11.11.11Uhr11

… da hieß es „und luurst do och ens öm de Eck, sühs do bestemp ne andere Jeck.“ *1)

Jecken begaben sich auf Besichtigungstour.

Aus Berlin wurde berichtet, Kanzlerin Merkel habe sich als Skiläufer verkleidet. Daneben der Finanzminister Schäuble als Hüttenwirt, der laut warnte: Fahr vorsichtig am Schneebrett, sonst trittst du die Lawine los. Vizekanzler Gabriel und Justizminister Maas posierten als Gouvernanten, die dazu immer „Unpassend!“ rufen.

Im Bundestag sollen drei rot-rot-grüne Schwestern angekündigt haben, die Kapitalertragsteuer abzuschaffen. Da hoben einige bezechte Sparer in der Berliner „Ständigen Vertretung“ für Politik, Kölsch und rheinische Kultur die Gläser und freuten sich, dass sie auf die 0.30 %-Erträge ihrer Spareinlagen nun keine Steuern mehr zahlen — arme Bov, am Aschermittwoch ist alles vorbei.

Bloß weg von Berlin und in die Hauptstadt der Bonner Republik.

Hier bestätigte sich sofort deren Motto: „An jede Eck ne andere Jeck“. Eine zugereiste Damengruppe behauptete, lieber in Bonn als in Kölle zu feiern: „Der Karneval in Köln ist uns zu flach.“ Allen Ernstes!

Bloß weg von Bonn und nach Köln, die Hauptstadt des Karneval.

Dort zeigte das TV mit Stefan Raab & Höhner, dass die zitierten Bonner Damen den falschen Dampfer bestiegen hatten: „Ävver et Hätz bliev he in Kölle“.

Dann fanden die TV-Reporter doch noch einen prominenten Köllschen Jecken für die Bonner Damen: Wat jeht Dir durch de Kopp? Nix! Ich han Doosch!

Schließlich endete die TV-Tour vor „Die Grosse von 1823 Karnevalsgesellschaft e.V. Köln“ mit der Behauptung: „Seit 1823 sorgt die dafür, dass der Karneval nicht aus dem Ruder läuft.“

Dieser steilen These muss nun doch nachgegangen werden. Wie lief der Karneval in Köln im 19. Jahrhundert?

Die Kölnische Zeitung Nr. 49 vom 17. Februar 1849 berichtete: „Wir sind Zeuge von Darstellungen gewesen, die jeder Sittlichkeit Hohn sprechen …“ *2) (S. 219). Lassen wir es um Gottes willen bei diesem Hinweis!

Auch das „Maessigkeit’s Lied“ — „Hört! Köllner hört! Die Mäßigkeit ist doch ein schönes Wort …“ (*2, S. 200) — wurde seinerzeit vollends vergeblich angestimmt.

Im Karneval am 24. Februar 1884 wandte sich ein Vertreter der Mäßigkeit an eine Gruppe Kölner Füsiliere (Infanterie) vom 40. Regiment: „Meine Herren, wenn Sie sich einen Carnevalsscherz erlauben wollen, müssen Sie’s nicht zu arg treiben.“ Die antworteten, wer nicht Ruhe gebe, könnte „kölsche Jungens kennen lernen.“ *2), (S. 201 f.)

Einem Auswärtigen aus der Eifel, Johann Hilger, missfiel dies. Und im Schutze seiner Eifeler Gruppe rempelte er den Kölner Füsilier Faßbender an. Der schickte Hilger mit einem Fausthieb zu Boden. Der Soldat mag sich aus Sorge über Hilger gebeugt haben. Als Füsilier Faßbender seinen Freunden in die Kaserne folgte, brach er plötzlich zusammen und verblutete in den Armen der Kameraden. Der scheinbar hilflos am Boden liegende Hilger hatte Faßbender, als der sich über ihn beugte, die tödlichen Messerstiche versetzt und sich davon gemacht. Das Kölner Schwurgericht verurteilte den Messerstecher Hilger zu drei Jahren Gefängnis.

Dieses Strafmaß des Kölner Schwurgerichts mag kontrastiert werden mit seinem Urteil gegen den Tagelöhner Adolph Renkwitz, der in seiner Wohnung Falschgeld hergestellt und den man dabei erwischt hatte. Renkwitz, der aus Stettin stammte, beging die Dummheit, außerhalb der Karnevalszeit, im Juni 1891, „Büttenreden“ vor dem Kölner Schwurgericht zu halten. Damit erheiterte er zwar das Publikum im Gerichtssaal, jedoch nicht die Richter.

Zur Person befragt, stellte sich Renkwitz vor: Baron Peters, geboren 1670 am 10. Juni 1809, verheiratet mit drei Frauen, die sind alle gestorben, und morgen ist wieder Heirat. Zum Militärdienst habe ich jetzt keine Zeit, ich bin Münzdirektor. *2) (S.79).

Diese Vorstellung brachte Renkwitz wie dem Messerstecher Hilger drei Jahre; aber Zuchthaus, nicht Gefängnis! *2)

Merke: Vor dem Kölner Schwurgericht unterhalte nicht das Publikum, sondern versuche, die Richter milde zu stimmen. Der Messerstecher Hilger, der durchaus heimtückisch den Füsilier Faßbender ermordet hatte, war als gebrochener Mann auf Krücken vor dem Schwurgericht erschienen. Und Karneval ist am Aschermittwoch vorbei.

Geschichte hin, Geschichten her — die Hauptstadt des Karneval in Deutschland ist und bleibt Köln. Wie die Bläck Fööss singen: „Du bess die Stadt, op die mer all he stonn, du häs et uns als Pänz schon aanjedonn“.

Und von dem Berliner Politikklüngel — an jede Eck ne andere Jeck — werden wir uns beizeiten erholen mit De Höhner: „Da simmer dabei! Dat is prima! VIVA COLONIA!“

*1) www.koelsch-akademie.de/.

*2) Udo Bürger, Bleche Botz und Klingelpütz, Köln 2009. In “Zuchthäusern“ galten besonders harte Haftbedingungen, wie z. B. schwerste körperliche Arbeit.