AKK 2.0 — politische Konsequenzen?

AKK 2.0: Amthor-Käuflich-Korrupt? Derart miserabler Eindruck wird in der Presse gegen Philipp Amthor, CDU-MdB, verbreitet. *1)

Und die gewiss unbestechliche CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp- Karrenbauer (bisher AKK genannt) konnte diesen öffentlichen Skandal nicht verhindern. Denn Philipp Amthor, MdB, 27 Jahre jung, durfte für sich beanspruchen: “Abgeordnete des Deutschen Bundestages … sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet.“ *2)

Amthor hatte bereits Zugriff auf Positionen politischer Macht: Für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern und das Amt des Ministerpräsidenten oder zumindest seines Stellvertreters schien er beste Aussicht zu haben.

1. Der “Fehler“.

Nun wird Amthor in der Wahrnehmung seines Mandats als MdB vorgeworfen, *3)

  1. dass er „mit dem Briefpapier des Bundestages, mit dem offiziellen Bundesadler an das Wirtschaftsministerium herangetreten ist wie ein Lobbyist, mit großem Einsatz hier Termine vereinbart hat, auch an zwei dieser Termine mit einem Staatssekretär persönlich teilgenommen hat. Hier stellt sich schon die Frage: Woher kam denn eigentlich dieser große Einsatz für ein Unternehmen, das ja nicht aus seinem Wahlkreis stammt, sondern aus New York, dort mit unklarem Geschäftsmodell operiert.“
  2. „Fragwürdig und brisant wird es dann natürlich vor allem durch den darauf folgenden Direktorenposten, den er bekommen hat, und die Aktienoption … Dieser Eindruck der Käuflichkeit, der entsteht hier natürlich, und das ist fatal.“

Amthors Machthunger, mutmaßlich gepaart mit Käuflichkeit, ist nicht nur fatal, sondern eine bedrohliche Perspektive für die Demokratie. Gerade in einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern. Dort ist die rechtsextreme AfD nach der politisch und rechtlich umstrittenen Flüchtlingspolitik 2015-2016 bei der Landtagswahl im September 2016 aus dem Nichts mit einem Zuwachs von + 20.8 % als zweitstärkste Partei (20.8 %) in den Landtag eingezogen. Rechtsextremismus und Nazi-Nostalgie scheinen in diesem Bundesland fest verwurzelt. Amthor als Hoffnungsträger der dort weithin ungeliebten Demokratie? Noch mehr Aufwuchs für die AfD in Mecklenburg-Vorpommern?

Der angesehene Eckhardt Rehberg (CDU), 67 Jahre, Bundestagsabgeordneter und derzeit Interimsvorsitzender der CDU-Mecklenburg Vorpommern, hat den Schaden durch Verlust politischen Vertrauens eingeräumt, der gewiss nicht nur die CDU trifft: Die Staatsanwaltschaft Berlin prüfe, ob Ermittlungen aufzunehmen sind. *4) Es gebe noch ungeklärte Fragen nach der Bezahlung von Flugreisen und Übernachtungen: „Ob in New York, St. Moritz, Korsika oder wo auch immer – das muss und will er auch mit der Bundestagsverwaltung klären.“ *5)

2. Gebotenes menschliches Verständnis.

Nun wird jedoch in Presse und Politik neben den Vorwürfen bereits an der Verteidigung Amthors gearbeitet.

Kann die Richtung dieser Verteidigung — Amthors Jugend —  die Bürger und Steuerzahler (rd. 1 Milliarde € jährlich kostet der Bundestag) überzeugen? Der CDU-Politiker Philipp Amthor, MdB:

  • übt bereits seit 2010 zunehmend wichtige Funktionen in der CDU Mecklenburg-Vorpommerns aus;
  • ist als Jurist mit Staatsexamen hoch qualifiziert;
  • lernte während seines rechtswissenschaftlichen Studiums bis 2017 als Mitarbeiter von Landtags- und Bundestagsabgeordneten den praktischen Politikbetrieb kennen;
  • hat einen eindrucksvollen persönlich-politischen Markenkern aufgebaut: im ethischen Sinne konservativ wertorientiert, d.h. natürlich gegen Abtreibung, Gender-Mainstreaming, gleichgeschlechtliche Ehe (Wikipedia). Wohl auch deshalb wurde er in das wichtige Laien-Amt der katholischen Kirche berufen, den Diözesanrat des Erzbistums Berlin;
  • bereitete sich bereits auf den CDU-Vorsitz und höchste Machtpositionen in Mecklenburg-Vorpommern vor, mit guten Aussichten.

Amthor ist ein hochrangiger Machtpolitiker mit der Erfahrung eines Jahrzehnts. Dem nicht nur jeder fachliche Rat zu den Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages verfügbar ist. Der als qualifizierter Jurist auch bestens über die Tatbestände zur Bestechlichkeit im Straf- und Abgeordnetengesetz informiert und sich gewiss der einschlägigen Interessenkonflikte in seinem Amt “als Vertreter des ganzen Volkes“ (Grundgesetz) bewusst ist.

Für diesen früh vollendeten Spitzenpolitiker wird nun um Verständnis für “einen Fehler“ geworben: So “jung“, so “naiv“, so hilflos der “schillernden Glitzerwelt rund um den Reichstag“ *5) ausgesetzt? Wie eine junge, gestrauchelte Pastorentochter? Ja, ist das denn die Möglichkeit?

3. Einordnung des Falls Amthor in der Unionsfraktion.

Das Verständnis für Amthor unter Christpolitikern und hilfsbereiten Medien mag deshalb so groß sein, weil „in der Unionsfraktion .. der Fall Amthor nicht der erste (ist), in dem es um den Vorwurf der Bestechlichkeit geht. So wurden im Januar (2020) „die Räume der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz und des ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner durchsucht. Beide sollen Lobbyarbeit für Aserbaidschan gemacht haben.“ *1)

Frau Strenz habe mindestens 22 Tsd. € (Staatsanwaltschaft Frankfurt) kassiert. Und Herr Lintner habe von 2008 bis 20016 rd. 4 Mio. € erhalten über die „aserbaidschanische Waschmaschine“; damit sind Briefkastenfirmen gemeint, die auf “Geldwäsche“ spezialisiert sind. *1)

Mit einer bedeutenden Erdöl- und Gasindustrie ist Aserbaidschan als korrupter Staat berüchtigt, der von einer gefährlichen Familiendynastie beherrscht wird. Nach Transparency International *6) steht Aserbaidschan auf der Rangliste der Korruption 2019 neben Dschibuti, der Ukraine und Kirgisistan auf Platz 126 (immerhin noch etwas günstiger als Russland mit Rang 137).

Der “Fall Philipp Amthor“ und sein umstrittener “Einsatz“ für eine US-Firma mag daher neben solchen Hausnummern der Aserbaidschan-Korruption wie den Christpolitikern Karin Strenz (CDU) und Eduard Lintner (CSU) durchaus nachrangig wirken.

4. Die zweite Chance für Amthor.

Deshalb scheinen Christpolitiker und hilfsbereite Journalisten die folgende Linie zu verfolgen:

Amthor gebührt doch die zweite Chance, in politische Führungspositionen aufzusteigen! Ist solch ein Mann nicht viel zu schade für eine Karriere in Unternehmen, die bereits Interesse an ihm zeigen, ihn mit Erfolg gar für “ansprechbar“ halten? Retten wir diesen Mann vor den Kapitalisten, retten wir diesen Mann für unsere Politik, für das Gemeinwohl!

Ist unsere Zeit nicht schnelllebig, beherrschen nicht morgen schon ganz andere Themen die “schillernde Glitzerwelt rund um den Reichstag“? *5)

Nur zu mit der zweiten politischen Führungs-Chance für “Philipp-AKK“! Aber …

5. Transparency: Der Käuflichkeit vorbeugen.

Bestechung und Käuflichkeit von Mandatsträgern können schwere Vertrauensverluste verursachen, das Ansehen unseres Deutschen Bundestages beschädigen, die Demokratie und politische Kultur unseres Landes zerrütten. Diese Gefahr kann gar nicht überschätzt werden.

Es überrascht nicht, dass der deutschen Bundesregierung im Dezember 2019 im Überprüfungsprozess zur Umsetzung der UN Konvention gegen Korruption (UNCAC) empfohlen wurde, „für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und den Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten zu sorgen.“ *7)

Der gemeinnützige Verein Transparency fordert deshalb gegenüber dem Problem der Bestechung von Mandatsträgern eine unabhängige und angemessen ausgestattete Stelle für die Kontrolle von Verhaltensregeln und Parteienfinanzierung beim Deutschen Bundestag unter der Rechtsaufsicht des Bundestagspräsidenten.

Regelmäßig sei durch diese Stelle die Öffentlichkeit über deren Arbeit, über eingeleitete Verfahren und über die Regeltreue von Abgeordneten und Parteien zu informieren. Ferner seien Hinweise auf mögliches Fehlverhalten entgegenzunehmen und zu prüfen.

Würden doch unsere Abgeordneten und Parteien eine solche Instanz ihrer Selbstbindung an Verhaltensregeln und Transparenz-Gesetze ernsthaft öffentlich erörtern und umsetzen. Dies könnte das Vertrauen in unser Parlament und die Demokratie in ähnlicher Weise stärken wie die Stelle des Wehrbeauftragten beim Deutschen Bundestag das Vertrauen in transparente regelgebundene Führung der Bundeswehr.

Unser Staatsoberhaupt, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ermutigt solche Debatten: „Eine Verfassung ist ein Versprechen; und wenn die Wirklichkeit hinter diesem Versprechen zurückbleibt, dann ist jeder Demokrat und jede Demokratin aufgerufen: Es möge noch besser werden! Ja, gemeinsam können wir die Dinge zum Besseren wenden … Ohne Vertrauen kann ein demokratisches Gemeinwesen nicht funktionieren.“ *8)

Nichts gegen die zweite politische Führungs-Chance für Philipp Amthor, MdB. Gerade deshalb gehört die Idee von Tranparency für eine unabhängige Transparenz-Einrichtung beim Deutschen Bundestag auf die politische Tagesordnung: Dies kann die Integrität und Unbestechlichkeit von Abgeordneten und Parteien stärken, der Käuflichkeit vorbeugen und das Vertrauen in die Demokratie festigen.

*1) Fall Philipp Amthor. Was Parlamentarier dürfen – und was nicht. Korrupt, käuflich, naiv: So lauten die Vorwürfe gegen Philipp Amthor. Dabei dürfen Parlamentarier sich durchaus für Firmeninteressen einsetzen. Amthors Problem ist ein anderes. Von Katja Belousova. 17.06.2020; https://www.zdf.de/nachrichten/politik/amthor-bundestag-lobbyismus-regeln-100.html

*2) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. III. Der Bundestag. Artikel 38 (Wahlrechtsgrundsätze; Rechtsstellung der Abgeordneten) (1).

*3) Lobby-Affäre um Philipp Amthor. „Hier ist eine Grenze überschritten“. Das Engagement von Philipp Amthor für eine US-Firma wecke den Eindruck der Käuflichkeit, meint Timo Lange von Lobbycontrol. Zwar sei Lobbyarbeit nichts Ungewöhnliches. Fragwürdig sei dies jedoch bei einem Bundestagsabgeordneten, der die Interessen der Bürger vertreten soll, sagte Lange im Dlf. Timo Lange im Gespräch mit Stefan Heinlein. 16.06.2020; https://www.deutschlandfunk.de/lobby-affaere-um-philipp-amthor-hier-ist-eine-grenze.694.de.html? (Hervorhebung RS).

*4) § 108e Strafgesetzbuch: „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern: (1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (Seit 2014 gilt dieser Straftatbestand).

*5) Interview. Rehberg (CDU): Amthors Kandidatur hätte ihm sehr geschadet. Eckhard Rehberg im Gespräch mit Rainer Brandes. 20.06.2020; https://www.deutschlandfunk.de/fall-amthor-rehberg-cdu-amthors-kandidatur-haette-ihm-sehr.694.de.html?

*6) Transparency International Deutschland e. V. veröffentlicht jährlich den Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI). Diese tabellarische Rangliste fasst Daten zusammen „aus verschiedenen Quellen zur Wahrnehmung des Korruptionsniveaus im öffentlichen Sektor durch Länderexpertinnen und -experten sowie Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter“. Der korrupteste Staat auf der 180 Länder-Liste ist Somalia (Platz 180); https://www.transparency.de/cpi/cpi-2019/cpi-2019-tabellarische-rangliste/?L=0.

*7) Korruptionswahrnehmungsindex 2019: Transparency Deutschland fordert mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und schärfere Regeln für Mandatsträgerbestechung. Berlin, 23.01.2020; https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/korruptionswahrnehmungsindex-20.

*8) Bundespräsident Steinmeier. „Kritik ist nicht reserviert für coronafreie Zeiten“. Die Diskussionen über die Beschränkungen des öffentlichen Lebens beweisen, wie gut das Grundgesetz und seine Werte auch für diese Krise gewappnet sind. Gastbeitrag von Frank-Walter Steinmeier. 22. Mai 2020; https://www.sueddeutsche.de/politik/steinmeier-corona-pandemie-grundrechte-grundgesetz-verfassung-1.4914807