Bundestag — Agrarpolitik.

Es ist doch erfreulich, Abgeordnete in der Debatte um den Bundeshaushalt 2017 zu sehen, die sich als „Landei“ bekennen und für die Entwicklung ländlicher Räume kämpfen: „Wi könn`t dat – un wi maak`t dat ok!“ *1)

Ländliche Gemütlichkeit mag es im Dorfkrug geben, wenn nach dem dritten Bier mit Korn die Menschen anders geworden sind, als sie reinkamen.

Im Deutschen Bundestag jedoch prallten die Meinungen zur Agrarpolitik hart aufeinander.

„Smart Farming“ hatte Rainer Spiering, MdB (SPD), sein Thema genannt. *2)

Damit wandte sich Spiering gegen „eine nach hinten gerichtete Förderung, bei der man versucht, mithilfe von Geldmitteln Probleme aufzuhalten oder zu heilen.“

Die Zukunft moderner Landwirtschaft sieht Spiering in industriellen Anbaumethoden in Verbindung mit der Landmaschinenindustrie, deren Produkte im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sind.

Dazu sollte der Einsatz zukunftsorientierter Anwendungstechniken an Standorten, „an denen die Verknüpfung von Landmaschinentechnologie und intensiver Landwirtschaft stattfindet“, mit fachlichem Rat (z.B. durch das Fraunhofer-Institut) begleitet werden.

Als praktische Anwendung des „Smart Farming“ fordert er zum Beispiel eine Abkehr von maßloser Jauche/Gülle-Düngung. Mit Informationstechnologie könne der Landwirt eine „Hoftorbilanz“ aufstellen und nachweisen, dass sein Anbau und seine Erzeugnisse nicht mit überhöhten Nitratwerten verbunden sind.

Statt ständiger nachträglicher Verlustausgleiche müsse die Agrarpolitik „eine Technologie und eine Landwirtschaft schaffen, in die die Menschen in unserem Land zu Recht wieder Vertrauen haben“.

Gerade bei den jungen Landwirten habe Spiering für diese agrarpolitische Konzeption viel Verständnis und Zustimmung gefunden.

Solches Verständnis und solche Zustimmung fand sich allerdings nicht in dem anschließenden Debattenbeitrag von Friedrich Ostendorff, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).

Ostendorff zog eine düstere agrarpolitische Bilanz: 600 Tausend Bauernhöfe seit 1975 verschwunden. Doch jetzt kommt es noch schlimmer, wenn man Ostendorff folgt. *3)

Am 1. April 2015 wurde die 1984 von der EU eingeführte Milchquote (um die Menge der Milchproduktion zu beschränken) abgeschafft. Seitdem können die Bauern selbst entscheiden, wie viel Milch sie produzieren.

Ostendorff klagt an: „Seit dem Ende der Milchquote am 1. April 2015 haben jeden Tag 10 bis 15 Milchviehbetriebe aufgegeben … das ist ein Gemetzel im ländlichen Raum, das niemanden kalt lassen kann.“ *3)

Ursache sei „die chaotische und ungeregelte Explosion der Milchproduktion, der hemmungslose Preiskampf der Discounter und damit verbunden der totale Zusammenbruch des Marktes“. Und als Verantwortliche sieht Ostendorff die Bundesregierung, den Deutschen Bauernverband und mit Christian Schmidt (CSU), „den schwächsten Landwirtschaftsminister seit Bestehen der Bundesrepublik“. (Vgl. Hinweis *4)).

Ostendorff fasste seine agrarpolitische Konzeption in die Forderung: „Die Erhaltung der bäuerlichen Betriebe muss oberste Prämisse der Agrarpolitik sein. Sonst ist Agrarpolitik überflüssig.“ *3)

Bei seiner Anklage zum „Höfesterben“ zeigte sich Landwirt Ostendorff belesen:

„Ökonomen lässt das ja kalt. Sie können natürlich immer wieder gut erklären, warum der Strukturwandel notwendig ist. Die meisten Molkereien predigen das sowieso, und für den Bauernverband ist Wachsen oder Weichen fester Bestandteil seiner absurderweise immer schon bauernfeindlichen Ideologie.“ *3)

Aber Ostendorff weiß auch: „Der Soziologe Heinz Bude kennzeichnet solche Vorgänge und deren Opfer als Verbitterungsmilieu in der Mitte der Gesellschaft.“ *3)

Landwirt Ostendorff und seine Frau haben vor 35 Jahren als Kampfmotto über ihr Scheunentor geschrieben: „Bleibt auf dem Lande und wehret euch täglich!“ Gegen industrielle Anbaumethoden in der Landwirtschaft und für den Erhalt der Bauernhöfe!

So stießen in der agrarpolitischen Debatte des Deutschen Bundestages Welten aufeinander. Scheinbar unversöhnlich!

Und doch: Wer die Akteure dieser hitzigen Redeschlacht im TV schärfer ins Auge fasste, glaubt eine Vorhersage wagen zu können.

Wenn die „Landeier“ Johann Saathoff, Rainer Spiering und Friedrich Ostendorff nach der Debatte bei Bier und Korn zusammensitzen und nach dem dritten Gedeck nicht mehr dieselben Menschen sind, als die sie sich hinsetzten — dann wird es doch noch ein ländlich-gemütliches Beisammensein.

*1) Johann Saathoff, MdB (SPD); Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2016 18587; Debatte um den Einzelplan für Landwirtschaft und Ernährung.

*2) Rainer Spiering, MdB (SPD); Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 187 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 8 . September 2016 18581; Debatte um den Einzelplan für Landwirtschaft und Ernährung.

*3) Friedrich Ostendorff, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN); 18581 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 187 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 8 . September 2016; Debatte um den Einzelplan für Landwirtschaft und Ernährung.

*4) Hinweis: Gegenüber der Milchpreiskrise empfiehlt Agrarökonom Prof. Dr. Achim Spiller, Universität Göttingen: „Was man vielleicht daraus lernen kann ist, dass man in solchen Marktsegmenten wie Bio- oder wie Weidemilch oder wie speziellen Käsespezialitäten größere Chancen hat, sich dem Weltmarktdruck zu entziehen. Da sind die Preise ja auch noch ganz gut. Es würde sicherlich helfen, wenn insgesamt die deutsche Milchwirtschaft und auch die deutschen Molkereien stärker auf solche Qualitätssegmente zukünftig setzen und dadurch auch ein Stück Risikostreuung betreiben.“

Siehe: Milchbauern in der Krise. „Risikostreuung betreiben“.

Für den Agrarökonomen Achim Spiller sind die 100 Millionen Euro Hilfe für die Milchbauern nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Langfristig sei es sinnvoll, wenn die Bauern und Molkereien auf andere Marktsegmente wie beispielsweise Käsespezialitäten setzen würden, sagte er im DLF.

Achim Spiller im Gespräch mit Birgid Becker; www.deutschlandfunk.de/; 30.05.2016