Arbeitskampf in Bonn.

Nach fast 40 Jahren Mitgliedschaft bei ÖTV/Verdi war heute Mittag die Gelegenheit interessant, eine Verdi-Kundgebung für Warnstreiks im Öffentlichen Dienst zu betrachten.

Zwei Eindrücke vorweg: Solche Versammlungen werden wohl seit gut 150 Jahren in dieser Weise durchgeführt, wenn auch mit veränderter Tontechnik. Verdi hatte dafür etwa 1 Promille der Bonner Einwohner aufbieten können. Durchweg sympathisch wirkender Querschnitt der Verdi-Anhänger.

Gut 1 Promille hatte auch die Mehrheit jener 19 Bonner, die zwar nicht Verdi-Mitglieder, dafür aber offensichtlich an dem Ereignis sehr interessiert waren.

Zwei Redner fielen mir zwischen verschiedenen Gängen mit Besorgungen auf.

Der erste unterhaltsam, aber eher temperamentvoll-diffus. Denn aus seinen Worten erschloss sich mir der Sinn der Versammlung nicht restlos. Wollte er mit seiner durchaus gekonnten Imitation der Stimme unserer Bundeskanzlerin den Gedanken der Einheitsgewerkschaft verdeutlichen, Frau Merkel dann nach Afrika schicken oder klarmachen, dass man trotz des Hungers in Afrika in Deutschland zu Recht 6,5 % Lohnerhöhung fordern kann?

Allerdings war das Umfeld genauem Zuhören nicht zuträglich, denn das gewerkschaftliche Organisationsprinzip „harter Kern und weiche Ränder“ zeigte sich auch auf dem bönnschen Münsterplatz: 10 m weg vom Redner hatten sich lockere Grüppchen gebildet, junge Damen, Herren jeden Alters, die sich vergnügt unterhielten.

Der zweite Redner beeindruckte durch anschauliche Beschreibung prekärer Arbeitsverhältnisse. Wer in den 1970er Jahren an Forschungsinstituten arbeitete, weiss, wovon die Rede ist. Diesem Redner war ein gewisses Charisma eigen, denn ihn kleidete die Mütze des Arbeitsmanns und ein fast einen halben Meter langer Bart. Dennoch stieß seine Rede auf etwas schwaches Interesse bei den meisten der gottlob wohl doch nicht prekär beschäftigten Verdi-Teilnehmer der Kundgebung.

Das bedauerlich nachlassende Interesse zeigte sich daran, dass ein direkt am Platz gelegener Café-Pavillon innen und an den draußen stehenden Tischen bereits an die Kapazitätsgrenze stieß. Gemütlich genutzt durch Verdi-Delegierte in ihren kleidsamen Plastik-Westen mit der beruhigenden Aufschrift „Wir sind es wert!“ – mit „es“ ist wohl die Steuerlast gemeint.

Andere warn-streikende Verdi-Mitglieder zogen derweil in kleinen Gruppen durch die angrenzenden Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof. Dort sind die Beschäftigten zwar auch Teil der Verdi-„Tarif-Kunden“; aber diese Arbeitnehmer waren mit ihrer kaufenden Kundschaft stark ausgelastet. Hier bei der Arbeit im Kaufhaus ließen die flüchtigen Teilnehmer der Verdi-Kundgebung – leicht erkennbar an den aus Hosen- oder Jackentasche guckenden Plastik-Westen – indes nicht erkennen, dass sie etwas kaufen wollten.

Vielleicht wollten sie sich etwas aufwärmen oder mal richtige (also nicht unbedingt „gute“) Arbeit betrachten oder sich – was ich vermute – solidarisch über die harten Arbeitsbedingungen von Verkäuferinnen informieren.