Abwälzen von Führungsverantwortung.

Der FDP werden derzeit von unten, von innen und von außen jede Menge Ratschläge erteilt.

Die FDP braucht sicher Rat – vor allem von oben, das reicht vom Höchsten bis zu den beiden Ehrenvorsitzenden. Denn es mangelt nicht an unsinnigem Rat.

Unsinn 1: FDP-Fraktionsvorsitzender Papke, NRW, rät: „Wir brauchen klarere Kante gegenüber der Union. Und das ist vor allem Aufgabe des Parteichefs und Vizekanzlers.“ (SPIEGEL Online).

Wie war das noch mit den FDP-Ministern in den Regierungen Brandt, Schmidt, Kohl? Mussten die sich um „klarere Kante“ gegen SPD oder Union sorgen? Natürlich wird es Konflikte im Kabinett gegeben haben. Aber der Bürger nahm vor allem eines wahr – nicht so sehr Koalitionskräche, sondern vor allem Präsenz, Profil und Kompetenz der Persönlichkeiten Scheel, Genscher, Graf Lambsdorff …

Unsinn 2: Journalisten und manche Politikprofessoren, wie z.B. heute Professor Hans Vorländer, überschlagen sich fast vor Lob über die Tatsache, dass ein Herr Schäffler eine Befragung der Mitglieder initiiert habe. Sie sehen darin eine für ihre Profession sicher interessante Belebung basisdemokratischer Kultur. Das einzige was – sogar von FDP-Leuten – bedauert wird, ist die Verfehlung des Quorums.

Mit Verlaub: Welcher Wechselwähler wählt denn noch einmal eine Partei, die mitten in der schwersten Krise der Eurozone die Entscheidung über zentrale Fragen der Regierungspolitik auf ihre Mitglieder abwälzt?

Der Bürger wählt mit einer Partei ein Angebot an Führungspersonal, das ein Regierungsprogramm garantiert. Er vertraut darauf, dass die Parteiführung mit der Partei eine tragfähige Vereinbarung getroffen hat, die berechenbares Regierungshandeln und die notwendige Kompromissfähigkeit sicherstellt.

Wechselwähler interessieren sich nicht für einen Herrn Schäffler oder Jung-Liberale. Sie haben eine pro-europäische Partei gewählt, die für freiheitliche Ordnung steht. Zum Glück haben sich mehr als 2/3 der FDP-Mitglieder an der Schäffler-Aktion gar nicht erst beteiligt. Das ist zu loben, nicht zu kritisieren! Und die Minderheit, die sich beteiligte, hat den europapolitischen Verrat Schäfflers mehrheitlich abgelehnt.

Dieses Resultat der Mitgliederbefragung – die Zurückweisung der rechts-populistischen Zumutung Schäfflers – ist jedoch nicht wirklich ein Sieg der FDP-Führung. Der Parteivorstand hätte diesen Wahnsinn gar nicht erst zulassen dürfen.

Die demokratischen Parteien mögen ihre Mitglieder/Delegierten auf regulären Parteitagen über Programme und Führungspersonal entscheiden lassen. Oder sie zu organisationspolitischen Parteiangelegenheiten (Kandidatenauswahl, Mitgliederbeitrag u.ä.U.m.) befragen.

Aber für die Parlamentswahlen sollten Parteien garantieren, dass der Wähler verlässlich weiß, wen und was er wählt. Der Bürger wählt keine Partei-Mitglieder und ihre Ansichten. Der Bürger wählt ein politisches Angebot, das er für glaubwürdig hält. Wer dies zur Disposition der Partei-Mitglieder stellt, sagt den Wechselwählern: Auf Euch können wir verzichten!