Bildet Reisen?

Zum Karneval gehören der Witz, der Spaß, der Blick auf Ereignisse der Zeit mit einer Prise Zynismus. In der Karnevalszeit hat die Heuchelei nichts zu suchen! Verstöße gegen diese Übereinkunft finden sich daher fern der Hochburgen des Karnevals — zum Beispiel in Berlin (BILD-Zeitung; SPD-ddvg).

„RUSSLAND VERSTEHEN“. SPD wirbt für Moskau-Reise — wirft BILD am 14.02.2015 der SPD vor: „Durch die aggressive Ukraine-Politik von Präsident Wladimir Putin haben fast alle westlichen Staaten Sanktionen gegen Russland verhängt, die Wirtschaftsbeziehungen deutlich reduziert, es gibt Einreise-Verbote für Politiker und Wirtschaftsgrößen. Die SPD sieht das aber scheinbar nicht so eng: Sie wirbt bei ihren Mitgliedern für eine Moskau-Reise mit einem ´intensiven politischen Informationsprogramm` – Motto: ´Russland verstehen? Moskau besuchen`“.

BILD ist da wohl etwas scheinheilig — bisher ist nicht bekannt geworden, dass BILD etwas gegen unternehmerische Aktivität und Werbung hat.

Doch der politische Hieb, den BILD gegen SPD-Heuchelei führt, geht leider nicht daneben. Ganz im Gegenteil, dieser Sozialdemokrat, der sich gerade über den großen Wahlerfolg von Olaf Scholz in Hamburg freut, musste letzthin einige Treffer feststellen.

Das beginnt mit dem auf Heuchelei abonnierten Ralf Stegner, SPD-Vize. Der AfD, die als neue Partei mit Finanzknappheit kämpft, hat er geschäftliche Tätigkeit (Goldhandel) vorgeworfen. *1)

Zu Recht konterte der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke, dass es für eine eurokritische Partei „sicherlich aufrichtiger (ist), offen Gold zu verkaufen als mit Anteilen an Zeitungsverlagen die öffentliche Meinung zu steuern.“ *1) Dies und einiges mehr betreibt bekanntlich die SPD über die parteieigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg).

Zu einer SPD, die sich der internationalen Solidarität verpflichtet sieht, mag im Rahmen ihrer ddvg-Geschäfte auch der „SPD-ReiseService“ passen. Der präsentiert sich als „Reiseveranstalter für Mitglieder und Freunde der SPD“. *2) Gegen dessen Angebot mehrerer Moskau-Reisen im Jahr 2015 richtete sich die erwähnte Kritik der BILD vom 14. Februar.

Und diese Kritik ist leider sehr berechtigt. Denn auf die Politik von Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier gegenüber dem von Putin entfesselten Krieg in der Ukraine wird in dem Werbeflyer des SPD-ReiseService ein ganz schräges Licht geworfen.

Das hat Matthias Platzeck am 12. Januar 2015 mit seiner Werbebotschaft übernommen. Platzeck begrüßt „die Absicht des ReiseService, Informationsreisen nach Moskau anzubieten. Damit kann dazu beigetragen werden, den erforderlichen verantwortungsvollen Dialog aufgrund eigener Erkenntnisse zu begleiten und die Bestrebungen zu stärken, die nach Ausgleich und Verständigung suchen.“ *3)

Im Werbetext wird auch der seltsame Appell zum Dialog mit Russland „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ von Anfang Dezember 2014 bemüht. Mitsamt dem absurden Aufruf an die deutschen Medien: „… ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen.“ *3)

Weiter tönt der Werbeflyer, für die Moskaureisen des SPD-Reiseservice hätten „bereits das Deutsch-Russische Forum sowie die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre Unterstützung zugesagt. Beide verfügen über die besten Kontakte und werden uns Türen öffnen können, die ´normalen` Reisegruppen in der Regel verschlossen bleiben.“ *3)

So können steuerfinanzierte, gemeinnützige Organisationen immerhin behilflich sein, Wettbewerbsvorteile und „eine attraktive Rendite“ *2) für das Tourismusgeschäft der SPD-ddvg zu generieren.

Da die Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau vom Präsidentenamt unter den Generalverdacht des „ausländischen Agententums“ geworfen ist, kann man sich leicht vorstellen, welche Türen zu welchen „besten Kontakten“ geöffnet werden.

„Wenn wir versuchen wollen, Russland zu verstehen, führt kein Weg an Moskau vorbei.“ Das sei das allerletzte Zitat aus dem Werbeflyer des SPD-ReiseService.

Was lernen wir „Mitglieder und Freunde der SPD“ vom SPD-ReiseService? Wenn man Putins Krieg in Europa und seinen Landraub an der Ukraine „politisch“ verstehen will, muss man zum Aggressor nach Moskau reisen, nicht zum Opfer nach Kiew! Folgerichtig erhalten wir „Mitglieder und Freunde der SPD“ vom SPD-ReiseService derzeit auch kein Angebot für eine Reise in die Ukraine. Kein Einziges!

Reisen bildet. Nicht immer. Derzeit bestimmt nicht in Moskau und dort erst recht nicht politisch.

*1) AFD-GOLDHANDEL UNTER BESCHUSS. „Robin Lucke will die Staatskasse plündern“. Autor: Dietmar Neuerer; http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/afd-goldhandel, 06.11.2014. Und: TV-Kritik: Hart aber fair. „Morgen verkauft Lucke Rheumadecken“; von Daniel Mohr, faz.net, 28.10.2014. 

*2) Die „FFR Ferien-, Freizeit und ReiseService GmbH“, kurz der SPD-ReiseService, gehört der ddvg zu 100 Prozent; „Der Schwerpunkt des Beteiligungsportfolios im Bereich der regionalen Tageszeitungen sowie der Druckereien ist das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung. Die ddvg öffnet sich aber auch für andere Engagements, sofern sie eine solide wirtschaftliche Perspektive haben und eine attraktive Rendite erwarten lassen. Beispiele hierfür sind Investitionen in Zeitschriften, in das Tourismusgeschäft oder in Handelsgeschäfte.“ S. http://www.ddvg.de. (Hervorhebung RS).

*3) SPD-ReiseService. Russland verstehen? Moskau besuchen!

04.06.-08.06. / 11.06.-15.06. / 18.06.-22.06. / 25.06.-29.06. / 10.09.-14.09. / 24.09.-28.09. / 01.10.-05.10.2015. 5-tägige politische Studienreise; http://www.spd-reiseservice.kunden-webseiten.de/index.php? (Hervorhebung RS).