Anständige Kunstfreunde

… so kann man die Mehrheit der Menschen in Deutschland beschreiben. Ob das auch für das politische Führungspersonal gilt, ist fraglich, leider insbesondere bei Juristen in der Spitze der Sozialdemokratie.

Dumm, dreist, unanständig — viele Menschen in Deutschland und der Welt sind von der obszönen Dreckschleuderei eines „satirischen Künstlers“ angewidert. **)

An der Bewertung des Vorgangs durch die erwähnten Spitzenpolitiker können diese Bürger nichts ändern. Aber sie können sich dies bis zur nächsten Wahl merken. Und für sich selbst Punkte an die Herren in den drei Kategorien vergeben: dumm, dreist, unanständig. Von 1 (eher nicht) bis maximal 10.

Hier einige Gesichtspunkte für das Punkten.

Jeder Bürger, der einem Beruf nachgeht, weiß, dass er geltendes Recht beachten muss. Verletzt er das Gesetz, landet er vielleicht vor dem Richter. Das veranlasst vernünftige Bürger zur Vorsicht. Denn sie kennen den Erfahrungssatz: Auf hoher See und vor Gericht bist du in Gottes Hand.

Deshalb finden sich bei verantwortungsbewussten Familien aus der Zeit vor dem Internet noch immer verständliche Schriften wie z.B. „Recht und Gesetz für Jedermann“ *1) So wissen viele Bürger auch ohne anwaltliche Beratung: „Jeder vorsätzliche Angriff auf die Ehre eines Menschen durch eine Kundgebung der Missachtung ist eine Beleidigung.“ (*1) S. 664). Die „Verunglimpfung“ gilt als besonders schwere Form der Beleidigung. Und die kann empfindlich bestraft werden.

Und in Familien auf der ganzen Welt werden Kinder nach dem einsichtigen Grundsatz der „Goldenen Regel“ zu Anstand erzogen: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.

So mögen Bürger über Verteidiger — Juristen, Spitzenpolitiker, Sozialdemokraten — einer bodenlosen Obszönität staunen, die als „Kunst“, als „Satire“ daherkommt. Ausgerechnet im Öffentlich-Rechtlichen TV, im ZDF, in der Welt als deutsches Staats-TV wahrgenommen.

Oppermann, SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, kritisiert nun öffentlich, dass die Bundeskanzlerin auf der Grundlage des § 103 STGB die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilte: „Strafverfolgung von Satire wegen ´Majestätsbeleidigung` passt nicht in moderne Demokratie.“

Ja, da staunen wir. Im 19. Jahrhundert im deutschen Kaiserreich erlitten viele Sozialdemokraten Haft wegen ´Majestätsbeleidigung`. Kritik am Kaiser und dessen Politik reichte wohl. Schon aus diesem Grund ist ´Majestätsbeleidigung` eine verwerfliche Wortschöpfung des Juristen Oppermann für eine in unserer weltoffenen Demokratie geltende Rechtsnorm.

Aber das abschätzige Gerede Oppermanns (´Majestätsbeleidigung`) gegenüber der Beleidigung von Staatsoberhäuptern verrät weitere Gleichgültigkeit. Hat er das Schicksal des Sozialdemokraten Friedrich Ebert vergessen? Des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, der ersten deutschen „modernen Demokratie“. Der unter dem Trommelfeuer infamster Beleidigungen durch rechte Hetzmeuten höchster Kreise seine Gesundheit verlor. Der von der damaligen Justiz in ebenso schäbiger Weise im Stich gelassen wurde wie die junge Demokratie der Weimarer Republik.

Aus dieser Erfahrung sollten gerade Sozialdemokraten anerkennen, dass auch heute noch in unserer „modernen Demokratie“ (Oppermann) das Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, vor Beleidigung besonders geschützt wird. Aus gutem Grund, um den demokratischen Rechtsstaat nicht zu gefährden (*1, § 90 STGB). Sieht Oppermann auch darin (´Majestätsbeleidigung`) ein obsoletes Schutzbedürfnis?

Das eigene Staatsoberhaupt vor Beleidigung schützen, aber gegen das Staatsoberhaupt der Türkei „Feuer frei“.

Das scheint Devise des Juristen Oppermann. Und dies gegen das Staatsoberhaupt eines Landes, „mit dem Deutschland eng und freundschaftlich verbunden ist — über die vielen Menschen mit türkischen Wurzeln hier im Land, über enge wirtschaftliche Verflechtungen und über unsere gemeinsame Verantwortung als Alliierte in der Nordatlantischen Allianz.“ *2) Dies ist die erste Verletzung der Goldenen Regel praktischen Anstands durch Oppermann.

Die zweite Verletzung dieser einfachen Regel durch die SPD und das Ausmaß der Heuchelei Oppermanns wird bei einem Blick in die Presse keine 10 Jahre zurück deutlich. Als es um eine Beleidigung des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck ging. Damals im Juli 2006 war Oppermann bereits ein einflussreicher Bundestagsabgeordneter. Er wird ganz genau wissen, wovon die Rede ist: Beleidigung oder Satire im Falle des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck?

In Anspielung auf den 2004 erlegten „Problembären“ Bruno hatte das Satire-Magazin Titanic — sicher gespickt aus dem Intrigenstadel SPD — im Juli 2006 ein ausgewählt unvorteilhaftes Konterfei von Kurt Beck mit dem Text unterlegt: „Problembär außer Rand und Band — Knallt die Bestie ab!“

Die SPD-Juristen reagierten prompt. Und meines Erachtens sehr zu Recht! Einstweilige Verfügung. Verkaufsverbot. Drohung mit Ordnungsgeld von 250 Tausend Euro. Was war das nun, Herr Oppermann, Satire oder ´Majestätsbeleidigung`? Passte das damalige Vorgehen der Partei-Juristen in unsere „moderne Demokratie“? Aber wir wissen ja, durch wen und wie gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck intrigiert wurde. Wie der Sturz des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck betrieben wurde.

Ganz nebenbei: Deshalb weckt der Satz Oppermanns über seinen von den Linken der SPD angefeindeten Partei-Vorsitzenden ungute Erinnerungen: „Partei und Fraktion stehen hinter Sigmar Gabriel“. *3) Wieso bedarf es eigentlich der Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Oppermann, um Sigmar Gabriel zu stützen? Gabriel wird durch den Bundesparteitag gewählt. Viele Sozialdemokraten wünschen eine breitere Legitimation ihres Vorsitzenden: durch die Wahl der Parteimitglieder. Wie gesagt und nebenbei, ungute Erinnerungen beschleichen uns, die wir den Kurs zur Mitte unterstützen, um den Sigmar Gabriel kämpfen muss.

Und auch für Aufträge an die vom Außenhandel abhängige deutsche Wirtschaft muss Sigmar Gabriel kämpfen. Derzeit im Ägypten des Staatspräsidenten Abdel-Fattah el-Sisi. Im Vergleich zu diesem Herrscher erscheint Präsident Recep Tayyip Erdoğan als milder Sultan. Und Erdoğan hat die Türkei immerhin von Niedergang zu großem wirtschaftlichem Erfolg geführt. 

Geschrei der Grün-Linken, die mehrheitlich im öffentlichen Dienst und nicht in der Wettbewerbswirtschaft ihr Geld verdienen, ist allen Handelspartnern Deutschlands sicher, die nicht deren politischem Leitbild folgen. 

Unternehmen und Wirtschaftsminister mögen hoffen, dass keinem deutschen Künstler/Satiriker im „Staats-TV“ die Bühne gegeben wird, el-Sisi wie Erdoğan eine anschauliche Pädagogen-Lektion zu erteilen, ab welchem Grad des Obszönen Beleidigungen zu weit gehen.

Keine Firma käme auf die Idee, ihren Mitarbeitern zu erlauben, die Kunden zu beleidigen. Aber in der weltweit tätigen Außenhandelsnation Deutschland *4) ermutigen führende Sozialdemokraten wie Oppermann genau dazu: am besten nach anwaltlicher Beratung als Satire getarnt, dafür aber umso schweinischer.

Bei Oppermann scheint es nicht einmal zur Einsicht “andere Länder, andere Sitten“ zu reichen. Präsident Erdoğan kann und darf die obszöne Beleidigung aus Deutschland nicht ignorieren. Die Mehrheit der Menschen in der Türkei fühlt sich gleichermaßen getroffen; Erdoğan verlöre die Achtung seiner Bürger, nähme er derartigen Affront hin. Und man unterstelle dem Respekt vor anderen Kulturen nicht ein Verständnis für “Ehrenmord“ oder Unterdrückung von Menschenrechten durch Staatsorgane!

Wie provinziell muss die Weltsicht sein, die so blind ist für kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung von “Satire“ aus Deutschland?

Und zuletzt: Nicht zu vergessen unser Punktespiel „dumm, dreist, unanständig“. Bis zu 30 Punkte könnten Sie schaffen, Herr Oppermann. Fragen Sie die Bürger.

*1) Recht und Gesetz für Jedermann. Stuttgart, Zürich, Wien 1974. Hier reicht es, zum Thema auf zwei aktuelle Paragrafen des Strafgesetzbuches (STGB) zu verweisen. Dass nun Sozialdemokraten, die der Bundesrepublik exzellente Justizminister gestellt hatten, jetzt offenbar von Umfragen gegen Erdoğan motiviert die Abschaffung dieser Normen fordern, ist kaum zu glauben. Oppermann, der SPD-Fraktionschef im Bundestag, forderte dies sogar in Wochenfrist. Rechtspolitisch erscheint das frivol!

STGB, 3. Titel – Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates. § 90 Verunglimpfung des Bundespräsidenten (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

STGB, 3. Abschnitt – Straftaten gegen ausländische Staaten. § 103 (1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

*2) Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Böhmermann-Schmähgedicht. Bundesregierung lässt Strafverfolgung zu … Das Statement der Kanzlerin im Wortlaut. Datum 15.04.2016.

*3) SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht die SPD angesichts der jüngsten Umfragen in einer schwierigen Lage. DTS-Meldung vom 16.04.2016. SPD-Fraktionschef: „Die Situation ist ernst“.

*4) Besonders töricht sind deshalb Hinweise auf die USA-Presse, die dort größeren Spielraum für Beleidigungen feststellen. Dazu nur die Bemerkung, dass die internationale Handelsverflechtung Deutschlands für Warenex- und -import etwa 3.5-mal so hoch ist wie die der Großmacht USA. Vereinfacht ausgedrückt: Deutschland hängt fast viermal so stark vom internationalen Warenhandel ab wie die USA.

Vgl.: https://www.wiso.uni-hamburg.de/fileadmin/wiso_vwl/johannes/paetz/Makro_Folien_10_final.pdf, S. 20 (Außenhandelsquoten).

Nicht der Hegemon USA, wohl aber das rohstoffarme Deutschland ist existentiell abhängig von weltweitem Ansehen als Handelspartner. Nicht nur unter dem Aspekt funktionsfähiger diplomatischer Beziehungen, sondern auch der existenziellen Abhängigkeit Deutschlands vom internationalen Handel erscheint § 103 STGB in der Zielsetzung zeitgemäß und vernünftig.

**) Nachtrag 20.04.2016: „Viele Menschen in Deutschland … angewidert“. Umfragen von infratest dimap können dazu Aufschluss geben. Gefragt wurde (Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland), ob die Entscheidung der Bundesregierung, Strafverfolgung Böhmermanns zu ermöglichen „Richtig“ (28 %) oder „Nicht Richtig“ (65 %) sei. Zur Frage, ob Böhmermann wegen des „Schmäh-Gedichts“ auf Präsident Erdoğan bestraft werden sollte: Ja (10 %), Nein (67 %). (Rest zu 100 %: kann nicht beurteilen oder keine Angabe). „Viele Menschen in Deutschland … angewidert“? Viele ja, aber die Minderheit. Unter der o.a. Zwei-Drittel-Mehrheit mag es auch Menschen geben, denen das „Schmäh-Gedicht“ missfällt.