Präsidentschaftswahl USA – Republikaner.

Der Blick auf die Präsidentschaftswahlen in den USA ist vielleicht etwas getrübt, wenn nur durch die rosa-rote Brille geschaut wird.

Legen wir die mal beiseite, lassen die Sorge um Obamas Wiederwahl fahren und sehen uns die Republikaner an. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil die USA vor gewaltigen Herausforderungen stehen, die auch uns Europäer angehen.

Hohe Arbeitslosigkeit, riesige Haushaltsdefizite, und die internationalen Probleme, von denen Europa viel redet, die aber Amerika zum Handeln zwingen: Afghanistan-Pakistan, Naher und Mittlerer Osten, Iran, internationaler Terrorismus bis hin zum Klimawandel. Und dies alles in einem innenpolitischen Umfeld harter Polarisierung zwischen Republikanern und Demokraten.*) Das ist eine Entweder-Oder-Demokratie, der wir mit unserer Sowohl-Als-Auch-Mentalität nicht immer gerecht werden.

Wagen wir deshalb den Versuch, uns in die Sichtweisen der Republikaner zu versetzen. Nach der Devise: wenn schon, denn schon.

Da ist Dick Morris, ehemaliger Wahlkampf-Berater Bill Clintons. „In die Demokratische Partei wird man geboren. Bist du schwarz, Latino, arm, homosexuell oder allein erziehende Mutter, ist deine Parteiidentität oft festgelegt. Aber du wirst Mitglied der Republikanischen Partei, weil du mit bestimmten Ideen übereinstimmst“.

Welche Ideen sind von Morris angesprochen, die zu „scharf unterschiedlichen Prioritäten und Perspektiven“ führen, die verschiedene Gruppierungen innerhalb der Republikanischen Partei prägen? **)

Wirtschafts-Konservative: Sie betonen die Leistungsfähigkeit freier Märkte, lehnen sozialpolitische Umverteilung ab, treten für die Interessen von Großunternehmen ein, wollen Regulierung des Geschäftslebens streng begrenzen, sind zwar für Amnestie illegaler Einwanderer, aber gegen Zusatzsteuern auf Wohlhabende, für den Staat sehen sie nur begrenzte Aufgaben.

Wertkonservative Christen: Sie verbinden religiöse und sozialpolitische Anliegen, halten die  Familie und ihre Werte hoch, sind gegen Scheidung und moralischen Verfall, gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Eheschließung.

Neokonservative: Für sie hat die nationale Sicherheit Vorrang, sie stehen für die Verbundenheit mit den Soldaten im Kriegseinsatz, warnen vor Iran und vorschnellem Rückzug aus Afghanistan, demonstrieren Härte im Kampf gegen den Terrorismus. Sie teilen nicht die Auffassung vom kleinen, sozialpolitisch abstinenten Staat, sondern treten für „compassionate conservatism“ ein.

Tea-Party-Bewegung: Ihre Mitglieder führen Kampagnen gegen das Haushaltsdefizit, die Staatsverschuldung und Obamas Politik obligatorischer Krankenversicherung; sie fordern, Staatsausgaben, Steuern, Regulierung durch die Regierung zu reduzieren.

Dieses Bild wird durch die „libertäre“ Partei-Jugend, die z.T. isolationistische Neigungen gegen eine weltpolitische Rolle der USA propagiere, noch kompliziert.

Im Time-Magazin sagt David von Drehle zu den Gruppierungen: „Die Frage für 2012 lautet, ob sie ihre Streitigkeiten lange genug regeln können, um Obama im November zu schlagen.“ Und zu dem Führungspersonal: „Romney spricht den gemeinsamen Siegeswunsch an. Gingrich den gemeinsamen Groll. Paul die eine Version ideologischer Reinheit, Santorum eine andere.“ (a.a.O., S. 22). Nun ist das Rennen ja wohl für Mitt Romney entschieden. Schon das spricht für große Fähigkeit Romneys, unterschiedliche politische Strömungen zu integrieren.

Zu Recht interessieren die Spitzenpersönlichkeiten; denn sie verkörpern die Republikanische Partei und ihre Anhänger. Da lässt ein Interview Information erwarten, das der österreichische Kulturwissenschaftler Professor Roland Benedikter über die Republikaner gab (derStandard.at; 07.03.2012).

Prof. Benedikter forscht an der University of California, Santa Barbara, und der Stanford-University. Seine Spezialisierung sei (Wikipedia) „die Multi- und Transdiziplinarität. Er wendet eine siebendimensionale Methode des Verstehens“ an. Das verspricht aufgeschlossene Analyse, vertiefte Einsicht, also rein in den Artikel.

Von wegen Benedikter! Der Professor schildert die Spitzen der Republikaner so: „Romney gehört wahrscheinlich – so wie das gesamte aktuelle Bewerberfeld – zu den schwächsten Kandidaten in der Geschichte der Republikanischen Partei …“. Zu Newt Gingrich fällt ihm ein: Er „hatte nie eine Chance auf das Präsidentenamt. Er ist der wahrscheinlich unwählbarste Kandidat seit dem Zweiten Weltkrieg. Er ist ein absolut korrupter Politiker“. Auch Rick Santorum fällt beim Kultursoziologen durch: „sexistisches Frauenbild, seine wirtschaftspolitischen Steinzeit-Vorstellungen und seine fundamentalistische Vermengung von Religion und Staat … unwählbar“.

Und zur Situation in den USA vor den Wahlen: Der „amerikanische Mittelstand ist derzeit in einem epochalen Umbruch begriffen – einem Umbruch, wie er seit vielen Jahrzehnten nicht mehr da war. Der Mittelstand erkennt heute, dass das gesamte Bewerberfeld der Republikaner nur den reichsten Amerikanern, nicht aber der großen mittelständischen Mehrheit dienen will. Romney will alle Lasten des Staates auf den Mittelstand abschieben, während die Reichsten kaum Steuern zahlen.“ Das war`s mit der Wahl; denn: „Ein großer Teil der Republikaner wird aus Protest gegen diese Kandidaten nicht wählen gehen.“

Diese Aussagen des renommierten Vertreters des „Stanford Program on International and Cross-Cultural Education“ klingen dann doch so sattsam vertraut, dass ein Rückblick auf Urteile großer Demokraten über ihre politischen Gegner Gingrich und Santorum sinnvoll erscheint.

Bill Clinton zu Newt Gingrich: „Ich wollte Gingrich und seine Anhänger nicht dämonisieren, wie sie es mit uns gemacht hatten. Er hatte einige interessante Ideen, insbesondere auf den Gebieten Wissenschaft, Technologie und Unternehmertum, und er war ein engagierter Internationalist in der Außenpolitik … Ich begrüßte die Chance, unsere New Democrat Ideen zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen mit denen des „Contract with America“ (von Newt Gingrich, RS) zu vergleichen. Politik im besten Sinne handelt vom Wettbewerb der Ideen und der Programme … Aber Gingrich ging weiter. Der Kern seiner Argumentation war nicht nur, dass seine Ideen besser als unsere waren; er sagte, seine Werte wären besser als unsere, weil die Demokraten schwach auf den Gebieten Familie, Arbeit, Sozialhilfe, Kriminalität und Landesverteidigung seien“. Nicht ohne Ironie, aber auch nicht ohne Respekt vor einem sehr harten politischen Gegner schloss Clinton seine Charakteristik Gingrichs: „When he was on a roll, Newt was hard to stop.“ ***).

Barack Obama äußerte sich über Senator Rick Santorum: „Das Mittwoch-Morgen Frühstücksgebet ist vollständig freiwillig, überparteilich und ökumenisch … ; diejenigen, die teilnehmen, wechseln sich ab in der Auswahl eines Wortes aus der Heiligen Schrift und der Leitung einer Gruppendiskussion. Hörte man die Ehrlichkeit, Offenheit, Bescheidenheit und den guten Humor, mit dem selbst die religiösesten Senatoren – Männer wie Rick Santorum … – ihren persönlichen Glauben während dieses Frühstücks austauschten, neigt man dazu anzunehmen, dass die Wirkung des Glaubens auf die Politik im wesentlichen heilsam, ein Gegengewicht zur persönlichen Ambition und … politischen Willfährigkeit ist.“ ****)

Und die Bewertung Mitt Romneys durch Professor Benedikter erscheint vollends absurd, wenn nicht hassgetrübt, berücksichtigt man die jedem Informationswilligen verfügbaren Belege über die bedeutende unternehmerische, politische und gemeinnützige Leistungsbilanz Romneys.

Welches Urteil mag unser Spezialist für das Multidisziplinäre wohl über europäische Politiker in petto haben? Überhaupt scheint es, als würde nur denjenigen Republikanern politisches und intellektuelles Format zugestanden, die sich jetzt – durchaus vorsichtig – etwas zieren: Gegen Präsident Obama trete ich lieber doch nicht an. Zu riskant. Ich stehe erst zur Verfügung, wenn Obama nicht mehr zur Wahl steht, 2016. Politische Courage als uramerikanische Tugend zählt bei solchen Leuten anscheinend wenig.

Dank an die Republikaner, an Mitt Romney, Newt Gingrich, Rick Santorum und Ron Paul, auch für den Satz Mitt Romneys in Ihrer aller Namen „A competitive primary does not divide us. It prepares us.“ Wir erwarten ein großes politisches Lehrstück: die Wahlentscheidung 2012 in den Vereinigten Staaten von Amerika.

*) s. www.brookings.edu/projects/campaign-2012/issues.

**) The Shape of the Pres Race, DickMorris.com on November 27, 2011; sowie: David von Drehle, The Conservative Identity Crisis, Time, February 13, 2012, S. 20 ff. Übersetzung RS.

***) Bill Clinton, My Life, London, 2004, S. 635 f.

****) Barack Obama, The Audacity of Hope, New York, 2006, S. 208.