Zwei Whistleblower.

Der Whistleblower sieht sich als Wächter, der Alarm pfeift, wenn die Moral verletzt wird.

Dass Deutschland hohe ethische Standards verkörpert, zeigt sich auch daran, dass hier der „internationale Whistleblower-Preis“ vergeben wird.

Wissenschaftler-Verbände und Transparency International stiften den Preis, der mutige Menschen schützen soll, wenn sie schwerwiegende Mißstände in Einrichtungen von Staat, Wirtschaft oder Gesellschaft anprangern und dafür von Mächtigen sanktioniert werden. Dies ist ein nobles Ziel.

Leider wird nicht jedes noble Ziel in jedem Fall so verwirklicht, dass die Maßnahme – hier der „internationale Whistleblower-Preis“ – vorbehaltlos begrüßt werden kann. Dies mögen nicht wenige Beobachter empfinden, wenn sie auf den Preisträger 2013 blicken: Edward Snowden. Preisgekrönt in Deutschland, das die Massenmörder des 11. September 2001 beherbergt hatte.

Damit sind wir schon beim ersten Whistleblower dieses – zugegeben – kritischen Beitrags. Dieses Einwandes eines Bürgers, der in Kauf nimmt, als furchtsam zu gelten. Weil er am Bonner Hauptbahnhof oder in London oder in Madrid oder im Flugzeug nicht in die Luft gesprengt werden will.

Der den „Diensten“ Erfolg bei der „Massenausspähung“ wünscht. Denn Terroristen bedienen sich der Massenkommunikation des Internets, der E-Mails und der mobilen Datennetze. Und deshalb setzt wirksame Suche nach Terroristen sicher das massenhafte Prüfen von Internet-Daten voraus. Damit terroristisch motivierte und getarnte Kommunikation rechtzeitig entdeckt werden kann.

Zurück zu Edward Snowden: Der preisgekrönte Whistleblower hat – so Senatorin Hillary Clinton vor Herrn Jauchs Millionenpublikum – Millionen von Dokumenten der US-Regierung gestohlen und reiste mit dieser Beute erst nach China, dann nach Russland. Bei dem letzthin ausgewiesenen Freund demokratischer Moral und Kultur, Präsident Putin, genießt Snowden Gastfreundschaft. Wohl so lange, wie er diesem Gastland mehr Rechtsstaatlichkeit und eine freiere Öffentlichkeit zutraut als den USA.

Nun droht schon im Jahr 2015 die nächste Verleihung des „internationale Whistleblower-Preises“ in Deutschland. Vielleicht für einen „Whistleblower“, den wir noch nicht namentlich kennen. Der aber mit Edward Snowden gemeinsam hat, dass er ein auskömmliches Leben auf einer Planstelle des Geheimdienstes fristete. Dieser beim BND, jener bei der NSA.

Der BND-Kollege Snowdens habe jedoch die amerikanischen Freunde, die NSA bzw. CIA beliefert. Allerdings nicht millionenfach, sondern „nur“ mit etwas mehr als 200 Dokumenten. Gegen Honorar. So der bisher bekannte Verdacht. Ist nun der Ex-Agent der NSA, Snowden, ein „idealistischer“ gesinnter „Whistleblower“ als sein BND-Kollege? Wer weiß die Antwort und Näheres über Snowdens Transaktionen mit internationalen Medien oder Behörden seines derzeitigen Gastlandes?

Die US-Dienste mögen aus verschiedenen Gründen am Informationsangebot des BND-„Whistleblowers“ interessiert gewesen sein. Sicher aber schon deshalb, weil es sich um Material aus deutschen Regierungsstellen bzw. aus einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss handelte, bei dem es um die USA-Sicherheitsbehörde NSA ging. Wer dieses Interesse der amerikanischen Sicherheitsdienste nicht begreifen will oder kann, dem mag mit einem Beispiel geholfen werden.

Nehmen wir an, im US-Kongress beschäftige sich ein Untersuchungsausschuss mit dem deutschen BND und seinen Aktivitäten, z.B. im Brennpunkt Nahost. Nehmen wir weiter an, der deutsche Botschafter würde diesen Vorgang ignorieren, sein Ministerium darüber nicht so informieren, dass deutsche „Dienste“ sich unverzüglich die Informationen aus dem Kongress-Ausschuss „beschaffen“ könnten. Von einem – wohl befristet – stumm, taub und blind geschalteten „Whistleblower“. Wie schnell würde der deutsche Botschafter einbestellt werden? Nicht etwa in das US-Außenministerium, das Department of State, sondern ins deutsche Auswärtige Amt (AA) in Berlin?

Der US-Botschafter in Berlin, aus dessen Dienststelle das Interesse am Angebot des BND-„Whistleblowers“ zum NSA-Ausschuss des Bundestags kam, wurde jedenfalls einbestellt. In das Berliner AA. Warum nicht ins US-Department of State? Ganz einfach, weil er aus US-Sicht wohl seine Pflicht getan hat.

Erst als unser BND-„Whistleblower“ auch noch den Russen sein Material anbot, flog er auf. Wie? Das bleibt zu klären – unter Berücksichtigung der Interessen an deutsch-amerikanischem Vertrauensverlust.

Dies ist wieder einmal die Stunde des Großkoordinators aller Linken, des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner *1). Der ist bekanntlich Fachmann für die transatlantische Zusammenarbeit, für die geheimdienstliche Arbeit und für den Außenhandel. Wie die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi *2). Deshalb fordern beide, dass die „Hintermänner in der US-Botschaft in Berlin belangt werden (müssten)“ *2). Indem ihnen – „diplomatischer Status“ hin oder her – die „Aufenthaltsberechtigung in Deutschland“ entzogen wird. *1) Ferner sei die „Skepsis gegenüber dem TTIP genannten Handelsabkommen „ohnehin berechtigt und … gleichzeitige Spionage entzieht dem Ganzen aber die Grundlage.“ *1)

Beide schränken zwar ein: „Sofern sich der Verdacht weiter erhärtet“. Reden aber bereits – als wären sie dazu befugt – von „Ausweisung“ amerikanischer Diplomaten usw., bevor die Vorgänge geklärt sind. Immerhin hätten sie dem Beispiel des  Vorsitzenden der Parlamentariergruppe USA des Deutschen Bundestags folgen können, ihrem bisher anscheinend schweigenden Parteifreund Peer Steinbrück.

Dann gibt der ausgewiesene Spitzendiplomat Stegner vor, Balsam auf transatlantisch gestimmte Seelen zu gießen: „Gerade wer mit Anti-Amerikanismus nichts am Hut habe, … muss sehr bedrückt sein über die jüngste Entwicklung der deutsch-amerikanischen Beziehungen.“ *1) Ob solcher Trost Transatlantikern hilft? Fraglich, denn was dem einen „sin Nachtigall *3), is dem andern sin Uhl“, MdB, CSU.

Da bleibe das – vorerst – letzte Wort bei der Bundesministerin der Verteidigung: „Himmel noch mal – legt eure Geheimdienste an die Kandare.“ Und beim Bundespräsidenten: „Jetzt reicht’s auch einmal!“ Mit diesem Thema – vielleicht.

Hier jedenfalls bis zur Verleihung des nächsten „internationalen Whistleblower-Preises“. 2015 in Berlin. Oder bis zum Gerichtsurteil gegen unseren BND-Agenten N.N. Wenn der in den Knast muss, dann aber Asyl für Snowden in Deutschland! Wie Christian Ströbele, MdB, bereits gefordert hat. Dann hätten wir sie endlich beisammen, die beiden „Whistleblower“.

*1) REAKTION AUF SPIONAGE-FALL. SPD-Vize stellt US-Freihandelsabkommen infrage. Von Dietmar Neuerer, www.handelsblatt.com/politik/deutschland, 07.07.2014.

*2) SPIONAGE. Politiker von SPD und CDU fordern Ausweisung von US-Agenten; zeit.de, 7. Juli 2014.

*3) Zum „sehr bedrückten“ Herrn Stegner der Berliner Volksmund: „Nachtigall, ick hör dir trapsen.“