Mali und General Kujat.

Jonathan Swift hat bedenkenswerte „Entschließungen für mein Alter“ gefasst.*)

Dazu gehören: „Keine junge Frau heiraten“ oder „Schicklichkeit und Sauberkeit nicht vernachlässigen“. Auf die Gefahr hin zu enttäuschen – hier geht es um einen anderen Vorsatz Swifts: „Nicht den Soldatenstand geringschätzen“.

Achtung gegenüber unseren Soldaten sollte der Staatsbürger als Pflicht annehmen. Als Pflicht, die seinem Recht auf Freiheit und Sicherheit entspricht; denn für unsere Freiheit und Sicherheit dienen die Soldaten der Bundeswehr.

General Kujat war als Generalinspekteur von 2000 – 2002 höchster Offizier der Bundeswehr. Er nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Verteidigungspolitik ging. Das brachte ihm vom großen Verteidigungsminister Peter Struck gelegentlich Tadel ein. Dann sagte General Kujat etwa: „Herr Minister, ich nehme die Hacken zusammen und akzeptiere das.“**) Dies zeigt, dass Peter Struck wusste, wie man mit Soldaten spricht.

Diese Fähigkeit und der Humor Peter Strucks zeigten sich auch, als er General Kujat in Berlin am Donnerstag, 16. Juni 2005, mit einem großen Zapfenstreich ehrte. Vor der Zeremonie soll Verteidigungsminister Struck der Hoffnung Ausdruck gegeben haben, Pensionär General Kujat werde durch Pferde- und Koi-Karpfenzucht, „durch Hobbys und Familie“, voll ausgelastet sein.**)

Beiden wird damals schon bei den Klängen des „Yorkschen Marsches“, die diesen Bürger-„Journalisten“ wieder am Fenster seines Büros ergriffen, klar gewesen sein, wie vergeblich solches Hoffen war.

Daran musste ich heute denken beim Interview von Martin Zagatta, dradio.de: „General Kujat wirft EU ´völliges Versagen` in Mali vor. Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr kritisiert auch Westerwelle“. General Kujat meinte: „Ich halte es für sehr unklug, immer davon zu sprechen, wir werden uns an keinem Kampfeinsatz beteiligen … die Europäische Union dümpelt nun in der Frage der Planungen und der politischen Entscheidung seit Monaten hin und zeigt sich als nicht handlungsfähig.“

Vielleicht dümpelten Herrn Kujats Koi-Karpfen gar zu langweilig hin und her, dass ihn so der Säbel juckte. Vielleicht ist die durchaus solidarische Haltung mit Frankreich, die Bundesregierung und sozialdemokratische Verteidigungspolitiker zeigen, auch wenn sie eine Beteiligung deutscher Soldaten an Kampfhandlungen ausschließen, gar nicht so „sehr unklug“, wie Herr Kujat meint.

Denn General Kujat stellt im Interview selber fest: „Ob ein militärischer Einsatz letztlich zu einem Kampfeinsatz wird, das entscheidet nicht Herr Westerwelle, das entscheidet auch nicht die Bundesregierung, sondern das entscheidet der Gegner. Denn wenn der Gegner angreift, auch die Ausbilder angreift, dann müssen sie sich zur Wehr setzen und dann kämpfen sie.“ ***)

So ist es, danke für den Hinweis auf das Problem „mission creep“, Herr General. Herr Kujat war ja auch an der Planung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr maßgeblich beteiligt. 2011 erklärte er den Einsatz für gescheitert. Man habe zu lange nicht akzeptiert, dass „der Gegner militärisch kämpft und wir militärisch kämpfen müssen“. Weiter sagte er: „Die Argumentation, es gehe um einen Stabilisierungseinsatz, ist zu lange durchgehalten worden – auch mit Blick auf die innenpolitischen Befindlichkeiten.“****)

Mehr als ein Jahrzehnt Afghanistan-Krieg sollte uns gelehrt haben, wie schwierig die Beurteilung ist, wann und wie man aus einem militärischen Einsatz wieder herauskommt. Deshalb ist dem Verteidigungspolitiker der SPD, Hans-Peter Bartels, MdB, für seine besonnene Lagebeurteilung zu danken:

„Frankreich hat in der Region eigene Stützpunkte, Frankreich hat eine eigene besondere Verantwortung dort, wo es französische Kolonien gegeben hat, wo man Französisch spricht. Die deutsche Hilfe wird eine andere sein und sie wird eingebettet sein in eine europäische Mission … Ich finde es richtig, dass wir in dieser kritischen Situation in der Sahelzone nicht abseits stehen. Die Europäische Union, nicht Frankreich allein, die Europäische Union will hier eine gewisse Verantwortung übernehmen … das wird kein Kampfeinsatz sein, sondern das wird Unterstützung einer regionalen Organisation, nämlich von ECOWAS (Economic Community Of West African States, RS) sein und der malischen Armee.“***)

Herrn Dr. Bartels darf auch zugestimmt werden, wenn er an die Adresse von General Kujat sagt: „Ich halte das immer für ein bisschen schwierig, wenn man von ehemaligen Militärs diese Eskalationsrhetorik hört.“

Dieser milde Tadel ganz im Sinne Peter Strucks ändert natürlich nichts an meiner Hochachtung vor General Kujat, seinen sachverständigen Kommentaren zur Verteidigungspolitik und dem Dienst, den er für unser Land geleistet hat.

*) Jonathan Swift, Ein bescheidener Vorschlag …, inseltaschenbuch 131, 1. Auflage 1975.

**) Spiegel Online, Rüffel für Kujat, 26. Januar 2004 und „Peter Struck“, 26. Juni 2005.

***) dradio.de/dlf/sendungen/interview; 15.01.2013; General Kujat (Martin Zagatta), Hans-Peter Bartels (Bettina Klein).

****) Spiegel Online, Ex-General erklärt Afghanistan-Einsatz für gescheitert, 07. Oktober 2011.