Blumen für Herrn Gabriel.

Die können jetzt zwischen dem Vorsitzenden, dem Oppositionsführer und dem Kanzlerkandidaten der SPD herumgereicht werden.

Wie die Glückwünsche, die „warmherzigen Worte“, das Schulterklopfen, die Schuldzuweisungen. 150 Jahre Volkspartei SPD und ein „phantastischer Wahlkampf“ mit 26 Prozent Resultat! Solche Führungsleistung haben Tausende engagierter Sozialdemokraten, die für die Ziele freiheitlicher, sozialer Demokratie eintreten, nicht verdient.

Peer Steinbrück hatte die „Schuld“-Bremse schon angezogen: „Wer Schuld hat? Also ich garantiert nicht!“ *1) Zur Schuld-Bremse gehört auch die Spaß-Bremse der Analyse. Undankbare Sache, aber dennoch: Was hat sogar viele Sozialdemokraten gegen die SPD-Parteispitze aufgebracht? Hier sind nur vier Ärgernisse. Take it or leave it!

1. Die „Sturzgeburt“ (Hannelore Kraft) des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Mit dem absurden Argument, der solle nicht schon vor der Wahl zerpflückt werden. Für nicht wenige Bürger säte die Parteiführung damit von vornherein Zweifel an der Eignung des Spitzenkandidaten: „Inthronisierung dritter Klasse“, sagte ein Werbe-Fachmann dazu. *2)

2. Tatsächlich ist Peer Steinbrück ein für die wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit fachlich hervorragend ausgewiesener Kandidat. Zudem integer und sympathisch. Dazu ein temperamentvoller, kämpferischer Redner. Das Beste, was die SPD zu bieten hat.

Nur schießt er zu schnell aus der Hüfte. Dafür ist er seit langem bekannt. Dennoch hielt es die SPD nicht für nötig, Peer Steinbrück geeignete Wahlkampfberater zur Seite zu stellen. Vor allem Kommunikationsberater! Von Fachleuten dieser Disziplin war gegen Ende des Wahlkampfes zu lesen: „enorm ordinär“. *3) Zur SPD-Führung bleibt zu sagen: enorm unprofessionell.

3. Die Bundeskanzlerin und ihre Regierung hat – wie immer ihre Leistung beurteilt werden mag – eine höhere Arbeitslast und Verantwortung als die Spitze der oppositionellen SPD. Dennoch ist Bundeskanzlerin Merkel die Vorsitzende ihrer Partei. Der SPD-Kandidat für das Kanzleramt, Peer Steinbrück, hatte dagegen weder den politischen Rang des Oppositionsführers noch den des Parteivorsitzenden. Konnte er der Regierungs- und Parteichefin Frau Merkel wirklich auf „Augenhöhe“ begegnen? *4)

4. Die Tragik von Steinbrück: Er musste herhalten als Galionsfigur für ein Regierungsprogramm, das nicht den Menschen des Landes, sondern dem innerparteilichen Kompromiss und Kuhhandel mit der SPD- und der Gewerkschafts-Linken dient. Ein Programm, das sich abwendet von respektierten Stimmen aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft.

Nach über 60 Jahren wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland kommt die SPD – 2013 im 150. Jahr ihrer Gründung – auf die Idee, fleißigen Familien mit eigentumsfeindlicher Steuerpolitik zu drohen. Fleißigen Familien, die über Generationen Wohlstand erarbeitet und durch Konsumverzicht – ja, Verzicht! – angespart haben, mit eigentumsfeindlicher Steuerpolitik zu drohen! Rückfall in die Jahre vor dem Godesberger Programm von 1959? *5)

Darüber ist auf dieser Website genug gesagt worden. Lassen wir es bei diesen vier Ärgernissen bewenden. Eine Liste von Fehlleistungen der SPD-Führung in der Vorwahlzeit könnte leicht auf neun oder zehn Punkte ausgedehnt werden.

Nun mag ja eingewendet werden, dass dies alles der Hektik im Wahlkampf geschuldet, Missverständnis oder einfach politisches Pech für die SPD gewesen sei. Wandeln wir deshalb für den politischen Gebrauch und die Blumen für Herrn Gabriel ein Wort Alfred Kerrs ab: „Herr Gabriel, ich will nicht frech sein. Ich will mich üben in Geduld. Dreimal Pech kann dreimal Pech sein, aber viermal Pech ist Schuld.“

Doch nein, die SPD wird wieder auf Bundeskanzlerin Merkel weisen – die hat Schuld! Nicht der Kandidat. Nicht der Vorsitzende. Nicht der Oppositionsführer. Nicht das Programm.

*1) http://www.focus.de/kultur/medien/spd-peer-bei-circus-halligalli-steinbrueck-wer-schuld-hat-also-ich-garantiert-nicht_aid_1103261.html.

*2) Frank-Michael Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Agenturgruppe Scholz & Friends; DTS-Meldung vom 18.07.2013, Scholz-&-Friends-Chef kritisiert Wahlkampagne von Steinbrück.

*3) Stephan Lermer, Institut für Persönlichkeit und Kommunikation, http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl-2013/steinbruecks-stinkefinger-pose-parteienforscher-waehler-lassen-sich-nicht-abschrecken/8786450-4.html.

*4) Im TV heute abend Herr Wowereit, SPD: Steinbrücks Kandidatur sei mit dem Wahlergebnis „erloschen“, er bleibe aber „wichtige“ Führungspersönlichkeit der SPD. Was mag diese Äußerung Wowereits für Steinbrücks politischen Rang ab morgen bedeuten?

*5) Hier das Resultat. Wähler nach Arbeitnehmerstatus/Beruf. ARBEITER: SPD-Wähler 27 %. Unionswähler 36 %. ANGESTELLTE: SPD-Wähler 26 %. Unionswähler 40 %. Quelle: SPIEGELONLINE, 23. September 2013, 03.01 Uhr, Wähler nach Kategorien; So stimmten die Deutschen ab.