20 Jahre deutsche Einheit

Freitag, 17. Dezember: Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, eröffnet die Aussprache über den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010.

Durchweg würdige, sachlich und politisch angemessene Beiträge – von Innenminister Thomas de Maizière bis zu Roland Claus (DIE LINKE). Eine gesamtdeutsch-demokratische Kultur ist in unserem Parlament an diesem Tag sichtbar geworden. Nach dem schlimmsten wirtschaftlichen Rückschlag in der Geschichte der Bundesrepublik lässt dies für unsere Zukunft hoffen.

Informativ vor allem die Analyse von Daniela Kolbe, SPD, in Thüringen 1980 geboren, Diplom-Physikerin, MdB aus Leipzig. Zunächst stellt sie fest: „In 20 Jahren wurde durch die Solidarität der alten Länder und durch die Aufbauleistung der Menschen in den neuen Ländern Beachtliches geschaffen. Darauf können wir alle miteinander sehr stolz sein.“

Die andauernden Probleme in den neuen Bundesländern werden von Frau Kolbe klar benannt.

1. Im Unterschied zum Westen deutlich weniger Stammsitze großer Unternehmen, zu geringe Zahl mittelständischer Betriebe.

2. Forschung und Entwicklung in Unternehmen finde noch zu wenig im Osten statt. Erfreulich dagegen “die stark aufgeblühte Forschungslandschaft in den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.“

3. Leider sei die Beschäftigung noch immer zu sehr auf den öffentlichen Dienst konzentriert. Die Langzeitarbeitslosigkeit verfestige sich zunehmend.

4. Die Wiedervereinigung habe zu dramatisch gesunkener Geburtenrate und danach zu ebenso dramatischer Abwanderung vor allem junger Menschen geführt.

5. In den neuen Ländern sei die Zustimmung zur Demokratie geringer als in den alten. „Das ist ein beunruhigender, ja verheerender Befund. Ebenso verhält es sich bei dem Thema Rechtsextremismus.“

Der Beitrag von Daniela Kolbe, MdB, ist deshalb wichtig, weil er die weiterhin bestehenden Aufgaben präzisiert, die dringend angegangen werden müssen, um die Zukunftsfähigkeit der neuen Bundesländer zu verbessern.

Diese Rede zur Aussprache über den Stand der deutschen Einheit nach 20 Jahren fand die Aufmerksamkeit einer respektabel gefüllten Zuschauertribüne, von etwa 20 MdBs der Union, 10 von Die LINKE, 8 des Bündnis 90/Die Grünen, 7 der FDP …. und, sage und schreibe, DREI von der SPD.

Da kommen andere Bilder des Jahres 2010 hoch: Ein Fernseh-Clip mit Otto Schily, wie er den Freiheitswillen der Menschen in der DDR durch Wedeln mit einer Banane würdigt. Damals konnte auch Klaus Staeck, heute Präsident der Akademie der Künste, noch eins drauf setzen. Mit seinem Plakatmotiv zur Einheit: eine Wurst, die sich aus einer Banane schält. Jedenfalls witziger und gesamtdeutscher als die Geste von Schily!

Daran erinnert das Interview des Berliner Tagesspiegel vom 2. Oktober 2010 mit Präsident Staeck, im Glaspalast schräg gegenüber dem Brandenburger Tor: „Alles in allem betrachte ich die Vereinigung als Glücksfall.“ Und – Werten ist vornehmste Aufgabe eines Präsidenten der Akademie der Künste – “Es gibt kleine und große Künstler.“ Wo er Recht hat, hat er Recht.

Gut, dass der deutsche Bundeskanzler vor 20 Jahren Helmut Kohl hieß. Er hatte sich das Vertrauen der Menschen und der entscheidenden Akteure, George H. W. Bush und Michail Gorbatschow, erarbeitet.

Gut, dass wir damals noch Willy Brandt hatten. Im 78. Lebensjahr, zwei Jahre vor seinem Tode, war er unermüdlich unterwegs und sprach zu den Menschen in Deutschland. Lest das Buch Willy Brandt »…was zusammengehört«. Sechzehn Bundesländer im vereinigten Deutschland, sechzehn große Reden über Deutschland.

Gut, dass Willy Brandt die Erfüllung seiner Deutschland- und Entspannungspolitik erlebte.