Coronakrise — Gelegenheit zur Hexenjagd?

Fachleuten warnten früh vor psychischen Belastungen durch die angeordneten Kontaktsperren in der Coronakrise. Betroffen sind oft engagierte und sensible Menschen. Sie verdienen nicht nur professionelle Hilfe, sondern auch die Solidarität und den Beistand der Bürger.

1. Kontaktbeschränkungen belasten psychisch.

Sicher gibt es viele Menschen, die soziale Distanz und Isolation als belastend empfinden.

Die Kontaktbeschränkungen mögen umso mehr belasten, weil sich Menschen vielleicht am liberalen Vorgehen der schwedischen Regierung in der Coronakrise orientieren. Oder als Juristen sich so intensiv für die Freiheitsrechte auch in der Corona-Gefahr engagieren, dass sie die Maßnahmen des deutschen Staates für unverhältnismäßig oder gar für verfassungswidrig halten.

Gerade solche Menschen können durch Depression gefährdet sein. Prof. Dr. med. Kamila Jauch-Chara: „Alles das, was aktuell zwingend notwendig ist, ist für unsere Psyche nicht gut.“ *1)

2. Presse-Brutalität gegen die Juristin Frau Beate Bahner.

Wie Hexenjagd kann die abstoßende Brutalität gerade in dieser Zeit empfunden werden, mit der die mutmaßlich psychisch erkrankte Juristin, Frau Beate Bahner, Fachanwältin für Medizinrecht aus Heidelberg, in dem Massenblatt BILD als Irre herabgesetzt wird. Es folgen wörtliche Zitate: *2)

  • In den vergangenen Tagen war Bahner zur Ikone der Corona-Leugner geworden. Am 3. April hatte sie zunächst eine Normenkontrollklage gegen die Corona-Verordnung Baden-Württembergs angekündigt: Die Maßnahmen des Landes seien „eklatant verfassungswidrig“ und würden die Grundrechte der Bürger in „bisher nie gekanntem Ausmaß“ verletzen.
  • Am 8. April schickte sie dann Eilanträge sowohl an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als auch ans Bundesverfassungsgericht. Lange Pamphlete, in denen sie unter anderem schrieb, niemals zuvor sei „eine ganze Bevölkerung derart entmündigt und weggesperrt“ worden. Gleichzeitig rief sie zu einer bundesweiten Demonstration auf und erklärte, die Deutschen hätten das „Recht zum Widerstand“. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg nahm Ermittlungen auf. Verdacht: öffentlicher Aufruf zu einer rechtswidrigen Tat. Karfreitag lehnte das Bundesverfassungsgericht Bahners Eilantrag ab (u.a.: nicht substanziell genug).
  • Die Anwältin soll Ostermontag nach der Einweisung (in die Psychiatrie, rs) eine Sprachnachricht an ihre Schwester geschickt haben. Darin heißt es: Sie habe am Sonntag plötzlich Angst vor „zwei Killern“ und einem Auto gehabt, das vor ihrem eigenen Auto stand, sei dann fortgelaufen und habe einen anderen Wagen angehalten, damit die Insassen die Polizei rufen. Nachdem ihr bewusst geworden sei, dass sie doch keine Hilfe der Polizei wolle („Ich bin ja der größte Staatsfeind im Moment.“), habe sie die beiden jungen Leute im Auto gebeten, sie ins Fahrzeug zu lassen. „Dann kam die Polizei. Ich habe gesagt: ‚Ich fühle mich verfolgt.‘ Dann haben sie mir Handschellen angelegt.“
  • Völlig irre geht es weiter: In der Psychiatrie habe eine Ärztin sie zuerst zehn Minuten sitzen lassen („die musste glaube ich noch Anweisung von ganz oben oder auch … Amerika kriegen“, „die ganze Welt weiß, wer ich bin“), dann sei sie zwangsweise in den „Guantanamo-Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie“ gebracht worden. Mittlerweile habe sie aber ein „wunderbares Zimmer“ mit Dusche und ihr Handy sowie von Freunden Bücher gebracht bekommen. Und wenigstens fühle sie sich nun „in Sicherheit vor ganz dunklen Mächten“.

3. Eingreifen des Staatsschutzes gegen Frau Bahner verhältnismäßig?

Wie schäbig dieser an Hexenjagd grenzende BILD-Artikel über die wohl mit einem Nervenzusammenbruch schwer erkrankte Frau Bahner ist, erhellen hier wörtlich zitierte Zeugnisse aus dem Umfeld der Anwältin: *3)

  • Ich kenne Beate Bahner seit 20 Jahren als intelligente, sehr engagierte Juristin, die hervorragende Sachbücher schreibt und sich sehr aktiv in das Heidelberger Kulturleben einbringt.
  • Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist ihr ein Herzensanliegen. Über den Stil der Anklage lässt sich streiten, aber in einer Demokratie muss es erlaubt sein, auch überzogen, gar hysterisch, seine Grundrechte einzufordern.
  • Ganz sicher überzogen, wenn nicht skandalös, war die Einleitung einer polizeilichen Ermittlung und vor allem die Sperrung ihrer Homepage, die ich live in Ihrer Kanzlei erlebte. In meiner Einschätzung war dies der Auslöser für ihre zunehmend schwer nachvollziehbaren Äußerungen auch auf Ihrer Homepage.

Der Journalist Peter Grimm zitiert aus einer 19-seitigen Erklärung der Anwältin Beate Bahner: *4)

„Der Shutdown der Landesregierung Baden-Württemberg ist damit für mich als Rechtsanwältin mit 25-jähriger Berufserfahrung der größte und ungeheuerlichste Rechtsskandal, den Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt hat. Die Verfolgung Unschuldiger (wenn gesunde Menschen miteinander sprechen oder spazieren gehen) und die massive polizeiliche Kontrolle lässt mich zutiefst erschaudern! Noch nie wurden das Grundgesetz, dessen Bestehen ganz Deutschland noch im letzten Jahr so stolz gefeiert hat, noch nie wurden die Freiheitsrechte der Bürger in Deutschland so mit Füßen getreten, noch nie wurde eine Verfassung so radikal und so schnell vernichtet wie durch die Maßnahmen der 16 Landesregierungen und der Bundesregierung vor zwei Wochen.“

Das Staatsschutzdezernat der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg ermittle gegen die Anwältin Frau Bahner, weil sie auf ihrer Webseite nicht nur zum Widerstand gegen die staatlichen Corona-Anordnungen, sondern auch zu einer bundesweiten Demonstration am Ostersamstag aufgerufen habe. Dies sei als Aufforderung zu einer Straftat, zumindest einer Ordnungswidrigkeit zu werten. *4)

Frau Rechtsanwältin Bahner wird in der rechtlichen Beurteilung der staatlichen Corona-Anordnungen geirrt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls Eilanträge gegen die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie abgelehnt:

„Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber nicht im geforderten Maß unzumutbar … um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer.“ *5)

Es ehrt den Vorsitzenden der LINKEN, Bernd Riexinger, baden-württembergischer Landsmann von Rechtsanwältin Bahner, dass er gegen hetzerische Berichterstattung das von Frau Bahner eingeforderte Demonstrationsrecht verteidigte: „Wenn es den Veranstaltenden gelingt, den Infektionsschutz sicherzustellen, müssen die Veranstaltungen auch stattfinden können. Das ist dann erfüllt, wenn Abstandsregeln eingehalten werden, zum Beispiel bei einer Demonstration per Autokorso. Spazierengehen und Einkäufe gelten zu Recht als wichtige Gründe, um unter Beachtung der allgemeinen Corona-Vorsichtsregeln das Haus zu verlassen. Ich finde, auch die Wahrnehmung des Versammlungsrechtes muss als wichtiger Grund anerkannt werden.“ Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen, betonte Riexinger, hänge auch an der „nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeit“. *6)

4. Fairness in der Corona-Krise!

Brutale Hetze in einem Massenblatt gegen die mutmaßlich durch psychische Belastung schwer erkrankte Anwältin Frau Bahner muss in der Öffentlichkeit entschieden zurückgewiesen werden. Nichts rechtfertigt derartige Schäbigkeit!

Meinungsfreiheit, Widerspruch auch gegenüber staatlichen Anordnungen und das Recht auf Irrtum gehören zusammen!

Wünschen wir Frau Rechtsanwältin Bahner baldige Genesung, damit sie vollständig gesundet ihre berufliche Tätigkeit und ihr bürgerschaftliches Engagement fortsetzen kann!

*1) Corona und Psyche: Isolation als Auslöser für Krise. Von Frauke Hain. Stand: 09.04.2020 08:00 Uhr  – NDR 1 Welle Nord; https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-und-Psyche-Isolation-als-Ausloeser-fuer-Krise,depression264.html (Prof. Dr. med. Kamila Jauch-Chara ist Ärztliche Direktorin des Zentrums für Integrative Psychiatrie des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel)

*2) SIE WOLLTE VORS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT. Polizei bringt Corona-Anwältin in Psychiatrie; veröffentlicht am 14.04.2020 – 13:19 Uhr; bild.de (Hervorhebung RS).

*3) So äußerte sich der Heidelberger Arzt Dr. med. Gunter Frank als Gastautor. 14.04.2020. Klägerin Beate Bahner in Psychatrie eingewiesen. Die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner ist gestern Abend in die Psychiatrie eingewiesen worden. Sie hatte eine Verfassungsklage gegen den Covid-19-Notstand erhoben; https://www.achgut.com/artikel/klaegerin_beate_bahner_in_psychatrie_eingewiesen

*4) Peter Grimm. Ein Fall für den Staatsschutz? 09.04.2020;  https://www.achgut.com/artikel/ein_fall_fuer_den_staatsschutz_bahner

*5) Bundesverfassungsgericht -Pressestelle-. Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Pressemitteilung Nr. 23/2020 vom 8. April 2020; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-023.html

*6) Linken-Chef: Versammlungsrecht muss trotz Beschränkungen gelten. Linken-Chef Bernd Riexinger sieht das Versammlungsrecht bei Demonstrationen derzeit zu stark eingeschränkt. Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 15.04.2020.