SPD der kleinen Leute.

2013 will der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zeigen, dass „die SPD weiß, für wen sie da ist“.

Für die „kleinen und fleißigen Leute“.*) Jetzt reicht es diesem kleinen Rentner und Sozialdemokraten, dem fällt jetzt die Sicherung raus.

Dieses paternalistisch-gönnerhafte Gerede muss jetzt endlich auf die gebotene Zurückweisung stoßen. Denn dieses Geschwätz von den „kleinen Leuten“ findet in Berlin eine „große“ Entsprechung: am ehemaligen Reichsluftfahrtministerium, heute Bundesministerium der Finanzen. Dort können die „kleinen Leute“ ein monumentales Wandgemälde betrachten. „Aufbau der Republik“ heißt es. Walter Ulbricht ließ es vom Künstler mehrfach überarbeiten, um den Aufbau monumentaler auf die „kleinen Leute“ wirken zu lassen.

Da kann man reflektieren über die sozialistische Wahrnehmung der „kleinen und fleißigen Leute“, für die die Partei da ist. Da sehen wir sie in einfachen Hemden, mit offenem Kragen, hochgekrempelten Ärmeln. Und vor ihnen der von der Partei gesalbte hohe und entsprechend professionell gekleidete Funktionär, der sie orientiert, der sie leitet. Der ihnen zeigt, dass die Partei für sie da ist, die Partei, die Führungselite für „die kleinen Leute“. Da sehen wir im Wandbild verewigt, welche Deppenrolle den „kleinen und fleißigen Leuten“ zugedacht war.

Man muss sich auch nicht lange umsehen, um im sozialdemokratischen Umfeld oft auf diese gleiche aufgeblasene Wahrnehmung zu stoßen. Da reichen wenige Beispiele, die sich beliebig fortsetzen lassen.

Unter der Überschrift „Wer wir sind? – Zwölf vom BMBF unterstützte Begabtenförderungswerke“ – machen sich schon einige sozialdemokratische Stipendiaten Gedanken über ihre künftige Rolle „für die Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft.“**)

Die wissen jetzt schon, womit sie uns „kleinen Leuten“ kommen werden: „Eliten – dieser Plural ist in einer weltoffenen Gesellschaft unverzichtbar – lassen sich in einem demokratischen Gemeinwesen daher nicht als bloße Funktionseliten verstehen, sondern bedürfen der Rückbindung an Wertmaßstäbe. Verantwortungseliten müssen zusätzlich die Fähigkeit haben, sich mit Phänomenen wie wachsender Unsicherheit und Intransparenz auseinanderzusetzen und mit zunehmender Komplexität, Vernetzung und Dynamik umgehen können.“

Da sie auch schon so gut Bescheid wissen, wundert es nicht, dass sich diese studentische Verantwortungselite gegen die sicher zweckgebundene „drastische Erhöhung des Büchergeldes“ ausspricht, das ihnen im Rahmen des Stipendiums gewährt wird. Anstatt diese Zuwendung von Spendern und Steuerzahlern zu nutzen.***)

Hiermit werden sozialdemokratisch geneigte Bildungswerke aufgefordert, Stipendien mal stärker für Ingenieure und Zahnärzte zu vergeben. Die verschonen uns „kleine Leute“ hoffentlich mit oben zitierter gesellschaftspolitischer Eloquenz.

Peter Brandt gibt das Magazin „GlobKult“ heraus. Dort hat Christoph Jünke am 01.03.2010 über einen unserer großen Gewerkschaftler geschrieben: „Viktor Agartz und die alternative Elitenbildung“. War der nicht für die Arbeiter da? Auch der vorwärts.de (Dagmar Günther,19.05.2008) kann nicht anders: „Prekariat und geistige Elite – manchmal sind das Synonyme“. Kein Wunder …

Nachdem nun auch noch auffällt, dass der Sozialdemokrat Herr Florian Gerster zu „Gedanken über die wirtschaftliche und politische Elite in Deutschland“ einlud****), reicht es diesem Sozialdemokraten mit der elitären Obsession dieser egalitären Partei „der kleinen Leute“! Hat man solche Ausdrucksweise je von Willy Brandt oder Hans-Jochen Vogel gehört? Tony Blair und Gerhard Schröder sahen sich nicht als „politische Elite“, sondern in dienender Funktion gegenüber dem Bürger, der sie bezahlt.

Die Memoiren von Tennessee Williams liegen gerade herum. Da findet sich: „Ich schreibe über ´kleine Leute`. Aber gibt es überhaupt ´kleine Leute`? Manchmal denke ich, es gibt nur ´kleine` Konzeptionen von Menschen.“*****)

Herr Gabriel: Für Sozialdemokraten gibt es erst recht keine kleinen Leute. Sondern nur kleine Geister!

*) BILD-INTERVIEW MIT SPD-CHEF SIGMAR GABRIEL, 08.12.2012.

**) http://www.stipendiumplus.de/de/36.php

***) http://rotstehtunsgut.de/2010/04/20/aufstand-der-privilegierten/.

****) am Mittwoch, den 7. Dezember 2011 um 18:00 Uhr bei der FAZ, Hellerhofstraße 9 in Frankfurt am Main.

*****) Frankfurt am Main, S. Fischer, Mai 1988, S. 295.

Nachtrag 23.12.2012: Zum Anspruch „Eliteschmiede“ der „SPD-Führungsakademie“, früher schlichter „Parteischule“, ist die bedenkenswerte Stellungnahme der hochangesehenen „Helga Ziemann, 1987 bis 2001 Geschäftsführerin der SPD-Parteischule und rechte Hand des früheren SPD-Bundesgeschäftsführers Peter Glotz“, hervorzuheben. Frau Ziemann betonte 2007, „dass die ´Eliteschulung` nicht im Sinne der Gründungsväter der Parteischule sei. Die ´Förderung willkürlich ausgesuchter Nachwuchspolitiker, die der Parteileitung politisch genehm`seien, führe in die falsche Richtung. ´Das ist nichts anderes als das, was Burschenschaften oder große Firmen seit Jahrzehnten praktizieren. Das wurde von der SPD bisher kritisch beurteilt.`“ Werden solche Stimmen durch elitäre Prätention auch in der Schulungsarbeit der SPD verdrängt? (s. Thomas Leif, Angepasst und ausgebrannt: Die Parteien in der Nachwuchsfalle … ; Leif wird zitiert nach der Leseprobe, books.google.de, Ohne Seitenangabe.)