Das Wörterbuch der Politikverdrossenheit.

Der Vorwärts (vorwärts.de/woerterbuch) leistet mit diesem Wörterbuch einen wichtigen Beitrag zur Festigung unserer Demokratie und für eine anständige politische Kultur.

Auch die Kultur der parlamentarischen Zusammenarbeit, des Streites, des Werbens für unterschiedliche politische Programme und Projekte im Wettbewerb der Parteien wird dadurch gefördert. Die Lektüre zum Buchstaben „F“ des Wörterbuchs im Vorwärts September 2011, Seite 19, überzeugt. Zunächst wenigstens …

Der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels, MdB, beschreibt hier die Methoden, die „Antidemokraten seit anderthalb Jahrhunderten“ anwenden, um das „Prinzip der Volksvertretung durch Wahlen“ und „die vom Volk selbst gewählten Vertreter“ zu diskreditieren.

Die bevorzugte Methode der Feinde der Demokratie und der Demokraten ist nach Herrn Bartels geschichtlichem Schnelldurchlauf vom „1848er Paulskirchen-Parlament, Parlament des Kaiserreiches, … der Weimarer Republik“ das Schüren von „Hass-Klischees“. Auch die Antidemokraten werden benannt: „erstens Monarchisten … zweitens Nazis … drittens Kommunisten …“.

Die Diffamierungsfeldzüge der Antidemokraten illustriert Herr Bartels mit einigen Vokabeln aus dem Arsenal der „Hass-Klischees“ gegen demokratisch gewählte Volksvertreter: „Faul, gierig, eitel und verschlagen“. Ich führe es auf die menschliche Anständigkeit des Abgeordneten Bartels zurück, dass es ihm mit diesen Beispielen reichte.

Allerdings ist z.B. auch der Demokrat Herr Dr. Michael Naumann, Cicero-Magazin für politische Kultur, bei seinem Charakterbild der Bundeskanzlerin im August-Heft nicht gerade Lichtjahre vom Gebrauch solcher Klischees entfernt (s. Blog 9. August 2011). Auf derselben Seite 19 des Beitrags von Herrn Bartels im Vorwärts ist von Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, zu lesen: Bundesregierung „menschlich und politisch zerrüttet“, Bundeskanzlerin Merkel „müde und ausgebrannt“.

Freundlicher Kommentar zur Last des Regierens in den schlimmsten Krisenjahren der Bundesrepublik? Aber das ist nicht unbedingt so gemeint! Die Klärung der Frage, warum die Bundeskanzlerin so „ausgebrannt“ ist, lässt nicht auf sich warten. Herr Oppermann diagnostiziert, vielleicht unabsichtlich, Hang zum „Dauerstreit“. Eine andere Erklärung bietet auf Seite 8 Herr Lars Haferkamp: „Kohl pflasterte den Weg zur deutschen Einheit mit Lügen. Merkel macht es ihm nach … (sie) … praktiziert die gleiche Unehrlichkeit in der Europapolitik.“

Lebenserfahrung lehrt, dass es sich leichter lebt, wenn man halbwegs bei Wahrheit und Frieden bleibt. Sollten wir von den Herren Oppermann und Haferkamp gesagt bekommen, dass die Bundeskanzlerin deshalb so „zerrüttet, müde und ausgebrannt“ ist, weil sie lügt und streitlustig und deshalb selbst verschuldeter Überlastung ausgesetzt ist?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bartels, bei Ihrem Beitrag zum „Wörterbuch der Politikverdrossenheit“ und zu den historischen „Hass-Klischees“ wirkt die Begleitmusik benachbarter Kommentatoren des Vorwärts nicht durchweg überzeugend.