13. August 1961.

Mit der Mauer wurde der Kalte Krieg stabilisiert, Eskalation an der deutsch-deutschen Grenze ausgeschlossen. Die drei Westmächte und die westdeutschen politischen Entscheidungsträger wussten das. Man richtete sich ein.

Nur wenige machtvolle Stimmen blieben hörbar – Dank an Axel Springer! Vielen Eingemauerten blieb ein Traum: „He flies through the air with the greatest of ease, the daring young man on the flying trapeze“ (William Saroyan).

Ja, das ganze „Sich Einrichten“ ging zu Lasten der Menschen in der DDR. Dort richteten sich auch viele ein, was blieb denn? Neben Saroyans Traum mag es alles gegeben haben – große Leistungen, Zustimmung, Verrat, Konformismus, Resignation … Doch das Verwerfliche und Barbarische bleibt: Ein System, das dem Dissenz, dem Missfallen, der Empörung aus welchen Gründen auch immer, nicht einmal die beiden Möglichkeiten lässt, die jedem Menschen mindestens zustehen müssen: Exit or Voice (Albert O. Hirschman), Flucht oder Protest! Nicht mal die Flucht! Von den Menschenrechten ganz zu schweigen!

Heute zum offiziellen Gedenken Bundespräsident Christian Wulff in WELT ONLINE: „Für mich wäre es ein großes Glück, wenn die Erinnerung an den 13. August 1961 zu einem neuen Aufleben des anti-totalitären Grundkonsenses in Deutschland führt.“ Damit ist alles gesagt.

Ich würde mich sehr freuen, wenn zwei Mauerflieger ihr Glück gefunden und sich einige ihrer Träume erfüllt hätten. Hier sind die Beiden, dank SPIEGEL Gespräch mit Redakteur Jörg R. Mettke vom 19. September 1983: Ronald und René, 19 Jahre jung, Gebäudereiniger und Straßenbauer. Acht Stunden zuvor über die Mauer, „ohne West-Firnis“ ihr Gespräch mit Herrn Mettke.

  • Fluchtmotiv: „Det hat uns so anjekotzt. Kam eben viel uff´n Mal: der Hass uff´n Schieber („Einsatzleiter“, am Arbeitsplatz, RS), det der imma den längern Arm hat …“
  • Ob gezielt auf sie geschossen wurde: „Nee, nich jezielt. Wenn se jewollt hättn, wär´n Treffer imma drin jewesn. Ick hab ja jesehen, wo die Schüsse anne Mauer einjeschlagen ham, an ein und dieselbe Stelle. Weil ick hab´ ja vasucht, Ronald hochzuziehen. Kann ja mein Kumpel, wenn er da uff de Leiter steht, nich in Stich lassen …“
  • Was „sich allet so jestaut“ hat: „Die ham doch drübn überhaupt nich irjendeen Feinjefühl, wat schick aussieht … ´ne jute Hose kostet ja schon zweehundertsiebzich Mark, aus´m ´Exquisit`… Andere Hosen kann man ja nich anziehn, denn sieht man aus wie´n Stoffhund … Vahungan tut keena bei uns, wa. Aba jefällt uns eben nich. Man hört von andre: ´Oh, meene Oma is jekomm´, Mensch, die hat wieda wat mitjebracht. Da wird man so neidisch, det is so´n Hass is dette `.“
  • Träume vom Westen: „Erst mal Arbeet findn, möglichst schnell, und denn Jeld vadien´. Und später: „Eij, jetze uff´n Kurfürstendamm, mit ´ne schwere Maschine, inne Disco oda anne Spielautomaten. Davon träumen wa doch.“

Ronald und René, Ihr habt großes Glück gehabt. Viele andere sind für ihre Träume gestorben. Von ganzem Herzen wünsche ich Euch, dass Ihr Euer Glück und Eure Träume im Westen gefunden habt!

Wieder kommt mir ein Bild hoch. Wie Otto Schily hämisch kommentierend, den einfachen Menschen, die jubelnd durch die Mauer brechen, mit der Banane zu wedelt. Dies Bild kommt mir hoch: „Det is so´n Hass is dette.“