Trittin serviert Putin …

… das dem Kremlchef genehme Ukraine-Menü in 4 Gängen.

1. Gang: „Die Ukraine wählt ihre wirtschaftliche Assoziation“ durch „kluge Aufstellung“ und für „wirtschaftlichen Erfolg … auch für potenzielle Partner in Russland“. Dieser Gang ist eine etwas trübe Suppe, aber ihre Substanz entspricht der zitierten Aufforderung an die Ukraine, ihr ökonomisches Wohlergehen gefälligst in Russland zu suchen. *1)

2. Gang: Die Ukraine verzichtet auf eigene Außenpolitik: „Weder wird ein Nato-Beitritt angestrebt, noch ist eine EU-Mitgliedschaft mittelfristiges Ziel.“ Herr Putin hebt das Glas.

3. Gang: Die Ukraine schafft ihre Verfassung ab und richtet selbst „die Regionalparlamente und … Föderationssubjekte“ für den kommenden Anschluss an Russland aus. Dafür gibt es „umgehend Neuwahlen. Diese beschränken sich nicht allein auf die Präsidentschaftswahl am 25. Mai, sondern es werden auch das Parlament und die Regionalparlamente neu gewählt.“ Dann wären die „Regionalparlamente“ in der Ostukraine für den absehbaren Antrag an Putins Föderationsrat am Ende sogar demokratisch legitimiert. Wladimir prostet Jürgen zu!

4. Gang: Die „territoriale Integrität der Ukraine (wird) von den bisherigen Garantiemächten Russland, Großbritannien, USA und der Europäischen Union erneut festgeschrieben und garantiert.“ Das ist der Nachtisch – für die Ukraine. Die wird sich bedanken und vor dem Gastmenü des Konfliktschlichters Trittin das Weite suchen.

Da mag Trittin sich winden und drehen, wie man es von diesem Rabulisten im Großformat kennt. Sich auf Henry Kissinger berufen. Auf „die hochsensible Situation“. Gegen alle Versuche, ihn, Jürgen Trittin, „automatisch in die Kategorie der ´Russland-Versteher` einzusortieren“ – hat er, Trittin, dennoch und trotz alledem die Pflicht, „diese Analysen zu leisten“.

Denn sein selbstloser Opfergang ist notwendig. Reichlich pompös sagt er uns warum.

Um „der Ukraine eine eigenständige Zukunft (zu) weisen und sie vor ihrem historischen Schicksal bewahren: als Einflussbereich externer Mächte.“ Für Frieden und Stabilität in Europa. Dass dies notwendig ist, hat Putin „mit dem Test einer nuklear bestückten Interkontinentalrakete gerade erst bewiesen. Es führt also nichts an einer politischen Lösung dieser Krise vorbei.“ *1)

Und doch – trotz aller großen Worte Trittins – bleibt es bei der dürren Tatsache: Der Nachtisch (Gang 4) wurde der Ukraine schon einmal serviert.

Im „Memorandum on Security Assurances in connection with Ukraine’s accession to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, Budapest, 5 December 1994″ heißt es *2):

„Taking into account the commitment of Ukraine to eliminate all nuclear weapons from its territory within a specified period of time …“

„1. The United States of America, the Russian Federation, and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the CSCE Final Act, to respect the Independence and Sovereignty and the existing borders of Ukraine.

2. The Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the United States of America reaffirm their obligation to refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of Ukraine.

3. The Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the United States of America reaffirm their commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the Final Act of the Conference on Security and Cooperation in Europe, to refrain from economic coercion designed to subordinate to their own interest the exercise by Ukraine of the rights inherent in its sovereignty and thus to secure advantages of any kind.“

Dafür haben die Europäer und die Bürger der Ukraine also auf den Konfliktschlichter Jürgen Trittin gewartet, auf dessen „politische Lösung“? Die Ukraine bekommt, was ihr ohnehin schon von Russland, den USA und Großbritannien seit 1994 im Budapester Memorandum garantiert und zugesichert war: „Unabhängigkeit, Souveränität, die (1994!) bestehenden Grenzen der Ukraine (und) Verzicht auf Drohung, Gewalt und wirtschaftliche Erpressung“. Garantiert nun also erneut, jedenfalls aber ohne die Krim!

Die Budapester Vereinbarung von 1994 hat Putin bekanntlich bereits mehrfach gebrochen. Und mit dem Verzicht der Ukraine auf eigenständige Innen- und Außenpolitik – Trittins Menü-Gänge 1, 2 und 3 – soll nun die „territoriale Integrität der Ukraine von den bisherigen Garantiemächten Russland, Großbritannien, USA und der Europäischen Union erneut festgeschrieben und garantiert“ werden.

Haben wir Trittin richtig gelesen: „erneut festgeschrieben und garantiert“ von Russland? Von Putin? Für den Trittins Parteifreund Werner Schulz, MdEP, – die bisherigen Erfahrungen zusammenfassend – nur die Worte „Lügner und Verbrecher“ fand.

Was geht in Trittin vor, nicht nur der Ukraine, sondern uns Bürgern solche Vorschläge zur „politischen Lösung“ von russischer Annexion und militärischer Bedrohung gegen die Ukraine zuzumuten?

Josef Kirchengast, Editor bei Der Standard, leistet eine alternative Analyse zu der, die sich Trittin „geleistet“ hat *3):

Wenn „Kremlchef Wladimir Putin tatsächlich an einer Entspannung interessiert wäre, hätte es die gewaltsame Konfrontation in der Ostukraine erst gar nicht gegeben. Dann wäre es auch nicht zur Annexion der Krim in dieser Form gekommen. In seiner großen Fernsehshow hat Putin jetzt nicht nur russische Militärpräsenz auf der Halbinsel vor der Annexion zugegeben, sondern sich auch das Recht vorbehalten, in der Ostukraine militärisch zu intervenieren. Die Botschaft an die Landsleute ist klar: Nur wenn Russland Stärke zeigt, wird es vom feindlichen Westen und seinen Kiewer Bütteln respektiert. Und deshalb ist Putin-Russland an der Stabilisierung einer Ukraine unter prowestlicher Führung nicht interessiert.“

Das wird ein so erfahrener Politiker wie Trittin in Wirklichkeit kaum anders sehen. Warum tischt er jetzt trotzdem seine „politische Lösung“ auf?

Will Trittin die Glaubwürdigkeit der Proteste gegen Putins Annexionspolitik durch die Grünen Werner Schulz, MdEP, und Rebecca Harms, MdEP, herabsetzen? Will er Joschka Fischer und seine standfeste Haltung im Ukrainekonflikt beschädigen?

Ist es Intrige gegen die neue Grüne Fraktionsführung im Bundestag, die es nicht leicht hat, gegen die routinierte und stärkere Fraktion der Linken Profil zu gewinnen? Der Verlust der Oppositionsführung an die Linke geht allerdings nicht zuletzt auf den durch Trittin selbst versiebten Wahlkampf zurück! Ist es Rache, weil er, Trittin, deshalb auf die Hinterbank des Bundestags zurückgestuft wurde?

Mag alles sein. Aber in Wirklichkeit ist es die überlegene politische Witterung des schlausten aller politischen Schakale. Der wittert eine geschwächte, verwundbare Grüne Partei- und Fraktionsführung. Und wer mag wohl diese Einschätzung zur Presse durchgesteckt haben?

Da könnte ein Come-back locken. Mit einem außenpolitischen Vorschlag zur osteuropäischen Krise, der bei der linken Basis der Grünen und bei der Linken im Bundestag auf Beifall stößt. Auf Glaubwürdigkeit wird es Trittin dabei zuallerletzt ankommen.

*1) GASTBEITRAG. Fünf Punkte für die Ukraine. Von JÜRGEN TRITTIN. Frankfurter Rundschau; 22. APRIL 2014. (Hervorhebung, RS).

*2) Primary Sources. Budapest Memorandums on Security Assurances, 1994. Published December 5, 1994. Council on Foreign Relations, http://www.cfr.org/arms-control-disarmament-and-nonproliferation/budapest-memorandums-security-assurances-1994/p32484 (Hervorhebungen, RS).

*3) Putin’sche Dörfer. KOMMENTAR. JOSEF KIRCHENGAST. 17. April 2014, derstandard.at.