Schröder Investment.

Gegenstand dieses Beitrags ist nicht etwa das weltweit angesehene Unternehmen, das sich dem Management von Vermögenswerten widmet. Und das vor rund 200 Jahren von dem Hamburger Kaufmann Johann Heinrich Schröder in London begründet wurde. Hier geht es um eine politische Investition.

Es geht um die Investition des russischen Präsidenten Wladimir Putin in das „politische Kapital“ des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder. Diese Investition des Präsidenten der Russländischen Föderation (RF) zeigt rationales Kalkül. Davon scheint nicht zuletzt Gerhard Schröder selbst überzeugt, wie deutlich werden wird.

Vor allem scheint Putins Investition in Gerhard Schröder rational im Vergleich zur politischen Kalkulation weiter Teile der SPD, die gegen jeden Sachverstand Gerhard Schröders „politisches Kapital“ abwertet und seine Agenda-Politik von 2003 zur Modernisierung Deutschlands diskreditiert.

Mit dem Ergebnis, dass die CDU/CSU unter Angela Merkel in Schröders Politik für die „solidarische Mitte“ investiert hat. Völlig abgewertet steht die SPD heute da — am Ende der Kanzlerschaft Gerhard Schröders 2005 noch eine 35 %-Volkspartei (trotz Agenda 2010!), heute auf 20 % verfallen.

Die Reaktionen aus der SPD auf Putins Investition in Gerhard Schröders „politisches Kapital“ fallen unfreundlich aus. „Völlig deppert der Kerl“ wird als Urteil des SPD-Vorsitzenden Martin Schulz zitiert *1): über Gerhard Schröders Berufung als Vorsitzender des Aufsichtsrats des Energiekonzerns Rosneft, der zur Sanktionsliste der EU wegen Russlands Annexionspolitik und militärischer Intervention gegen die Ukraine gehört. Dieser mehrheitlich im Eigentum des russischen Staates stehende Konzern hat mit je 19.5% als Miteigentümer das britisches Mineralölunternehmen BP und QHG Shares Pte. Ltd., das gemeinsame Unternehmen der Schweizer Glencore und der Qatar Investment Authority.

Schröders Engagement für Energieprojekte mit dem russischen Staat, mit deutschen und anderen energiewirtschaftlichen Unternehmen, umfasst auch die Leitung des Verwaltungsrats der Nord Stream Aktiengesellschaft. Deren Anteile halten zu 51% der russische Energiekonzern Gazprom, mit den weiteren Aktionären Wintershall, E.ON, Nederlandse Gasunie und dem französischen Energiekonzern Engie S. A..

Gerhard Schröder sieht sein Wirken für Energieprojekte mit dem russischen Staat als wichtigen Beitrag für die deutsche und europäische Energiesicherheit, eingebettet in sein Engagement für die deutsch-russische Partnerschaft und Freundschaft: „Ich bin der Auffassung, dass die Integration Russlands in die Weltwirtschaft und die Integration der Energiewirtschaft Russlands von grosser Bedeutung ist. Zudem hat Rosneft erhebliche Interessen in Deutschland, speziell im Osten.“ *2)

Diese Sicht Schröders wird sicher von nicht wenigen Unternehmen und Gewerkschaftern unterstützt.

Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel hat positiv über die Berufung Schröders geurteilt: „´Wenn er Chef ist, umso besser, hat er ein bisschen was zu sagen.` Soweit er wisse, sei Schröder auch nicht von der russischen Regierung, sondern von BP für den Aufsichtsratsposten vorgeschlagen worden.“ *3) Bringt sich mit Außenminister und Vizekanzler Gabriel eine Folge-Investition für Putin in Stellung? Alles schon von Putin, Schröder und Gabriel Anfang Juni 2017 beim St. Petersburger Palast-Dîner besprochen?

Jedenfalls hat Schröder klargestellt, welche Entwicklungsmöglichkeiten das „politische Kapital“ Gabriels bietet: „Mich bedrückt, dass einer der Begabtesten, Sigmar Gabriel, nicht die Wertschätzung erhält, die er verdient. Unverständlich. Die Partei hat ihm den Kanzlerkandidaten nicht zugetraut, obwohl er es gekonnt hätte.“ *4) Gleichzeitig lässt Schröder bei seinem eigenen „politischen Kapital“ nichts anbrennen und wirft den Kritikern seiner Russland-Aktivitäten vor, ihn zu „diffamieren“, um „Frau Merkel zu helfen.“ *2)

Der frühere Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, selbst Aufsichtsrat bei der russischen Staatsbahn, äußert: „Ich kann die Aufregung nicht verstehen … Deutschland sollte stolz sein, dass ein ehemaliger Bundeskanzler in Russland für seine Expertise so gefragt ist.“ *5)

Die politische Beurteilung der Aktivitäten Schröders für den Energiehandel mit Russland ist vor dem Hintergrund der russischen Annexionspolitik gegen die Ukraine überwiegend negativ. Die russischen Völkerrechts- und Kriegsverbrechen in der Ostukraine und auch in Syrien sind sicher Grund genug, in Putins Russland einen Gegner des demokratischen Westens und des Selbstbestimmungsrechts der russischen Nachbarländer zu sehen.

Hier soll nicht das in den Medien ausführlich debattierte Für und Wider des Engagements Schröders wiederholt, sondern die rational-gerissene Kalkulation des russischen Staatspräsidenten Putin hervorgehoben werden, in das „politische Kapital“ des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers zu investieren.

Wie wird dieses „politische Kapital“ Schröders für Putins Interessen eingesetzt? *4)

  • Die Sorge in der EU und in Deutschland gegenüber hoher 40-prozentiger Energieabhängigkeit von russischem Gas, die Bedenken der benachteiligten östlichen Länder vor der Energie-Achse Deutschland-Russland kontert Schröder: „Ja und? Die brauchen doch auch unsere Märkte. Und sind damit abhängig von uns. Und wir brauchen das Gas, für unsere Industrie, für die Haushalte und für die Stromerzeugung.“
  • Die Einwände aus klimapolitischer Sicht gegen den hohen Import fossiler Energien aus Russland scheinen in Schröders Bedarfsanalyse gegenstandslos.
  • Schröder wirft laut Pressekommentaren dem Westen — vor allem den USA — regelmäßig vor, Putin zu verteufeln.
  • Zum Krieg Russlands und russischer Separatisten in der Ost-Ukraine stellt Schröder fest: „Kiew führt Krieg gegen den Donbass und schneidet die Menschen dort von Energielieferungen ab.“
  • Zur militärisch kaum bedeutenden Solidaritätsgeste für die baltischen NATO-Mitglieder, die sich von Putins massiver Aufrüstung und seinen Botschaften an ihre russischen Minderheiten bedroht fühlen: „Ich halte das für falsch angesichts unserer Historie speziell mit Russland. Berlin hätte klarmachen können: Ihr könnt das gern tun, aber lasst uns da raus … Zum anderen glaube ich nicht an die Mär einer russischen Aggressionspolitik.“
  • Schröder spaltet nicht nur die EU mit seinen russland- und energiepolitischen Stellungnahmen. Er polemisiert gegen die Bündnispolitik der USA. Und der Ex-Bundeskanzler spekuliert sogar auf politische Instabilität Deutschlands, indem er baldiges Scheitern einer von seiner Nachfolgerin Merkel geführten Jamaika-Regierungskoalition vorhersagt. Putin wird dies gern gehört haben.
  • Obwohl die Bemühungen der Ukraine und Georgiens um Mitgliedschaft in der NATO von der NATO abgewiesen wurden, konstatiert Schröder ein „Heranrücken der Nato an die russische Grenze. Das hat Ängste ausgelöst.“
  • Die Gefahr scheint Schröder im NATO-Partnerland USA zu wittern: „Die amerikanische Politik zielt seit George W. Bush auf Isolierung und Einkreisung. Sie wollen kein starkes Russland. Aber wollen wir Deutsche und Europäer ein schwaches Russland? Die Russen sind unsere Nachbarn. Wir brauchen deren Markt und deren Energie. Wir brauchen sie politisch, wenn wir an den Nahen und Mittleren Osten, das iranische Atomprogramm oder die Kaukasusregion denken.“
  • Und so bringt Schröder seine Loyalität gegenüber dem Freund Putin auf den anti-amerikanischen Höhepunkt. Für ihn ist der Unterschied zwischen Staatspräsident Putin und USA-Präsident Trump ganz klar. In Putin erkennt Schröder: „Ein hohes Maß an Rationalität. Verglichen mit dem US-Präsidenten können wir froh sein, einen Putin zu haben.“

Die öffentlichen Äußerungen des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder zeigen: Putins „hohes Maß an Rationalität“ hat sich im Hinblick auf die politische Rendite seines „Schröder Investments“ bisher bestens ausgezahlt!

Bei soviel Lobgesang auf die „Rationalität Putins“ und die Erträge seines „Schröder Investments“ wende ich mich ab. Und denke über eine Warnung für Investoren auf der ersten Seite von „Schroder Investment“ nach:

„Leistung in der Vergangenheit heißt nicht, dass sie künftig wiederholbar ist. Der Wert von Investitionen und der resultierenden Erträge kann steigen oder fallen und die Investoren können Verluste gegenüber der ursprünglichen Investition erleiden. Alle Investitionen sind riskant einschließlich des Risikos, das eingesetzte Kapital zu verlieren.“ *6)

Ist das „politische Kapital“ eines ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Schröder sakrosankt, wenn er mit anti-amerikanischen Akzenten „die Interessen Russlands vertritt“ (Joffe)? Selbst wenn er „es aus Überzeugung“ macht und „ein Recht auf Freiheit“ wahrnimmt? *4)

Die eindringliche Warnung vor Kapitalverlust von Schroder Investment sollte auch bei Investitionen in das „politische Kapital“ bedeutender Persönlichkeiten beachtet werden: Pleite nicht ausgeschlossen!

*1) Gerhard Schröder. „Völlig deppert der Kerl“. Während Schröder seinen neuen Job für Russlands größte Öl-Firma verteidigt, kritisieren ihn ein Verfassungsrechtler und Politiker. Martin Schulz nennt ihn gar „deppert“. 30. September 2017, Quelle: ZEIT ONLINE.

*2) Exklusiv – jetzt redet Schröder! «Man diffamiert mich, um Frau Merkel zu helfen». Altbundeskanzler Gerhard Schröder steht in der Kritik, weil er in den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft einziehen soll. Im BLICK nimmt er erstmals Stellung. Interview: Christian Dorer. Publiziert am 17.08.2017. Aktualisiert am 24.08.2017; https://www.blick.ch/news/politik/exklusiv-jetzt-redet-schroeder-man-diffamiert-mich-um-frau-merkel-zu-helfen-id7158570.html

*3) SCHRÖDER-EINSTIEG BEI ROSNEFT. „Es geht um mein Leben – und darüber bestimme ich“. AKTUALISIERT AM 30.08.2017; faz.net.

*4) Siehe z. B.: Gerhard Schröder. „Verglichen mit Trump können wir froh sein, einen Putin zu haben“. Ein Gespräch mit Gerhard Schröder über seinen Umgang mit Autokraten, die Fehler der SPD bei der Bundestagswahl – und das mögliche Ende von Jamaika im Jahr 2019. Interview: Josef Joffe. 15. November 2017. ZEIT NR. 47/2017.

*5) MEHDORN ÜBER DEN ALTKANZLER. „Deutschland sollte stolz auf Schröder sein“.

AKTUALISIERT AM 26.08.2017; faz.net.

*6) „Past performance is not a guide to future performance and may not be repeated. The value of investments and the income from them may go down as well as up and investors may not get back the amounts originally invested. All investments involve risks including the risk of possible loss of principal.“ Siehe: http://www.schroders.com. (Übersetzung RS).