bürger können beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid).“ (§ 26 Abs.1 GO NRW). *3)

Und hier ist schon der erste Einwand gegen die junge grün-ökologisch engagierte Café-Runde zu erheben: Angebliche Trickserei der Stadt scheint mir in keiner Weise belegt. Vielmehr ist die Stadt streng an den Rechtsrahmen der Gemeindeordnung (GO NRW) gebunden, „damit ein Bürgerbegehren zulässig ist, ein Bürgerentscheid überhaupt stattfinden kann und der Bürgerwille auch tatsächlich zählt.“ *3)

Das Bürgerbegehren ist zunächst der Antrag, der dann mögliche Bürgerentscheid ist die Abstimmung der Bürger einer Gemeinde/Stadt zu einer rechtlich zulässigen kommunalpolitischen Sachfrage.

In die Unterschriftenlisten des Bürgerbegehrens kann sich eintragen, wer meint, dass nicht die Politiker des Gemeinderates, sondern die Bürger selbst in der Sachfrage — hier: geplante Bebauung des nördlichen Stadtgartens in Bad Honnef — entscheiden sollen. Dabei lautete die Frage auf den Unterschriftenlisten der Bürgerinitiative „Rettet den Stadtgarten“: „Soll der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1-144 ´Neues Wohnen Alexander-von-Humboldt-Straße/Am Spitzenbach/B42` vom 24. April 2018 aufgehoben werden?“.

4416 Unterzeichner haben die Frage des Bürgerbegehrens mit Ja! beantwortet. Und diese Frage wurde auch bei dem Bürgerentscheid gestellt, nachdem der Stadtrat mehrheitlich gegen das Bürgerbegehren abgestimmt hatte. Damit war der Weg frei zum Bürgerentscheid über den o.a. „Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1-144 ´Neues Wohnen Alexander-von-Humboldt-Straße/Am Spitzenbach/B42` vom 24. April 2018″.

Und die Kampagne für direkte Demokratie über diese Frage konnte beginnen.

2. Kampagne für den Bürgerentscheid am 6. Januar 2019 „gegen die Bebauung des nördlichen Stadtgartens“ (Bürgerinitiative „Rettet den Stadtgarten“).

Eine Kampagne im Rahmen direkter Demokratie kann erfolgreich sein, wenn sie die Mehrheit erringt. Sie kann jedoch auch fehlschlagen, wenn dies nicht gelingt oder wenn zwar die Mehrheit, jedoch nicht der gesetzlich vorgeschriebene Anteil von 20 % aller Wahlberechtigten erreicht wird („Quorum“).

Beim Ja/Nein-Bürgerentscheid in Bad Honnef standen zwei Lager gegeneinander:

  • Das Ja!-Lager: Bürgerinitiative „Rettet den Stadtgarten“ sowie SPD und Grüne.
  • Das Nein!-Lager: die „Gemeinschaft Lebendiges Honnef“ sowie CDU, Bürgerblock (BB), FDP und die Freie Wählergemeinschaft (FWG).

Wie bei jedem „Wahlkampf“ tauschten beide Lager Vorwürfe über das übliche Tarnen, Tricksen, Täuschen aus.

Dies erhitzte die jüngere Café-Runde noch immer, was bei mir zu versteckter Heiterkeit über einige Verbalinjurien führte. Vor allem deshalb, weil offenbar von Großeltern stammende, lang vergessene Ausdrücke aus den 1950er-Jahren wieder auferstanden.

Gerne bin ich hier bereit, mein Stimm-Verhalten zu erläutern. Ich kenne das nördliche Stadtgarten-Gelände von vielen Spaziergängen recht gut.

  • Wie das Nein!-Lager dargelegt hat, handelt es sich großenteils nicht um einen Stadtgarten, sondern um eine Wildnis, bei der man besser sehr aufpasst, wo man hintritt.
  • Das Ja!-Lager betonte, gestützt auf einige Umwelt-Experten, die Bedeutung unversiegelter Flächen für das Stadtklima. Ferner wurden die Lärmbelastung (B42-Autobahn-Nähe) und die Gefahr von Überschwemmungen (Rhein-Hochwasser) benannt, die den Bau von Wohnungen dort ausschließe.
  • Das Nein!-Lager förderte ein sehr verdienter CDU-Politiker: Friedhelm Ost, Staatssekretär a. D.. Herr Ost plädierte *4), für junge Familien mit Kindern bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Deshalb müsse die Stadt die Möglichkeiten dafür auf allen Flächen prüfen, die sich in ihrem Eigentum befinden. Ein starkes Argument.

Dennoch bin ich den Empfehlungen des Ja!-Lagers gefolgt, weil mir einfach unangenehm war, wie vehement Herr Ost die Gegenseite des Nein!-Lagers als Egoisten gegenüber dem „Gemeinwohl“ denunzierte *4):

  • Den „Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1-144 ´Neues Wohnen Alexander-von-Humboldt-Straße/Am Spitzenbach/B42` vom 24. April 2018″ stellte Ost als bloße Prüfung dar. Und die sei „für die Zukunftsplanung ohne jede Alternative.“
  • „Wer sie stoppen will, der setzt sein Eigeninteresse deutlich über das Gemeinwohl.“
  • „Zu diesem unverständlichen Egoismus gibt es für alle Menschen in unserer Stadt nur eine klare Antwort: Nein zum Planungsstopp — bei der Abstimmung am 6. Januar!“

Wenn eine Seite im Streit der Interessen das „Gemeinwohl“ für sich beansprucht, was gerade bei Parteipolitikern verwerflich ist, liegt in aller Regel Anmaßung und Heuchelei vor. Gegen die pauschale Herabsetzung der Ja!-Befürworter als egoistische Verletzer des „Gemeinwohls“ durch Herrn Ost habe ich mit Ja! gestimmt, damit der Empfehlung von SPD und Grünen folgend.

3. Resultat des Bürgerentscheids vom 6. Januar 2019 in Bad Honnef.

Vielleicht hatte das Ja!-Lager das Handikap unterschätzt, dem nicht wenige Gegner des Bebauungsplans für den nördlichen „Stadtgarten“ zum Opfer gefallen sind.

Denn bei Einkäufen fielen mir immer wieder Menschen auf, die offenbar nicht mit der Amtssprache zurecht kommen — trotz aller Lebenserfahrung, beruflicher Leistung, Könnerschaft in allen Bereichen des baulich-gärtnerischen do-it-yourself.

Nicht selten war zu hören: „Aber wenn ich gegen die Bebauung am Stadtgarten bin, muss ich doch mit Nein! stimmen.“

Zwar lag das Ja!-Lager mit 55 % vorn, es verfehlte aber mit nur 15 % statt der gesetzlich notwendigen 20 % aller Wahlberechtigten das „Quorum“. Somit darf die Abstimmung nicht gewertet werden. Nun können Bürgermeister, Stadtverwaltung und die Mehrheit von CDU, BB, FDP und FWG im Stadtrat entsprechend ihrem Konzept zur Stadtentwicklung einen Bebauungsplan für den nördlichen Stadtgarten aufstellen.

4. Die Kaffee-Klatsche.

Meine geschätzte jugendliche Café-Runde war inzwischen so erbost, dass sie auf die SPD losging, die doch immerhin eine Abstimmung im Sinne des Ja! empfohlen hatte.

Die Runde geriet zum Teil außer sich: Die SPD hat keine Ahnung, pfeift auf streng geschützte Hasel- und Fledermäuse. Und ist gar so hinterlistig, dass sie überall erzählt, den Bürgerentscheid braucht man nicht, denn für Entscheidungen sind die Ratsmitglieder gewählt worden.

Und als meine Partei, die SPD, dann die volle Kaffee-Klatsche erhielt, „wir sch… auf euer Mandat“, von einer jungen Dame überdies, da zog ich mit Bedauern von dannen.

War etwas dran an den Vorwürfen der Café-Runde? Eigentlich undenkbar. So töricht kann die SPD nicht sein. Sie ist bekanntlich die Partei des „Mehr Demokratie wagen“. Und die SPD denkt sogar darüber nach, Elemente direkter Demokratie auch auf die Bundesebene auszuweiten.

Die SPD würde jede kommunalpolitische Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie sich ausgerechnet nahe bei den Menschen in Städten und Gemeinden gegen direkt-demokratische Bürgerbegehren und Bürgerentscheide stellte, weil sie ihre Ratssitze für wichtiger hielte. Solche Haltung grenzte schon an abgehobenes Kasten-Denken gegenüber der kommunalen Zivilgesellschaft.

Zumal Fachleute gegen die Korruption, die bei städtischen Bauplanungen und Bauinvestitionen immer wieder durchbricht, stets ein Mittel empfehlen: Kontrolle durch direkte Demokratie und eine aktive Bürgerschaft.

Es bleibt das Verständnis für die sympathischen jungen Leute der Café-Runde und ihr grün-ökologisches Engagement. Trotz ihrer dann doch etwas rabiaten Kaffee-Klatsche gegen die SPD.

*1) Wenn mir z. B. bei Spaziergängen, drei- bis viermal mag das vorgekommen sein, etwas sehr unangenehm auffiel, erhielt ich auf Nachfrage bei der Stadt zügig klare Auskunft. Auch in der Flüchtlingskrise fand ich die Leitung der Stadt unterstützenswert.

*2) Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. Mehr unmittelbare Demokratie in den Gemeinden wagen. „Seit der Einführung im Jahr 1994 sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide beispielsweise zu Erholungs-, Freizeit- und Sportangelegenheiten, Schulangelegenheiten, Verkehrsangelegenheiten, Umwelt-, insbesondere Abfallangelegenheiten oder Wohnungs-, Bau- und Grundstücksangelegenheiten durchgeführt worden“;

https://www.mhkbg.nrw/kommunales/Buergerbeteiligung/Demokratie/index.php.

*3) Mehr Demokratie. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in NRW. Ein Leitfaden. Stand: Dezember 2018. Autor: Thorsten Sterk; https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/leitfaden_buergerbegehren_nrw.pdf. RS: Hier liegt eine sehr anwenderfreundliche Handreichung vor, die helfen kann, damit Bürgerbegehren (Bb) und Bürgerentscheid (Be) gelingen können und nicht an Unkenntnis der juristischen Regelungen scheitern.

*4) Friedhelm Ost, Staatssekretär a. D.. Ein klares Nein zum Bürger-Egoismus! 03.01.2019; http://diebadhonnefer.de/ein-klares-nein-zum-buerger-egoismus/.