Olaf Sommerloch?

Warum wenden sich Bürger von der SPD ab? Selbst viele Sozialdemokraten verärgert:

  • Dass in der SPD-Spitze in unserer gefährlichen Zeit statt zu regieren, über den Gang in die Opposition schwadroniert wird. Nach gerade rd. 15 Monaten in der Verantwortung der Bundesregierung!
  • Geld für “Soziale Gerechtigkeit“ ist den SPD-Ministern immer willkommen: „Ich gebe euch, ich habe euch verschafft“ scheint die beliebteste SPD-Politik. Aber möglichst wenig für Sicherheit gegen Terror und Kriminalität und möglichst wenig für den defizitären deutschen Beitrag zur Verteidigung des NATO-Bündnisses.
  • Besonders verärgern die endlosen Personaldebatten, als ob allein die privilegierten Posten interessierten. Die gewählte SPD-Vorsitzende Nahles wurde wegen ausbleibender Wahlerfolge vertrieben. Nun amtiert ein dreiköpfiger vorläufiger Vorsitz: der in Hessen wiederholt gescheiterte Schäfer-Gümbel und zwei solide Ministerpräsidentinnen, Frau Dreyer und Frau Schwesig.
  • Als Nahles-Nachfolger konkurrieren bisher (!) zwei Paare, denn eine weiblich-männliche Doppelspitze müsse her. Auch weitere Namen kursieren bereits: Klingbeil etc.
  • Der linken Katarina Barley, gerade als deutsche SPD-Spitzenkandidatin mit dürftigstem Ergebnis ins EU-Parlament gewählt, — “Miteinander“ war ihre Botschaft — ist schon das intrigante “Gegeneinander“ in der eigenen sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament gelungen. Mit ihrem deutschen MEP-Anhang versuchte sie vergeblich, die Wahl von Ursula von der Leyen als deutsche Präsidentin der EU-Kommission zu verhindern. Gegen die Interessen der meisten S&D-MEPs aus anderen EU-Ländern und auch gegen ausdrückliche Wünsche hochrangiger deutscher Sozialdemokraten.

Statt sich nun mit den mindestens 10 bis 15 Namen der personellen Dauerdebatte um die deutsche SPD-Führung zu beschäftigen, hält sich der Bürger, der hofft, politisch orientiert zu werden, an den wichtigsten und fähigsten Sozialdemokraten: Olaf Scholz, Vizekanzler und Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland und noch 61 Jahre jung. Von dessen SPIEGEL-Interview *1) war Information zu erwarten.

Hier folgt nun der wesentliche Informations- und Orientierungsertrag, den Vizekanzler Olaf Scholz in dieser — wie gesagt, wirtschafts- und sicherheitspolitisch höchst unsicheren und gefährlichen — Zeit anzubieten hat.

  • Scholz erzählt, wie er sich als  Bundesarbeitsminister immer für höhere Löhne eingesetzt habe. Das waren gerade mal knappe zwei Jahre: November 2007 bis Oktober 2009! Sein Wirken, als es um Überwindung der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ging und überhaupt nicht um höhere Löhne, liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück. Und das tischt er uns heute zur Orientierung auf. Ohne den gebotenen Respekt vor den Institutionen der Tarifautonomie und der unabhängigen Mindestlohn-Kommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Diese für Lohnpolitik zuständigen Akteure und Arbeitsmarktinstitutionen sind in unserer Sozialen Marktwirtschaft vor jeder Einmischung von Parteipolitik und erst recht von Regierungen zu schützen. (Natürlich fungiert bei Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst in der Regel der Innenminister, als Arbeitgeber jedoch, nicht als Lohntreiber.)
  • Bei derzeit eintrübender Wirtschafts- und Finanzlage scheint Scholz den Blick in die Vergangenheit zu schätzen und lässt Fragen zu seiner stramm linken Juso-Vergangenheit zu: „Wir haben uns damals unglaublich intensiv mit Wirtschaftstheorien auseinandergesetzt, rechten wie linken.“ Hoffentlich ist da nichts hängengeblieben. Denn “rechte“ und “linke“ Wirtschaftstheorien sind völlig wert- und belanglos. Zur Kenntnis zu nehmen ist nur die faktenbasierte, zeitgemäße, vernünftige Wirtschaftsanalyse und Wirtschaftspolitik. Das hatte der Jurist und ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sehr gut verstanden und den Ideologen und damaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine aus der Regierung und der SPD-Führung gedrängt.
  • Dann gibt sich der Vizekanzler Scholz ganz nahe dran an den “kleinen Leuten“, die für ihn auf das Patronat der SPD angewiesen sind: „Ich kann es nicht ab, wenn Leute, die sich für fortschrittlich halten, unglaublich degoutant auf die Kellner oder die Leute in der Küche herabschauen.“ *1) Was soll dieses Fingerzeigen — welche “fortschrittlichen“ Menschen meint er denn bei diesem Spielen mit Ressentiments? Gleichzeitig rühmt er die SPD, weil sie „ohne Ressentiments auftritt.“ Meint Scholz etwa den erfolgreichen “Parteifreund“ Ex-Kanzler Gerhard Schröder? Der hatte die Koch-Kellner-Rangordnung auf Bundeskanzler-Vizekanzler übertragen, was seiner Zusammenarbeit mit Joschka Fischer wohl nicht schadete. Bei solchem Gefasel unseres Vizekanzlers muss ich ebenfalls denken, „ich kann das nicht ab.“
  • Wer mag sich den SPIEGEL gekauft haben, um die folgende politische Orientierung von Scholz zu empfangen? „Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut, und ich bin Sozialdemokrat durch und durch … Das Wichtigste im Leben ist die Liebe … Ich wandere mit meiner Frau … Ich lese unheimlich viel … Ich kann auch stundenlang dasitzen und nichts tun.“
  • Seine Prognose für die Zukunft der SPD ist praller Optimismus. Die Interviewer zitieren eine aktuelle Äußerung von Scholz, „die Chancen der SPD, stärkste Partei zu werden, seien so gut wie lange nicht“. Zwar verdächtigen sie Scholz, vor diesem Satz etwas geraucht zu haben. Aber Nicht-Raucher Scholz ist um eine Begründung nicht verlegen. Denn für die SPD gehe es „um jeden in der Gesellschaft. Damit ist die SPD ein historisches Glück für unser Land … Genau dafür steht die SPD. Für Wertschätzung. Wir sollten mit unseren unterschiedlichen Hintergründen als 80- oder 90-jährige sagen können: Das war ein gelungenes Leben.“ Damit ist Finanzminister Scholz schon ziemlich in den Bereich der Seelsorge gewechselt, was er besser den Kirchen überließe.
  • Zu den im Zeitpunkt des Interviews bevorstehenden, für die internationale Politik-Koordination wichtigen G20- und G7-Gipfeln oder zur neuen EU-Strategie 2019 – 2024 findet sich wenig bis nichts, was der Orientierung dienen könnte. Verständlich fast, denn für den G20-Gipfel 2017 in Hamburg hatte Bürgermeister Scholz reibungslosen Ablauf “wie beim Hafengeburtstag“ vorhergesagt. Jeder sah dann, welche Gewaltorgie vor allem linker Aktivisten Teile Hamburgs verwüstete. Da vermeidet der politische Leisetreter besser alles, was nach Gipfel klingt.
  • Die besten Teile des Interviews sind zurückhaltende Zusicherungen an die Wählerschaft: Durch “moderne Politik und Professionalität, um dieses Land gut zu regieren, machen wir Kompromisse mit unseren Koalitionspartnern“. Dabei betont Scholz “Sachlichkeit und Erfahrung“. Danke sehr, Herr Vizekanzler, dafür hat sich die Anschaffung des SPIEGEL (€ 5.30) gelohnt.

Für den größten Teil des eher ertragsarmen “Orientierungsangebots“ durch den Vizekanzler reicht ein knappes:

Danke Olaf “Sommerloch“! *2)

*1) “Ich habe mich entgiftet“. SPD. Vizekanzler Olaf Scholz, 61, über das schwierige Verhältnis zu seiner Partei, seine linke Vergangenheit und die Beziehung zu seiner Frau. In: DER SPIEGEL. Nr. 26/ 22. 6. 2019, S. 38 f.

*2) Als “Sommerloch“ bezeichnen Medien einen angeblichen Mangel an Nachrichten, Ereignissen, Informationen im Sommer. Dies trifft in der heutigen Globalisierung von Politik wegen unterschiedlicher Jahreszeiten nur sehr begrenzt zu. Ich vermute, das Sommerloch dient eher der Rechtfertigung hiesiger Politik- und Medien-Profis, einen wohlverdienten Urlaub anzutreten. Das ist verbrecherischen Elementen und Regimen wohl bekannt und könnte ausgenutzt werden. Zum Beispiel sieht man derzeit, dass der Iran und Russland die “Sommerpause“ nutzen, um ihre Aggressionspolitik fortzusetzen.