Der Karren, den Peer Steinbrück zieht.

Peer Steinbrücks Format zeigt sich auch, aber natürlich nicht allein in dem Respekt, den Angela Merkel ihm entgegenbringt.

Dies hebt die Persönlichkeit der Bundeskanzlerin im Vergleich zu dem Personal der Unionsführung, das auf dem CDU-Bundesparteitag durch unwürdige bis dümmliche  Bemerkungen über Peer Steinbrück auffiel.

Das Format Peer Steinbrücks, das ihn als würdigen Bewerber für die höchsten Aufgaben in unserem Staat qualifiziert, kommt sicher für viele Bürgerinnen und Bürger in den folgenden beiden Feststellungen zum Ausdruck, die er im Deutschen Bundestag traf.

Zu Europa und zu unseren europäischen Aufgaben sagte Steinbrück: Was „Europa zu bieten hat, ist einmalig in der Welt: Gewaltenteilung, Achtung der Menschenrechte, Minderheitenschutz, Sozialstaatlichkeit, unabhängige Gerichte, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, die Trennung von Staat und Kirche – das Erbe der Aufklärung … Kein Rettungsschirm und keine gemeinschaftliche Anstrengung sind deshalb zu groß, um dieses Europa für 500 Millionen Menschen, ihre Kinder und ihre Kindeskinder zu bewahren. Kleinmut würde dem nicht gerecht. Deutschlands Zukunft ist Europa. In diese Zukunft werden wir investieren müssen, genauso wie wir in die deutsche Wiedervereinigung investiert haben … So schwer es auch sein wird: Wir dürfen nicht zulassen, dass aus diesem in 60 Jahren gebauten europäischen Haus einzelne Steine wieder herausgebrochen werden. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Staaten Fehler und Versäumnisse zu verantworten haben wie Griechenland und wenn sie mit die Ursache für eine Krise ihrer eigenen Volkswirtschaft sind.“ *)

Und die Lage der Bundesrepublik Deutschland fasste er in die Worte: „Deutschland steht im europäischen Vergleich zu vielen unserer Partner innerhalb der Europäischen Währungsunion und der Europäischen Union deutlich besser da. Das hat mehrere Gründe. Wir haben dafür Sorge getragen, dass wir eine industrielle Wertschöpfungskette erhalten, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern. Wir haben es mit einem sehr tüchtigen Mittelstand zu tun. Viele große deutsche Unternehmen haben sich restrukturiert. Das dreisäulige Kreditwesen hat sich gerade in schwierigen Zeiten und mit Blick auf die Finanzierung des deutschen Mittelstandes bewährt. Das duale Ausbildungssystem, das berufliche Ausbildungssystem in Deutschland wird von vielen beneidet. Wir haben es mit einer exzellenten Facharbeiterschaft und mit einer starken und sehr bewährten Sozialpartnerschaft zu tun.“ **)

Kein anderer Spitzenpolitiker hat diese Grundlagen für die Führung unseres Staates in vergleichbarer Klarheit formuliert. Das Vertrauen, das Peer Steinbrück sich erarbeitet hat – durch seine politischen Leistungen als Bundesfinanzminister und durch seine Sicht auf Europa und Deutschland – steht in merkwürdigem Kontrast zu dem, was aus seiner Partei wahrzunehmen ist.

Hier einige der Lasten auf dem Karren, den Peer Steinbrück zieht.

Erstens: Die Begleitmusik zu seiner Sicht auf Europa und Deutschland.

Von MdB Carsten Schneider, SPD,**) hört der Bürger dazu, „dass wir die Krisengewinnler Europas sind.“ Damit desavouiert MdB Schneider nicht nur die Agenda-Reformen des Bundeskanzlers Schröder, sondern auch die Verdienste des Bundesministers der Finanzen Steinbrück um die Schuldenbremse im Grundgesetz. Beiden Reformleistungen verdankt Deutschland wesentlich seine derzeitige Wirtschaftskraft und Finanzstabilität.

Da ist dem Zwischenruf Volker Kauders gegen Carsten Schneider – „Das ist ja eine irre Rede“ – nichts mehr hinzu zu fügen.

Zweitens: die SPD-Führung hat sich trotz langen Zögerns bei der Entscheidung für einen Kandidaten bisher nicht bequemen können, ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück erkennbar effektive Unterstützung für eine Kampagne zu organisieren. Hoffen wir, dass sich dies spätestens nach dem Sonderparteitag am 9. Dezember ändert.

Drittens: Trittins steuerpolitisch eingeleitete „Rot-Rot-Grün-Strategie“, der leider die SPD-Führung zu folgen scheint.

Diese absurde Steuerpolitik könnte der LINKEN temporär die unauffällig stillschweigende Duldung einer Regierung Gabriel/Trittin ermöglichen. Ohne dass gleich die Katze aus dem Sack gelassen wird.

Peer Steinbrück hat immer vor einer Politik gewarnt, bei der „die Sparer die Zeche zahlen und diejenigen belohnt werden, die auf Pump gelebt haben – Staaten, Unternehmen, Privatpersonen.“ Steinbrück weiß offenbar im Gegensatz zur SPD-Führung, dass die Sparer „nicht auf Dauer die Deppen sein wollen.“ ***)

Genau dies aber „leisten“ die steuerpolitischen Angebote von Trittin und Gabriel an die LINKE.

Die Kapitalertragsteuer soll erhöht werden – grob von einem Viertel auf ein Drittel! Außerdem soll eine Vermögenssteuer eingeführt werden. Eine Steuer, die Vermögenssubstanz verzehrt. Was vor allem Selbständige und Menschen trifft, die keine oder unzureichende Renten- oder Pensionsansprüche erworben haben, deshalb also Vermögen benötigen. Und die natürlich Betriebe schwächen kann.

Der Sparer wird zwar schon bei den gegenwärtigen Steuersätzen und Inflationsraten zum Deppen gemacht. Aber das Ausmaß der von Trittin und Gabriel angepeilten „Finanzrepression“ ****) zerstört alle Bemühungen von Sparern um Vorsorge für die Zukunft ihrer Familien.

Das Ausmaß dieser Unanständigkeit von Politikern mit Spitzenversorgung, die der Steuerzahler aufbringen muss, ist atemberaubend. Vor allem wenn man sich erinnert, dass es die Rot-Grün-Regierung war, die den Bürger anhielt und ermutigte, den Sozialstaat durch Eigenvorsorge zu entlasten.

Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber und glauben, dass es bei dem exorbitanten Verwaltungsaufwand, den die Vermögenssteuer erfordert, bei den „großzügigen“ Freibeträgen bleibt!

Was mag Peer Steinbrück über solche Bestrebungen denken, die Sparer zu ruinieren?

Viertens, setzen manche Gewerkschaftler und Vertreter des linken SPD-Flügels der Glaubwürdigkeit Steinbrücks zu, wenn er um die Mitte der Gesellschaft wirbt.

Nehmen wir den mächtigen Bundesvorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Klaus Barthel, MdB.

Seit Jahren rühmt er sich, die von Peer Steinbrück erfundene Schuldenbremse im Grundgesetz abzulehnen. Im Deutschen Bundestag hat er gegen die große Mehrheit seiner SPD-Fraktion gegen den Rettungsschirm ESM und den Europäischen Fiskalpakt gestimmt. Aus Gewissensgründen und damit er glaubwürdig bleibt. Denn er tritt ein für „Gutes Leben, Gute Innovationen, Gute Arbeit“ und gegen „Kaputtsparen“…

In diesen Tagen fällt dieser Vertreter unserer Legislative, unseres Gesetzgebenden Parlamentes, dadurch auf, dass er sich gegen jede gute Sitte in ein laufendes Gerichtsverfahren einmischt. Nämlich in die Klage der PIN Mail AG, eines Konkurrenten der Deutschen Post AG, gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der Gegenstand dieses Klageverfahrens auf Schadenersatz sei dem Urteil des zuständigen Gerichtes überlassen.

Hier ist neben fragwürdigem Rechtsverständnis eine wirtschaftspolitische Einstellung Barthels offensichtlich, die Peer Steinbrück nicht gerade hilft, wenn er um Unternehmer wirbt. Barthel meint, wegen „Lohnwucher“ hätte der PIN Mail AG die Lizenz, in den Markt für Briefdienstleistungen einzutreten, verweigert werden müssen.

Allerdings sind die Bemerkungen von Herrn Klaus Barthel, MdB, über das „Versagen der Bundesnetzagentur“ in der Sache der PIN Mail AG unter dem Aspekt seiner Glaubwürdigkeit interessant. Denn neben vielen Mitgliedschaften in Bundestagsgremien ist Herr Barthel auch Mitglied im Beirat eben dieser „versagenden“ Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen.

Wie kann der sympathisierende Bürger Peer Steinbrück gegen den politischen Gegner „Schwarz-Gelb“ helfen, wenn der Kanzlerkandidat solche Freunde zur Seite und im Rücken hat?

*) Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 17/198. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012.

**) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. November 2012.

***) Peer Steinbrück, Unterm Strich, Hamburg, 3. Auflage 2010, S. 134.

****) „Unter diesem Begriff werden die unterschiedlichen Maßnahmen und Techniken zusammengefasst, mit deren Hilfe sich hochverschuldete Staaten auf Kosten der Sparer und Vermögensbesitzer von ihrer Schuldenlast befreien können. Das beliebteste Instrument sind negative Realzinsen.“ (ZDF, WISO Finanzlexikon).