„Absoluter Vorrang für Schuldenabbau“ (Sigmar Gabriel).

Die SPD-Führung steht für verantwortliche Finanzpolitik und gegen neue Verschuldung, um die Eurozone zu stabilisieren.

Heute hat Generalsekretärin Andrea Nahles dieses strategische Ziel der SPD bekräftigt. Dies ist Vorgabe der „SPD-Troika“ Gabriel, Steinmeier, Steinbrück. Und diese Führungsstärke könnte die SPD, wie die Stimmung im Lande zeigt, wieder in den unbestrittenen Rang der Volkspartei heben.

Dabei ist zu erinnern, dass solide Haltung gegenüber der Krisenursache übermäßiger staatlicher Verschuldung keineswegs das Monopol der Union oder der FDP ist. Deren Vertreter sind schon dabei, diesen Eindruck in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Anfang Juli stellte Sigmar Gabriel gegenüber der Regierung klar, „statt Steuern auf Pump zu senken, müsse der Schuldenabbau ´absoluten Vorrang` haben“ (spd.de, Jochen Wiemken, 6. Juli 2011). Wie Andrea Nahles heute hervorhob, ist es wirklich bemerkenswert, dass der Vorsitzende der größten Oppositionspartei die Regierung zu verantwortlicher und damit unpopulärer Politik auffordern muss.

Der Oppositionsführer, Frank-Walter Steinmeier, bedauert unter „Mein Standpunkt“, „dass weder Union noch FDP die Zeichen erkannt haben und zu dem Mentalitätswechsel fähig sind, den die Schuldenbremse in unserer Verfassung zu Recht fordert.“

Herausragend zu würdigen ist die Rolle des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück als eines der maßgeblichen Vorkämpfer für die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

„Nach meinem Ausscheiden aus der Bundesregierung nach der Wahl 2009 haben mich meine Kinder einmal gefragt, was denn als Leistung oder Verdienst meiner vierjährigen Amtszeit als Finanzminister überdauern könnte, wenn sich die Erinnerung an das Krisenmanagement 2008/2009 einmal verflüchtigt hätte. Ich habe spontan meine Mitwirkung an der Schuldenbremse im Grundgesetz genannt … Die Verfassung enthält jetzt ein Prinzip, das der Politik auch und gerade angesichts einer eskalierenden Staatsverschuldung keine leichtfüßigen Ausweichmanöver mehr erlaubt und endlich den Interessen unserer Kinder und Enkelkinder stärker Rechnung trägt. Wer immer über die Frage der Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert räsoniert, kommt an unseren Schulden, deren Kapitaldienst wir den nachfolgenden Generationen aufbürden, nicht vorbei.“ (Peer Steinbrück, Unterm Strich, 3. Aufl. 2010, S. 309).

Solch eindeutige Festlegung der drei führenden Sozialdemokraten baut zunehmend Vertrauenskapital für die SPD auf. Dies wurde beim SPD-Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern deutlich. Dort arbeitet Ministerpräsident Sellering hart für wirtschaftliche Entwicklung und hat seit 5 Jahren keine Haushaltsdefizite und damit Neuverschuldung mehr zugelassen. Das haben die Menschen honoriert.

Dieser Weg der SPD zur Regierungsverantwortung ist einigen Risiken ausgesetzt. Zwei mit diesen Risiken eng verbundene Persönlichkeiten seien benannt.

Die eine mächtige Persönlichkeit ist ein Herr, der seit Jahren viele seiner Reden mit dem Wort „Fairness“ würzt. Das ist intelligent, klingt es doch moderner als gerecht. Doch viele seiner gewerkschaftlichen Beobachter sind altbacken genug, die Frage zu stellen, wie denn dieser Herr die „Fairness“ selbst vorlebt. Und da wäre nicht unvorstellbar, dass selbst einer robusten Natur wie Sigmar Gabriel etwas Trauer ins Auge steigt. Denn keiner hat sich so abgearbeitet wie der SPD-Vorsitzende (s. „Mannheimer Erklärung“), um das unter Gerhard Schröder beschädigte Verhältnis zum DGB-Vorsitzenden Michael Sommer und zu den Gewerkschaften wieder zur Partnerschaft zu bringen.

Den Dank, mit dem der Protagonist für „Fairness“, DGB-Chef Michael Sommer, diese Kärrnerarbeit Sigmar Gabriels vergilt, liest man im Hamburger Abendblatt vom 5. September 2011. Interviewfrage „Welche Qualitäten muss der Merkel-Herausforderer mitbringen?“ Antwort Michael Sommer: „Er oder sie sollte fähig sein, Wahlen zu gewinnen. Und das schon einmal bewiesen haben. Er oder sie sollte das gesamte Spektrum der Partei glaubhaft vertreten.“

Wollte der Streiter für Fairness unsere glaubwürdige SPD-Troika damit in die „Tonne hauen“ wie die Schuldenbremse, von der er bekanntlich auch nichts hält?

Das zweite Risiko für den Stabilitätskurs der SPD ist die ominös angedeutete „sie“, zweimal bei den Sommer-Kriterien für die Merkel-Herausforderung erwähnt. Doch wer könnte „sie“ sein?

Heute las ich es im September-Vorwärts. „Liebe Genossinnen und Genossen, … Wir haben der Politik in NRW eine neue Richtung gegeben und die Prioritäten neu definiert. Denn wir investieren in soziale Gerechtigkeit … Eure Hannelore“. Und mehr noch! Frau Ministerpräsidentin Kraft lässt sich bereits die K-Frage der SPD stellen: „Mit Ihnen als Kanzlerkandidatin?“ (derwesten.de, Interview mit R. Oppers, J. Jessen, 22. Juni 2011)

Der Wunsch der Ministerpräsidentin nach Veränderung ist verständlich. Im März 2011 hat das NRW-Verfassungsgericht den rot-grünen Nachtragshaushalt wegen übermässiger Neuverschuldung für nichtig erklärt. Nun ist auch gegen den Haushalt für 2011 eine Verfassungsklage der NRW-CDU anhängig.

Obwohl Deutschland seit Anfang 2010 das stärkste Wirtschaftswachstum seit der Wende 1990 aufweist und die Steuereinnahmen um fast 10 % steigen, macht die Regierungschefin des größten Bundeslandes gegenüber der zu hohen Neuverschuldung geltend, „dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht gegeben sei.“ (Köln-Nachrichten, 12. Juli 2011, CDU legt erneut Verfassungsklage gegen den NRW-Haushalt ein).

Peer Steinbrück wollte mit der Schuldenbremse den „bequemen und bisher nur allzu häufig beschrittenen Ausweg in die Staatsverschuldung“ (a.a.O. S. 308) verbauen. Denn die bisherige Regelung im Grundgesetz (Art. 115, Kreditaufnahme nicht höher als im Haushaltsplan veranschlagte Investitionen; Ausnahme: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts) hielt er für „weitgehend unwirksam“ (a.a.O, S. 309).

Peer Steinbrück kennt die politische „Gelenkigkeit“ (P. Steinbrück, a.a.O. S. 338) von Hannelore Kraft. Sie „investiert“ in soziale Gerechtigkeit. Wer so mit dem Investitionsbegriff und dem Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ hantiert, der muss sich mit dem DGB-Vorsitzenden über die Ablehnung der Schuldenbremse einig wissen. Der kalkuliert vielleicht auch ein wenig mit dem Steuersegen, den ein Inflationsprozess zu Beginn abwerfen kann. Solche „politische Gelenkigkeit“ verdient äusserstes Misstrauen.

Hier sollte eine Warntafel Peer Steinbrücks aufgerichtet werden: „Wenn aber die wichtigste Währung des Finanzwesens – nämlich Vertrauen – verlumpt, dann wird es auf lange Zeit keine Sparer mehr geben, die mit ihren Einlagen die ganze Maschine ölen. Sie werden nicht auf Dauer die Deppen sein wollen. … Sie verschulden sich selbst, weil die Inflation ihre Schulden teilweise tilgt.“ (Peer Steinbrück, a.a.O. S. 134)

Das ist der sichere Weg in den Ruin. Dank an Peer Steinbrück für diese Klarstellung. Jetzt gehe ich mit dem Brief und Gruß von „Eure Hannelore“ raus und haue das in die Papiertonne.