Missliches: Presse und Politiker.

Zwei hochangesehene Journalisten, beide Anfang 50, schlagen sich ins Sommerloch. Und vorher schlagen sie noch einmal richtig tief … gegen einen Jungstar der Politik, 34 Jahre.

Warum haben es Peter Carstens (FAZ) und Jan Fleischhauer (SPIEGEL) auf Philipp Mißfelder abgesehen, den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag? *1)

Was steckt hinter der durchaus abgestimmt scheinenden Attacke zweier besonders verdienter Journalisten und Autoren, die sich einen festen Platz im öffentlichen Leben erarbeitet haben?

Warum setzen sie einen jungen Mann als Persönlichkeit derart herab? Einen Mann, der sich – vor dem Ende des Jungpolitiker-Status stehend – umorientiert hat. Vor allem aus der Sicht von Carstens und Fleischhauer. In Ämtern, in gewerblichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten und anscheinend in politischen Einstellungen.

Gewiss ist es legitim, gerade für Journalisten, Positionswechsel von Politikern zu hinterfragen und zu kritisieren. Warum tritt der Multi-Funktionsträger Mißfelder nach nur drei Monaten vom wichtigen Amt des Koordinators für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt (AA) zurück? Um nun, neben vielem anderen, für die Beziehungen mit Russland, mit Gazprom bis hin zum besonders zukunftsträchtigen Gasexporteur Turkmenistan zu arbeiten. Und Schatzmeister der NRW-CDU zu werden, ein Amt, das mit Einwerben von Spenden zu tun hat.

Übrigens hat sich Mißfelder solchen Fragen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gestellt. *2)

Beide Journalisten, Carstens und Fleischhauer, werfen Mißfelder vor: „Wer ihn nach Russland fragt, seinen Reisen und Vereinsmitgliedschaften, nach Gazprom oder nach seinen Geschäften, der bekommt keine Antworten, sondern es mit Anwälten zu tun.“ (*1a) Gemeint sind die Anwaltskanzleien von Peter Gauweiler (CSU) und Peter Danckert (SPD). Carstens und Fleischhauer sprechen von „drohen, einschüchtern, brüskieren“ (*1).

Ist es angemessen im deutschen Rechtsstaat derartige Begriffe zu verwenden, wenn auf journalistische „Anfragen“ von Rechtsanwälten angekündigt wird, bei „jeglicher Verbreitung von Äußerungen, durch die ein entsprechender Eindruck erweckt wird … umfassende Ersatzansprüche für sämtliche Reputations- und kausale materielle Schäden, die hierdurch entstehen“ geltend zu machen. *1a)

Für den Bürger, der Demokratie, Rechtsstaat und unabhängige Medien hochhält, wirft dieser Vorgang einige Fragen auf. Umso mehr als Carstens – vielleicht etwas unverhältnismäßig – klagt: „Eine ziemlich russische Art, mit der Presse umzuspringen.“ *1a) Stehen Medien über dem Recht?

Die Bürger-Anfrage an Herrn Carstens könnte sich also auf den Charakter beziehen, den die „Anfragen“ an Mißfelder hatten. Gaben diese „Anfragen“ Mißfelder Anlass zu vermuten, dass nicht ein „Gespräch“, sondern eine Art „Verhör-Falle“ geplant war? Mit Fragen nach Unternehmen und Geschäftspartnern Mißfelders, deren Interessen Mißfelder – vielleicht auf anwaltlichen Rat hin – in solchem „Interview“ gefährdet sah? Kommt die Abwehr eines Termins aus solchen Gründen „russischen“ Methoden gleich? Oder folgt Mißfelder seinen Rechtsberatern, wenn er den bekannten Kakao nicht liefern möchte, durch den er anschließend gezogen wird?

Keineswegs motiviert durch Sympathie für Herrn Mißfelder wird diese Möglichkeit hier illustriert. Durch einen fiktiven Brief an Herrn Mißfelder, geschrieben von einem fiktiven Mitarbeiter einer fiktiven Zeitung. Das einzig nicht Fiktive, sondern Reale an diesem Brief sind Versatzstücke/Zitate aus den Artikeln der beiden Journalisten, Carstens und Fleischhauer. *1) Um in fiktiver Weise zu versuchen, die ablehnende Reaktion Mißfelders auf die Terminanfrage zu erklären.

Der Grund für dieses Vorgehen sind in anderen Kulturkreisen gesammelte Erfahrungen, die im Sonderfall auch Schutzrechte eines jeden Bürgers, auch eines Politikers, gegenüber der Presse plausibel machen. Diese Erfahrungen sind, grob vereinfacht: Unsere Zeitung hat Material, aus dem hervorgeht, dass Sie Korruption und weitere Verbrechen begangen haben. Vor der Veröffentlichung in spätestens drei Tagen geben wir Ihnen Gelegenheit, im Interview mit uns diese Beschuldigungen zu widerlegen.

Hier nun ein fiktiver Brief fiktiven Datums und fiktiven Absenders:

 Briefkopf: XXX, Ort: YYY, Datum: ZZZ.

Herrn Philipp Mißfelder, MdB,
per Boten, persönlich, vertraulich.

Sehr geehrter …

im Interesse Ihrer Reputation bitten wir dringend um einen Termin für ein Interview.

Wir verfügen über Informationen, zum Teil aus Ihrer eigenen Partei, dass gegen Sie ungewöhnlich herabsetzende Informationen gestreut werden.

Das betrifft teils Ihre Person: Als „einen schleimigen Opportunisten“ bezeichnet man Sie, der sich „schamlos zur Leere bekenne“. *1a)

Teils sind Ihre Tätigkeiten betroffen: Sie hätten Ihre bedeutende Aufgabe als Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt (AA) in einer so unsäglichen Form weggeworfen, dass Sie „im Mai von einem Abendessen des amerikanischen Botschafters John B. Emerson in dessen Residenz in Berlin-Dahlem ausgeladen worden“ wären. *1a)

Ferner nutzten Sie geschäftliche Verbindungen in einer Weise, dass der Eindruck erweckt würde, Sie neigten zur Korruption. Uns liegen Äußerungen mit folgendem Wortlaut vor: „Mißfelder mische wirtschaftliche Interessen mit seinem Bundestagsmandat.“ *1a)

Gegenüber diesen Vorwürfen würden wir gern zu Ihrer Entlastung beitragen. Dazu könnten Sie uns mit nachprüfbaren Antworten und Belegen helfen, die sich auf die folgenden Vorgänge beziehen: Vollständige Liste mit genauen Honorarangaben zu Ihren gewerblichen Nebentätigkeiten, insbesondere zu den Unternehmen lt. beigefügter Aufstellung, Kontakte zur „Jugendorganisation „Naschi“ der Putin-Partei“, Termine Ihrer Russland-Reisen in den letzten 5 Jahren mit Angabe, wer wieviel „für solche Reisen gezahlt hat.“ *1a)

Eine wirksame Widerlegung der Kampagne gegen Sie, verehrter Herr Mißfelder, als „the new russian ambassador“, würden wir uns von einer genauen Erläuterung Ihrer Verbindungen zu „russischen Energie-Funktionären und Putin-Verehrern“ versprechen. *1a)

Ferner wären wir dankbar, wenn Sie uns helfen könnten, Behauptungen zu widerlegen, die Ihre Kontakte zum Zweck der Völkerverständigung als Beziehung zu zwielichtigen Gestalten diffamieren.

Dazu liegen uns hetzerisch motivierte Äußerungen zu folgenden russischen Persönlichkeiten bzw. Unternehmen aus Ihrem Partnerbereich vor: Zum „russischen Botschafter und späteren Gasprom-Manager Wladimir Kotenev“; zu seiner „Gattin Maria Kotenewa, zur ´Königin von Berlinski` gekürt; ebenso zum „Gasprom-Aufsichtsrat Victor Martynov, Träger der Auszeichnung ´Ehrenvoller Beschäftigter der Gasindustrie`“, zum „russischen Eisenbahnkonzern, dessen Chef, der Putin-Vertraute und Datschen-Nachbar Wladimir Jakunin, wegen der Ukraine-Krise auf der amerikanischen Sanktionsliste“ steht. *1a)

Die Kampagne gegen Sie zielt ferner auf Ihre Verbindungen zu Persönlichkeiten in Turkmenistan. Hier ist Aufklärung deshalb wichtig und dringend, weil Beziehungen zu Turkmenistan als Land, das „ein lupenreiner Despot“ regiert, und als „das Land mit den viertgrößten Gasreserven der Erde“ besonderen Verdacht erregen. *1a)

Ein derzeit aktueller Punkt sind auch klärende Angaben zu Ihrer Mitgliedschaft bei dem Fußballverein Gelsenkirchen-Schalke 04 und seinem „russischen Hauptsponsor“, Gazprom. An dieser Verbindung sind Ihre politisch linksstehenden Denunzianten besonders interessiert. Der Grund dafür ist in folgendem Zusammenhang zu vermuten: „Die Verbindung zwischen dem Schalke-Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies und Gasprom soll, so wird verschiedentlich berichtet, von Gerhard Schröder in die Wege geleitet worden sein. Schalke war damals in finanziellen Schwierigkeiten. Der Vertrag zwischen Konzern und Club wurde Ende 2006 in Dresden besiegelt, also an der früheren Wirkungsstätte des einstigen KGB-Agenten Putin.“ *1a)

Schließlich weisen wir auf einen Sachverhalt hin, der öffentlichkeitswirksam erklärt werden sollte: „Fragen stellen sich, seit durch eine Indiskretion herauskam“, dass Sie, sehr geehrter Herr Mißfelder, unter den „Gästen einer exklusiven Geburtstagsfeier“ in Sankt Peterburg mit Bundeskanzler Schröder und Präsident Putin weilten, die Ihnen „so wichtig war,“ dass Sie „dafür sogar Angela Merkel sitzen“ gelassen hätten. Dringend erklärt werden sollte in Ihrem Interesse, was Sie, Herr Mißfelder, „bewogen hat, auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise mit Wladimir Putin anzustoßen, während die Kanzlerin daheim versuchte, einen Krieg zu verhindern.“ *1b)

Sehr geehrter Herr Mißfelder, an der Klärung dieses letzten Punktes mitzuwirken, erscheint uns politisch außerordentlich wichtig. Denn die Kampagne gegen Sie wird auch „in der CDU/CSU-Fraktion“ geführt, indem Sie von dort aus verdächtigt werden, erpressbar zu sein: bezüglich Ihrer Russland-Kontakte hätten Sie „keine Wahl gehabt“. *1a)

In der Hoffnung, mit einer baldigen Terminzusage rechnen zu dürfen, verbleiben wir

hochachtungsvoll

XXXX.

Anlage streng vertraulich:

Aufstellung der russischen Persönlichkeiten, Unternehmen und Institutionen bezüglich der Fragen nach Ihren geschäftlichen Verbindungen.

Soweit dieser fiktive Brief fiktiven Datums und fiktiven Absenders, der lediglich mit realen Versatzstücken auf die Artikel Carstens und Fleischhauers zurückgreift. Als Versuch, eine Erklärung für das Verhalten Mißfelders zu finden.

Wer könnte nicht verstehen, dass MdB Mißfelder – nach dokumentiertem Eingang des o.a. fiktiven Schreibens durch Boten – anwaltlichen Rat gesucht hätte? Und die Reaktion auf die Terminanfrage für ein Interview nach vielleicht eindringlichem Rat den beiden Anwälten überließ? Dem christlich-sozialen Rechtsanwalt Peter Gauweiler und dem sozialdemokratischen Rechtsanwalt Peter Danckert.

Der Bürger mag sich weiter fragen, wie die fast gehässig scheinende publizistische Reaktion auf Mißfelders Absage von Carstens und Fleischhauer zu erklären ist. Hier ist der Versuch einer Antwort nach der Multiple Choice Methode:

Bitte, kreuzen Sie an:

a) Von „ganz oben“ kam das Kommando: Fass!

b) Es geht nicht primär um Mißfelder; es wird ein Anschlag auf die Reputation des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder vorbereitet.

c) Der Vorgang ist eher banal: Vor dem Sommerloch wird ein Reizthema gesucht, damit die Auflage stabil bleibt.

Was immer die am meisten zutreffende Antwort sein mag, eine Frage wird sicher offen bleiben.

Warum können so gestandene Repräsentanten der einflussreichen FAZ oder des Spiegel wie Peter Carstens und Jan Fleischhauer nicht großzügig auf einen sicher äußerst karrierebewussten, ja, auch opportunistischen Jung-Politiker wie Philipp Mißfelder, MdB, blicken? Der weiß, „das Bundestagsmandat ist auf Zeit und nicht zu verwechseln mit einem Beruf.“ (Wikipedia, Mißfelder).

Und: Muss der sicher großen Bandbreite Mißfelderscher Positionen zwischen atlantischer Gemeinschaft und Russlandinteressen von Herrn Carstens das gehässig verwendete Zitat „eines schleimigen Opportunisten“ angeheftet werden? Obendrein mit einer Andeutung zur Angemessenheit seiner Berufsbezeichnung „Historiker“?

Nehmen wir den stellvertretenden Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Knut W. Fleckenstein, MdEP. Er ist ebenfalls ein gestandener Mann, wird 62 Jahre und ist ein fachlich hervorragend ausgewiesener Außenpolitiker.

Fleckensteins Aufgabe wird die Außen-, Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik der EU sein. Dazu gehören – wie in Mißfelders außenpolitischem Betätigungsfeld – Russland (Fleckenstein ist Mitglied im parlamentarischen Kooperationsausschuss EU-Russland), westlicher Balkan, die Länder Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und Ukraine, sowie – last but not least – die transatlantischen Beziehungen.

Es gibt wohl keinen Kollegen Fleckensteins, der ihm angesichts solch vielfältiger außenpolitischer Arbeitsfelder opportunistisches Wandern zwischen „Ost und West“ unterstellt. Wie es Fleischhauer dem Außenpolitiker Mißfelder vorwirft: „mal für die Vertiefung der transatlantischen Beziehungen, dann für die Freundschaft mit Russland.“ *1b)

Hätten Carstens und Fleischhauer die wendigen Positionswechsel des Chefs der Jungen Union, Mißfelder, nicht ohne persönlich herabsetzende Bemerkungen analysieren und werten können?

Etwa aus dem Blickwinkel des großen William Saroyan? „He flies through the air with the greatest of ease, the daring young man on the flying trapeze.“ Mit dem Hochrisiko des Absturzes, wie wir gesehen haben. Herr Mißfelder verdient nicht Gehässigkeit, sondern im Rahmen kritischer Auseinandersetzung wenigstens Höflichkeit und Respekt. Wie jeder Bürger unseres Landes mit dem Anspruch auf hohe politische Streitkultur.

*1) *1a) Philipp Mißfelder. Ein Mann will nach Osten, von Peter Carstens, faz.net 30.06.2014. *1b) Deutsche Karrieren: Mißfelders Ostfront. Eine Kolumne von Jan Fleischhauer, 01. Juli 2014, www.spiegel.de/thema/spon_fleischhauer/.

*2) Ukraine-Krise. „Russen legen viel Wert auf Symbole“. Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jürgen Zurheide. Interview vom 07.06.2014, http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-krise.