Bundeswehr und das Primat der Politik.

 

Warum musste der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, zurücktreten?

1. Deutsche Marine — Konflikte im indo-pazifischen Großraum.

Staatsbürger, die für die Anliegen unserer Bundeswehr aufgeschlossen sind, mögen den von zum Teil hämischen Pressekommentaren begleiteten Rücktritt des Vizeadmirals Schönbach bedauert haben. Schönbach hat eine herausragende Laufbahn als Soldat vorzuweisen. Die deutsche Marine leistet mit ihren Partnern international anerkannte Beiträge, um die Freiheit der Seewege zu sichern.

Mit diesen Aufgaben dient unsere Marine der Sicherheit der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und damit weltweiten Chancen auf Wohlstand und Frieden. Dies gilt derzeit besonders für den indo-pazifischen Großraum der Weltwirtschaft, wo China zunehmend aggressive Ansprüche auf angrenzende Gebiete, Inseln und Kontrolle von Seewegen erhebt. Dort stellen sich die USA, Australien, Japan und Indien (die “Quad“) im sicherheitspolitischen Dialog gegen die Außenpolitik Chinas. *1)

2. Übergriffige politische Thesen des Vizeadmirals Schönbach.

Vor diesem Hintergrund wird der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, in Indien partnerschaftliche Gespräche geführt haben. Im “Manohar Parrikar Institute for Defense Studies and Analyses (MP-IDSA)“ in Neu-Delhi sind folgende Äußerungen Schönbachs öffentlich geworden: *2)

  • Will Russland wirklich einen kleinen Streifen ukrainischen Bodens? Um den in das Land zu integrieren? Nein, das ist Unsinn. Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist eine Tatsache.
  • Ich denke, Putin macht wahrscheinlich Druck, weil er es kann und weil es die Europäische Union spaltet.
  • Aber was Putin wirklich will ist Respekt, Respekt auf hochrangiger Ebene, den er wahrscheinlich auch verdient. Russland verdient Respekt. Und, mein Gott, Respekt kostet wenig, kostet nichts.
  • Russland ist ein großes Land, auch wenn es keine Demokratie ist … Begegnet man Russland mit Respekt, ist es leicht, Russland von China zu trennen … Wir — Indien, Deutschland — brauchen Russland gegen China.

Hätte Vizeadmiral Schönbach geahnt, dass seine Stellungnahme in einem Video inzwischen fast eine Million Mal aufgerufen worden ist *2), würde er sich wohl darauf beschränkt haben, die Position der Bundesregierung für eine Strategie im Indo-Pazifischen Raum zu referieren. Bei Fragen nach seiner “persönliche Meinung“ hätte Schönbach vielleicht in üblich diplomatischer Weise um Verständnis dafür gebeten, dass er sich aus Respekt vor dem Meinungspluralismus sowie vor seiner offiziellen Funktion zurückhalten möchte.

Hat sich der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Schönbach, im vertraulichen Gespräch unter Freunden gewähnt? Oder wie im “Kameradengespräch“ des deutschen Offizierskasinos gefühlt, wo vielleicht niemand dem Marinechef widerspricht und dieser seine Ansichten am Ende für Konsens hält?

Mit Hochachtung darf die Einsicht und die harte persönliche Schlussfolgerung des Vizeadmirals Schönbach anerkannt werden:

  • „Meine sicherheitspolitischen Äußerungen in einer Talkrunde eines Think Tanks in Indien … entsprechen in keinster Weise der offiziellen Position des Bundesverteidigungsministeriums. Unbedacht, fehleingeschätzt  ein klarer Fehler.“ *3)
  • „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden, um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen“. *4) *5)

Schönbachs Bitte wurde von der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, entsprochen. Beide, die Ministerin und der ranghöchste Soldat der Bundeswehr, hatten zu Schönbachs Aussagen in Indien der Presse mitteilen lassen: „Die Äußerungen entsprechen in Inhalt und Wortwahl in keiner Weise der Position des Bundesverteidigungsministeriums.“

3. Bundeswehr – Innere Führung – Primat der Politik.

Trotz dieser Ansage durch die Führungsspitze der Bundeswehr scheint die “persönliche Meinung“ Schönbachs zur Bedrohung der Ukraine durch Russland in Kreisen um die Bundeswehr herum offenbar verbreitet. Dies lassen Kommentare des immer noch einflussreichen Generals a. D. Harald Kujat vermuten, der von 2000 bis 2002 als Generalinspekteur der Bundeswehr amtierte. Von großem Medienecho begleitet, kritisierte Kujat den Umgang mit Schönbach:  „Wenn ich noch im Amt wäre, hätte ich mich vor Admiral Schönbach gestellt, und ich hätte versucht, seine Entlassung zu verhindern — und zwar mit allen Mitteln.“ *6)

Mit allen Mitteln? Derartige Aussagen Kujats könnten Zweifel nähren, ob innerhalb der Bundeswehr oder in Kreisen, die dem Militär nahestehen, stets anerkannt wird, dass die Bundeswehr unbedingt dem Primat demokratischer Politik unterworfen ist.

Deshalb verdient die Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zum Gelöbnis am 66. Gründungstag der Bundeswehr, dem 12. November 2021, höchste Aufmerksamkeit. Folgende Kernsätze ihrer Rede für Rekrutinnen und Rekruten seien hier wörtlich hervorgehoben: *7)

  • Sie sind nicht um Ihrer selbst Willen Soldatinnen und Soldaten. Sie geloben, für unsere Sicherheit einzustehen. Sie schützen die Grundwerte der Demokratie, die Freiheit, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland vor äußeren Bedrohungen. Sie haben ein sehr hohes Ziel. Denn Sie übernehmen es, „dem Frieden der Welt zu dienen“, wie es in der Präambel unseres Grundgesetzes heißt.
  • Die Bundeswehr … hat dem Bild vom Militär als einem „Staat im Staate“ den „Staatsbürger in Uniform“ und längst auch die „Staatsbürgerin in Uniform“ entgegengesetzt.
  • Der Friedensauftrag und die enge Bindung an die Politik zeichnen die Bundeswehr aus und unterscheiden sie von allen ihren Vorgängerarmeen.
  • In unserem Land gilt das Primat der Politik. Die Befehls- und Kommandogewalt liegt in den Händen von Zivilisten. Über Auslandseinsätze entscheidet der Deutsche Bundestag, er trägt für Sie, die Soldatinnen und Soldaten, Verantwortung. Wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst, wenn wir über Auslandeinsätze entscheiden.

Diese unbedingte Bindung an das Primat der Politik in Deutschland war dem Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Schönbach, bei einem Gespräch in Indien entglitten.

Mit seinem Rücktritt hat sich Vizeadmiral a. D. Schönbach als Demokrat und Ehrenmann erwiesen.

  *1) Siehe Fareed Zakaria GPS. Interview With French Ambassador To The United States, Philippe Etienne, About AUKUS Deal … ; Aired September 26, 2021; https://transcripts.cnn.com/show/fzgps/date/2021-09-26/segment/01

*2) Siehe: https://twitter.com/sidhant/status1484608264142987268. Die aufgeführten Bemerkungen Schönbachs sind nach dem Video aus dem Englischen in die deutsche Sprache übertragen worden (RS). Das angesehene MP-IDSA-Institut informiert: „January 21, 2022. Vice Admiral Kay-Achim Schönbach, Chief of the German Navy, visited the Manohar Parrikar Institute for Defence Studies and Analyses (MP-IDSA) and delivered a Talk on ‘Germany’s Indo-Pacific Strategy’ on 21 January 2022. Vice Admiral Schönbach’s talk coincides with the docking of German Naval Frigate ‘BAYERN’ at the Mumbai port. Director General Manohar Parrikar IDSA, Ambassador Sujan R. Chinoy, delivered the Welcome Address and moderated the event“ (https://www.idsa.in/idsanews/visits).

*3) Deutscher Marine-Chef wird nach Eklat um Ukraine-Kommentar gefeuert. Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 22.01.2022.

*4) Marine-Chef Kay-Achim Schönbach tritt ab! Artikel von: PAUL RONZHEIMER, AXEL LIER, ANGELIKA HELLEMANN, veröffentlicht am 22.01.2022;  bild.de

*5) Ukraine-Krise. Ende eines Ausflugs in die Weltpolitik. 22. Januar 2022. Marine-Chef Schönbach löst mit Forderung nach Respekt für Putin und fragwürdigen Äußerungen zum Ukraine-Konflikt einen Eklat aus und tritt zurück. Von Mike Szymanski, Berlin; https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-marine-chef-kay-achim-schoenbach-ruecktritt-1.5513111

*6) Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Kujat kritisiert Umgang mit Schönbach. Stand: 23.01.2022; https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/admiral-schoenbach-ruecktritt-105.html

*7) Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zum Gelöbnis am 66. Gründungstag der Bundeswehr, dem 12. November 2021. (Hervorhebung RS); https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2021/20211112-868602