Absurde Umfrage.

CICERO — das Magazin für politische Kultur hat den Monat Mai mit dem Thema Papst und Vatikan eingeläutet. Jedoch klingen Geläute und Gebimmel nicht ganz stimmig.

„Der Kampf um Rom“ schreibt der Chefredakteur Christoph Schwennicke. *1) Diese Überschrift hat er von Felix Dahn, 1912 verstorben, den er damit entweder ehrt oder, ein wenig nur, plagiiert. Das eine wie das andere wirkt, auch dank CICERO, in der heutigen politischen Kultur unseres Landes verfehlt. Schließlich war Dahn, der große Meister historischer Romane, seinerzeit eines der prominentesten Mitglieder des berüchtigt nationalistischen Alldeutschen Verbandes.

Außerdem ist der Papst zwar Bischof von Rom, aber er kämpft nicht um Rom, vielleicht um die Macht im römischen Gebietsteil Vatikan, vor allem aber weltweit „um die Einheit der Vielheit sowohl von Bischöfen als auch von Gläubigen.“ *2)

„Der Kampf um Rom“, auf den es heute in Europa ankommt, tobt nicht in der Città del Vaticano, sondern im Palazzo Montecitorio (Deputierten-Kammer des italienischen Parlaments) und im Palazzo Madama (Senat der Republik). Und dieser Kampf des italienischen Ministerpräsidenten und Sozialdemokraten Matteo Renzi um die politische Macht kann über die Zukunft des Euros und damit Europas entscheiden.

Den päpstlichen „Kampf um Rom“ hat CICERO wohl an eine etwas zu große Glocke gehängt.

Dazu passt auch nicht das Gebimmel im zitierten Artikel über Papst Franziskus. „Ein Mann wie ein Meteorit: Vor zwei Jahren schlug Papst Franziskus als Nachfolger von Benedikt XVI. in der katholischen Kirche ein, und nichts war wie vorher … ´Ich werd‘ noch katholisch!`, rief unsere Kolumnistin Amelie Fried damals begeistert.“ *1) Ich erinnere sehr gut ähnlichen Enthusiasmus von Damen im Jahre 1978, als Karol Kardinal Wojtyla zum Papst Johannes Paul II. gewählt wurde.

Eine rätselvolle Art von Verehrung, gerichtet auf höchste Geistliche im Zölibat, die ohne jede Absicht leben, je mit einer Dame eine Familie zu gründen. Und noch dazu eine Verehrung auf Vorschuss, ganz am Beginn des Pontifikats. Dies könnte Gegenstand psychologischer Studien zur Moderne sein.

Doch zu dem Thema des Papsttums bietet CICERO nicht nur die große Glocke und die kleine Glocke, sondern sogar noch die Schelle auf. Mit der Frage „Neugierig geworden?“ werden wir auf den Gang zum Kiosk verwiesen. Werde ich sicher machen. Aber vorher führt die Neugier zu einem weiteren Papst-Artikel des Magazins. *3)

Für diesen Artikel hat sich die gesamte Redaktion bemüht, was dem Impressum zufolge bei „außergewöhnlichen Ereignissen“ geschieht. Die gibt es derzeit wohl nicht im Pontifikat des Papstes Franziskus. Es sei denn, man wertet dessen launige Bemerkungen über Karnickelfamilien, Boxhiebe bei Beleidigung im Kontext Charlie Hebdo oder Watschen für nervige Kinder als außergewöhnlich. Dies wohl schon, jedoch nicht im Ernst als Ereignis eines Pontifikats! *4)

Der etwas ratlose Leser des Statements der gesamten Redaktion kann es sich nur so erklären — die CICERO-Umfrage selbst ist als „außergewöhnliches Ereignis“ gemeint.

CICERO ist fraglos der Auftraggeber, befragt hat jedoch das Institut Forsa: „Repräsentativ“, das heißt, die 1001 in der Stichprobe befragten Menschen sollen, getreu verkleinert, die Wahrnehmungen aller Deutschen abbilden. Um das zu glauben, muss man ganz großer Könnerschaft bei den Forsa-Experten vertrauen.

Denn die Befragung wurde in der Woche nach Ostern durchgeführt, als im TV Papst Franziskus allgegenwärtig gewesen war. Der Erhebungszeitraum war auf zwei Tage begrenzt, Montag, den 13. und Dienstag, den 14. April 2015. Eine Schwierigkeit für die Repräsentativität der Stichprobe: Die Bürger in Hamburg und in Schleswig-Holstein genossen noch die Osterferien. Stichprobentechnisch für Forsa vielleicht keine unüberwindliche Hürde.

Wer den Menschen eine Woche nach dem großen Oster-Auftritt des Papstes Franziskus merkwürdige Fragen stellt, darf sich über das absurde Ergebnis nicht wundern: „Nur 13 Prozent der Bundesbürger hätten als Papst lieber wieder Benedikt XVI. anstelle von Franziskus.“ *3) Da langt die Umfrage wenigstens für eine törichte Schlagzeile gegen Benedikt XVI.

Dies langt aber auch dem Bürger, der sich die verdummende Narrenschelle per Umfrage verbittet. Vor allem von einem Magazin mit Anspruch auf politische Kultur.

Ich traue mir als kirchenferner Bürger kein Urteil über das Pontifikat Benedikts XVI. zu. Aber eines ist für Bürger, die sich aus Sorge vor religiös verbrämtem Terror mit dem Thema Politik und Religion beschäftigen, ganz offenkundig: Benedikt XVI. steht als Papst, als Theologe und als Denker sehr hoch in unserer Zeit. „Deus caritas est“ lehrte Benedikt XVI. in der Enzyklika zu Weihnachten 2005 seine Kirche und die Menschen guten Willens. Und diese Menschen fragen muslimische Prediger immer wieder: Dürfen Terroristen ihren Hass mit „Allahu akbar“ herausbrüllen?

Wer als junger Mensch über Jahre von Berufenen und weniger Berufenen mit Religion traktiert wurde, der schätzt den Blick in die Schriften, Enzykliken, Ansprachen Benedikts XVI. und auch protokollierte Gespräche mit Joseph Kardinal Ratzinger.

Wer könnte denn mit solcher Klarheit wie dieser große Denker den Kern des Christentums für den Laien zusammenfassen? „Alles Sprechen über den Glauben ist um vier grundlegende Elemente herum angeordnet: das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, der Dekalog, die Sakramente. Damit ist die Grundlage des christlichen Lebens, die Synthese der auf Schrift und Tradition gegründeten Lehre der Kirche umschrieben.“ *5)

Wie oft wurde die muslimische Geistlichkeit öffentlich vergebens um eine vergleichbare Handreichung gebeten, wie sie Kardinal Ratzinger im Gespräch mit Herrn Messori der Öffentlichkeit vermitteln konnte: Was muss der Muslim glauben (Credo), was darf er hoffen (Gebet), was soll er tun (Gebote), wie soll er sein Leben führen?

Statt einen der großen Denker, Wissenschaftler und Päpste unserer Zeit in einer absurden Umfrage abzuhandeln, und das alles für eine billige Schlagzeile gegen Benedikt XVI. *3) — da hätte sich der nachösterliche CICERO und seine Redaktion besser zurückgehalten!

*1) MAGAZIN CICERO IM MAI. Der Kampf um Rom. VON CHRISTOPH SCHWENNICKE, 29. APRIL 2015; http://www.cicero.de. In meinem Blogbeitrag geht es primär um das Thema Kultur unter den Aspekten Werte, Glaube, Wissen, Vernunft. Nicht um Kritik an dem von mir überaus geschätzten Magazin, dessen Dezember-Ausgabe „Das Boot ist voll“ ich gestern bewundernd durchstöberte. Herausragende verlegerische und journalistische Qualität, vielfältige und über die Tagesaktualität hinausgreifende Beiträge.

*2) LUMEN GENTIUM. ÜBER DIE KIRCHE. Kapitel III, Punkt 23; http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19641121_lumen-gentium_ge.html.

*3) CICERO-UMFRAGE. Kaum ein Deutscher wünscht sich Ratzinger zurück. VON CICERO-REDAKTION. 30. APRIL 2015.

*4) CICERO-Redakteur Alexander Kissler kommentierte diese Pointen des Papstes: FRANZISKUS UND DIE KARNICKEL. Das ist nicht lustig. 20. Januar 2015; http://www.cicero.de.

*5) Joseph Kardinal Ratzinger. Zur Lage des Glaubens. Ein Gespräch mit Vittorio Messori. München, Zürich, Wien, 1985, 1. Auflage, S. 73. Hinweis: Der Dekalog meint die Zehn Gebote. Die Sakramente sind: Taufe, Firmung, Abendmahl, Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe, Ehe.