Mäandernd reden.

Wie der Fluss Mäander so floss die Rede des Vorsitzenden der SPD: Im Niveau von oben nach unten, politisch von rechts nach links – Gleit- und Prellhänge wechselten zwischen links und rechts, je nach Thema.

Sigmar Gabriel begann mit der Größe, die der Bürger von einem Parteivorsitzenden nach einem Wahlfiasko erwartet.

Zuerst das Abräumen zweier Selbsttäuschungen: Erstens, wir hatten ein tolles Programm, aber der Kandidat passte nicht. Zweitens, wir hatten ein tolles Programm, aber Gerhard Schröders Agenda 2010 wirkte nach.

Dann die bohrenden Fragen, hart gegen sich selbst, das Fiasko verantwortend: Warum die Union sogar bei Gewerkschaftsmitgliedern mit der SPD fast auf Augenhöhe stehe. Warum selbst Leiharbeiter in Befragungen zu 60 % der CDU und nur zu 20 % der SPD mehr Sachverstand zutrauten. 65 % der Menschen meinten, die Agenda 2010 sei Hauptgrund für die gute wirtschaftliche Lage.

Drei zentrale Gründe gab Gabriel für die Niederlage an.

Erstens, wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten, wurde eher Bundeskanzlerin Angela Merkel zugetraut.
Zweitens, der Wahlkampf habe sich an die Unzufriedenen gerichtet. Wo war ein Angebot für jene, die unser Land so sehen, wie es ist: Ein Land, das viel zu bieten hat?
Drittens, was hatte die SPD für diejenigen im Angebot, die die gute wirtschaftliche Lage erhalten und sichern wollen? Für die gerade im Jahr 2013 stetiges wirtschaftliches Wachstum wichtiger war als Gerechtigkeit?

Für die SPD sei deutlich stärkere Wirtschaftskompetenz notwendig. Die SPD habe mit dem Dauerthema der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich nicht überzeugt.

Der Rest der Rede von 1 Stunde und 24 Minuten war geschicktes Mäandern zwischen den verfeindeten Flügeln der SPD.

Von der „kulturellen Kluft“, die SPD-Repräsentanten und SPD-Wähler trenne. Über die Abkehr vom koalitionspolitischen Boykott der LINKEN. Bis hin zur verächtlichen Umkehr des Wortes von Willy Brandt: „Erst das Land, dann die Partei.“ Sonderbar, dies seit Jahren von einem SPD-Vorsitzenden Gabriel zu hören, der wie kein anderer Spitzenpolitiker das Wort vom „Gemeinwohl“ für sich und seine Politik beansprucht hat. Da hatte der Fluss Mäander die Tiefebene erreicht.

Entscheidend für die Zukunft der SPD als „Volkspartei“ ist die Frage, wie sie die Tüchtigen, die Aufstieg-Orientierten, die ständig in Weiterbildung engagierten Facharbeiter und Angestellten wieder von der Union zurückgewinnen kann. Von kleinen Selbständigen und Handwerkern nicht zu reden. Diese eingangs selbst aufgeworfene Frage schien dem Vorsitzenden beim Mäandern wieder aus dem Blick geraten zu sein.

Aber dies ist die Frage, von deren Antwort es abhängt, ob die SPD Volkspartei bleibt: Wirtschaftspolitische Kompetenz für den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland als Markenzeichen der SPD. Gabriels selbstkritischer Beginn war ein Kompliment an den Verstand der Wählerinnen und Wähler. Die wissen, dass nur erwirtschaftete Leistung und Wertschöpfung verteilt werden kann.

Mäandernd reden. Schafft dies Vertrauen in verlässliche Politik für unser Land?