Ein anderer Blick auf Ostdeutschland.

Zunächst: Ostdeutschland ist nicht zutreffend. Es geht um Norddeutschland, also Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, und dann um das östliche Mitteldeutschland, grob geortet.

Blicken wir  in den Deutschen Bundestag: Parteipolitik beiseite, dort fallen einige Persönlichkeiten aus den jungen Bundesländern auf.

Da ist der freundliche Heinz-Peter Haustein, FDP, aus dem Erzgebirge, ein Mann mit politischer Bodenhaftung und Kostenbewusstsein. Sein Landsmann aus Dresden, Andreas Lämmel, CDU, Fachmann für Belange der Klein- u. Mittelbetriebe, Meister des Berichts aus Berlin. Carsten Schneider, SPD, scharfzüngiges budgetpolitisches Ass. Der Arzt Dr. Harald Terpe von den GRÜNEN, ein sachkundiger Gesundheitspolitiker. Dann zu den LINKEN. Auch sie zeigen fachliche Seriosität in Debatten. Aber das ist nicht der einzig bemerkenswerte Punkt.

Bei der LINKEN findet sich, ähnlich wie bei der CSU, ein sympathischer regionaler Patriotismus. Allerdings hebt sich dieser stark von den gediegenen Lodenzitaten der Bayern ab. Sahra Wagenknecht oder Katja Kipping zum Beispiel zeigen ungewöhnlich guten Geschmack in der Art, sich zu kleiden. Herausragend gelungene Kompositionen in Stil, Stoff und Farben. Und ganz anders als die westdeutsche Damenmode. Die Hinwendung zur hohen Kunst textilen Designs ihrer Heimat gefällt.

Dies bringt ein Erlebnis bei ausgedehnten Streifzügen durch Ostberlin zurück. Einmal geriet ich in einen Hinterhof, den eine fröhliche Feier erfüllte. Die Fenster im Erdgeschoss standen offen und gaben den Blick frei auf große Zuschneidetische, Nähmaschinen, Büsten und Stofflagen. Auf dem Hof junge Damen und offensichtlich als Respektsperson hoch geachtete Meisterinnen ihres Faches. „Gretl, Inge, Siglinde, Hiltraud, Renate, Sabine, Sybille“ und „Schnittmuster, Strecknähte, Abnäher, Kellerfalte, Raglanärmel, Knopfleiste, Maßband, Passform, Pailletten“ – es ging so lebhaft hin und her, dass ich dachte, wenn man da doch mitmachen könnte. Und dann rief eine junge Dame begeistert und in reinstem Sächsisch: „Da mach´sch glei dree Ponchos draus!“

Das fand ich nun besonders einfallsreich und erfinderisch; denn Ponchos kannte ich aus Südamerika. Und hier komme ich zurück auf MdB Andreas Lämmel. Stolz meldet er aus seiner Heimat, dem Freistaat Sachsen: „Mit 25 Patentanmeldungen je 100.000 Einwohner weist der Freistaat den stärksten Anstieg der Patentanmeldung aller deutschen Bundesländer auf“ (Bericht 16/2012).

Ob auch die enthusiastische sächsische Textil-Designerin einen neuen Poncho erfunden hat? Nach einigem Suchen unter „Poncho“ fällt eine etwas abgewandelte Erfindung auf.

Von Gerald Rolf und John C. Wickersheim: US-Patent 3. Jan. 1986 „A combination of poncho and tent …“. Diese Innovation wird von nachfolgenden Patenten bis in das Jahr 2011 zitiert, hat also aktuelle Relevanz.

Die „Poncho-Zelt“-Erfindung von Gerald und John zitiert ihrerseits jedoch auch internationale Patente von Vorgängern. Und da findet sich unter „US2093889“, eingetragen am 25. Jan.1935 und ausgestellt am 21. Sept. 1937 unter dem Titel „STRIP OF FABRIC ADAPTABLE FOR TENTS“ das Patent des Erfinders Arthur Walter Horn, Bretnig/Sachsen, Germany.

Vom United States Patent Office als „inventive idea“ und „invention“ anerkannt: Ausgehend vom Modul einer rechtwinklig-dreieckigen Stoffbahn, sind mehrere dieser Elemente vielseitig verwendbar als Poncho-Cape, als Pack-Beutel, als Zelte verschiedenster Größen und Formen. Diese Möglichkeiten der Verwendung sind belegt durch detaillierte Beschreibungen, Diagramme und technische Zeichnungen. Besonders beeindruckt die Illustration eines Herrn mit Schiffermütze und Poncho, bestens geschützt vor Wind und Wetter. Die Unterschrift des „Inventors“ Arthur Walter Horn fehlt nicht. Auch das regnerische Vereinigte Königreich hat die Erfindung des sächsischen Fabrikanten patentiert.

Die junge sächsische Poncho-Designerin steht also in langer Tradition textilen Erfindergeistes in ihrer Heimat. Man kann Andreas Lämmel nur zustimmen: Die Sachsen sind die Innovativsten. Und ihre Kreativität im textilen Gestalten sieht man auch mit Freude bei Frauen der LINKEN im Deutschen Bundestag.

Heinz-Peter Haustein aus dem Erzgebirge und der Dresdner Andreas Lämmel würden unisono sagen: „Nu gudde, dass mia de Sachsen ham.“