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Seit dem Halbfinale gegen Brasilien hat die Stunde des Fußballpatriotismus gewaltig geschlagen.

Staatsoberhaupt und Regierungschefin fliegen zum Endspiel. Die Medien sind außer Rand und Band, fast nur noch als Cheerleader unterwegs.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach leistet dafür die amtliche Vorgabe: „Fußball von einem andern Stern. Wunderbar, märchenhaft, Wahnsinn, ich möchte ausflippen.“ Wird gar das Finale vom deutschen Team gewonnen, stellt Herrn Niersbach einen Arzt, falls verloren, einen Polizisten zur Seite.

Deshalb fragen wir uns besser vor dem Finale, was wir aus den ungezählten Stunden Fußball-Gucken lernen können. Dank der Fachleute Opdi, Mehmet, den beiden Ollis, Frau Katrin Müller-Hohenstein und der hübschen Fernanda Brandao, die sich aber schon nach fünf Sätzen zur Stimmung in Rio am Strand den Rücken massieren ließ.

Eine der wichtigsten Einsichten stammt von Mehmet Scholl: „Der Erfolg macht das Team. Nicht die Psychologen.“

Erfolg ist, wenn ein angestrebtes Ergebnis erreicht wird. Das ist in Fußball-Turnieren spätestens in den KO-Runden einsichtig. Da gibt es kein Unentschieden. Wenn das Spiel abgepfiffen ist, sind Erfolg und Mißerfolg verteilt.

Außerhalb des KO-Runden-Fußballs, also im wahren Leben, ist es meist nicht so einfach, mess- und erreichbare Ziele für einen bestimmten Zeitraum vorzugeben.

Deshalb wird nicht selten aus organisations- und teampolitischen Rücksichten solange manipuliert, bis eine „win-win-Situation“ hergestellt ist und sich alle gegenseitig auf die Schulter hauen können. Wenn das nicht funktioniert, bleiben immer noch team-building-Seminare mit Psychologen.

Mit dem Fokus auf Erfolg statt Psychologie mag Mehmet Scholl ein Problem des brasilianischen Teams im Halbfinale angesprochen haben.

Nicht wenige von uns Fußball-Laien haben sich auch über die Spiele der Seleção gefreut. Und nicht zuletzt über reale oder erfundene Kommentare. Wenn „the incredible“ Hulk heranstürmte, die Abwehrspieler erbleichten und einer flehte: „Greif Du ihn an, ich hab` Familie!“

Oder wenn der ebenfalls robuste Torwart Júlio César dem torhungrigen Angreifer entgegensprang. Und Olli Kahn analysierte: „Sie schiessen ihm den Ball in die …“. „In das Knie,“ hatte Olli Welke elegant ergänzt.

Keine Frage, wir Laien freuten uns auch an Brasil. Und nach der tragischen Verletzung von Neymar Jr. über den Gruß von Argentiniens Lionel Messi: „Neymar, ¡espero que te recuperes muy pronto, amigo! Lio“.

Was haben die Psychologen mit der brasilianischen Mannschaft vor dem Halbfinale gemacht? Olli Welke hatte das Problem erfasst, als nach dem 7:1 Desaster Tränen flossen. „Die heulten doch schon vor dem Spiel!“ Ja, da stand die Seleção und zeigte traurig das leere Trikot von Neymar. „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“, hatte schon Sepp Herberger seinen Fußballern eingeschärft.

Sicher hätten sich viele Zuschauer gewünscht, manchem Schiedsrichter zurufen zu können: „Schiedsrichter, Telefon!“ Aber für Analyse und Sanktion von schweren Fouls sind die FIFA-Experten zuständig. Den Beißer aus Uruguay, Luis Suarez, hat die Sperre schon getroffen. „Warum beißt er?“ hatte Olli Kahn entgeistert gefragt, und Olli Welke sachkundig geantwortet: „Weil`s schmeckt.“

Auch die Kommentatoren trugen zur Freude an dieser WM bei. In der Zeit der Spiele des Achtelfinales schilderte uns ein Reporter die Zona Sul von Rio: „Wenig Betrieb an der Copacabana. Da kommen zwei Brasilianer.“ Die beiden „Brasilianer“ winken und rufen „Argentina, Argentina!“ Dieser Reporter hatte offenbar ungewollt seherische Qualitäten entwickelt!

Nun hoffen wir, dass die deutschen Spieler richtig vorbereitet und auf das Finale eingestellt werden.

Wie Mehmet Scholl sagt: „Wucht und Wille, Technik und Taktik“ müssen stimmen.

Oder wie Olli Kahn fordert: „Respekt, Körpersprache, Präsenz! Verantwortung übernehmen, Akzente setzen, die allerletzte Bereitschaft, das Tor zu machen!“ Erstaunlich, dass dabei der Torwart ein wenig außen vor bleibt. Aber für den hält Olli einen Trost parat: „Wenn einer aus 10 m abzieht, kriegst Du die Beine nicht mehr zusammen.“ Dazu verständnisvoll Olli Welke: „Irgendwo müssen die Beine ja hin.“

Bei soviel Rat kann ein junger Spieler wie Julian Draxler schon mal den Trainer falsch verstehen. Jogi Löw hatte verlangt, im Finale „den letzten Schritt zu gehen.“ Daraus leitete Julian Draxler zu unser aller Schrecken ab, er wolle „für den Titel sterben“.

Da sollte ein rustikales Zitat der Bildzeitung von der WM 2006 – nur leicht abgewandelt – für die Motivation ausreichen: „Müller, Poldi, Klose, Schweini – spielt sie alle kurz und kleini!“ Und die kluge Einsicht von Toni Kroos: „Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden.“

Nachtrag 14. Juli 2017.

Fußball. Weltmeister. 4 Sterne: 1954, 1974, 1990, 2014.

Die Glückwünsche von Bundespräsident Gauck und Bundeskanzlerin Merkel regen an, einen Dialog zu übertragen, der 25 Jahre zurückliegt (Quelle: Willy Brandt/Egon Bahr): „Weißte, was im Maracanã los ist? Ja! Staunste, was? Ja! Hättste nicht geglaubt, was? Nee!“

Zum Abschluss eine Erkenntnis, die dem Glückwunsch-Kommentar von Mehmet Scholl geschuldet ist.

Trainer Scholl setzte dem sicher verständlichen Team-Gejubel den folgenden Gedanken entgegen: Es ist nicht das Team, das am Anfang des Erfolges steht. Im Gegenteil! Es ist die langjährige Schulung und Förderung der Individuen. Durch Auswahl der Besten wird am Ende das Team gebildet.

Das bleibt die herausragende Leistung von Bundestrainer Joachim Löw!