Politikerbücher belanglos?

 

Der renommierte Professor Dr. Volker Rieble kommentiert die Plagiatsvorwürfe an die Autoren Baerbock und Laschet: Die Erwartungen an Politikerbücher seien “von vornherein gering“. *1)

Daher “könnten die Autoren damit auch keinen Schaden anrichten. Die Aufregung um diese Politikerbücher ist völlig überflüssig.“ *1)

So mag ein in der Wissenschaft ausgewiesener “Plagiatsexperte“ wie Prof. Dr. Rieble denken — aus Sicht der Öffentlichkeit, der Wählerschaft, der Debattenkultur in der Demokratie ist diese Ansicht aus folgenden Gründen zurückzuweisen.

  • Hier ist gar nicht weiter auf die Gefahr von Politikerbüchern einzugehen, die in der Weimarer Republik von später entpuppten verbrecherischen Tyrannen verbreitet wurden, die “beschlossen hatten, Politiker zu werden“.
  • Hohe Erwartungen an Bücher von Politikern hierzulande wurden geprägt von Autoren wie Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Carlo Schmid, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Joachim Gauck oder Joschka Fischer. Der britische Staatsmann Winston Churchill wurde 1953 für sein Werk von der Schwedischen Akademie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
  • Demokratien können von Krisen heimgesucht werden, die ihre Bürgerinnen und Bürger aufwühlen — da werden demagogische Politiker auch mit Büchern Schaden anrichten. Umgekehrt können Analysen von historischem Rang durch große Persönlichkeiten der Politik den Menschen in schwerster Zeit Halt und Orientierung geben.
  • Politiker sind immer als mögliche Inhaber von Regierungsmacht zu sehen. Schon diese Tatsache zeigt die Risiken und Chancen, die von Persönlichkeiten mit politischer Machtambition ausgehen. Gerade auch dann, wenn sie durch Bücher über die Ziele ihres Strebens nach Regierungsmacht informieren.
  • Leichtfertige, unerfüllbare Versprechen, überzogener Macht- und Geltungstrieb — all dies kann sich bereits in Politikerbüchern zeigen und sollte die Wähler warnen. Eigenlob durch falsche Behauptungen oder Plagiate von Beiträgen anderer Autoren mögen als Zeichen mangelnder Achtung vor der Leistung anderer Menschen gesehen werden.

In Deutschland sollte politischem Spitzenpersonal bei Publikationen mit gravierenden Mängeln “Schludrigkeit“ durch “Arbeitsüberlastung“ auf keinen Fall nachgesehen werden. Auch nicht mit Prof. Riebles Hinweis, „dass die Erwartungen an solche Veröffentlichungen von vornherein gering“ seien. *1).

Die Steuerzahler finanzieren Spitzenpolitikern nicht nur Mitarbeiter in angemessener Zahl. Sie finanzieren auch Politische Stiftungen, die den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nahestehen. Die Politischen Stiftungen beschäftigen für ihren Bildungsauftrag Wissenschaftler und Archivare. Die Verbindung von Wissenschaft und Politik ist ein zentrales Anliegen der Politischen Stiftungen. Diese würden es als Ehre ansehen, Buchmanuskripte hochrangiger Persönlichkeiten der ihnen nahestehenden Partei sorgfältig auf stimmige Fakten und korrekte Zitate fremder Forscherleistung zu prüfen.

Da dies wohl nicht geschehen ist, scheint den derzeit kritisierten Persönlichkeiten ein Buch, das ihren Namen trägt, piepegal zu sein. Somit könnte die Wählerschaft vermuten, dass für sie das gleiche gilt, ist erst die Machtposition gesichert.

Sind wir in Bezug auf politische Autorschaft schon beim durchaus nicht unsympathischen britischen Zynismus angekommen, wie der eingangs zitierte Kommentar Professor Riebles nahelegen mag?

Ich erinnere Ende der 1980er Jahre in Großbritannien einen jüngeren konservativen Politikstar, dem — im besonderen britischen Stil — zu dessen neuen Buch gratuliert wurde, das er so überaus brilliant geschrieben habe. Die Reaktion dieses Politikers: Geschrieben? Bist Du verrückt? Nicht mal gelesen hab` ich das!

*1) Weitere problematische Textpassagen in Laschets Buch aufgetaucht. Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 06.08.2021.