Der „Russland-Beauftragte“

der Bundesregierung. Unter dieser „Amts“-Bezeichnung präsentieren u.a. der SPIEGEL und die Neue Osnabrücker Zeitung politische Warnungen Gernot Erlers (MdB-SPD) zur Lage in der Ukraine. Ist hier versteckte Ironie zu vermuten?

Halten wir noch einmal den zwischen den USA und der EU abgestimmten Stand der Information zum Geschehen in der Ukraine fest.

Erstens: Russlands Präsident Putin hat Landraub (Krim!) und militärische Intervention – Lieferung schwerster Waffen und Einsatz von Führungspersonal für terroristische, pro-russische Rebellen in der Ostukraine – gegen den europäischen, demokratischen Staat Ukraine zu verantworten.

Zweitens: Alle bisher erhobenen Informationen (Indizien oder Beweise) deuten auf die pro-russischen Terroristen der Ostukraine als Täter des Massenmords am Flug MH17. Die Arbeit von Experten, den Hergang aufzuklären, wurde überdies von den Terroristen mit Schützenhilfe Russlands gewalttätig behindert.

In einem lesenswerten Artikel in der ZEIT stimmt Gernot Erler der westlichen Bewertung der Lage in der Ukraine im wesentlichen zu.

Aber dann beginnt er, ganz sonderbare Politik zu betreiben, sozusagen eine Politik des Appeasement, der Beschwichtigung gegenüber Putin im Nachhinein.

Nachdem Putin durch militärische Gewalt seine Ziele weitgehend erreicht hat, sagt uns Herr Erler: „Die westlichen Forderungen sind klar und berechtigt: Kein Geld, keine Waffen, keine Söldner, dichte Grenzen! Aber ist vorstellbar, dass Putin dem folgt und dann zuschaut, wie seine Schützlinge von den ukrainischen Sicherheitskräften besiegt werden?“ *1)

Im Gespräch mit der NOZ versetzt sich Erler in die Lage Putins: „Der russische Präsident Wladimir Putin steht unter sehr starkem Druck, die von ihm unter Schutz genommenen russischsprachigen Bewohner der Ostukraine nicht im Stich zu lassen. Wenn die Separatisten in die Nähe einer militärischen Niederlage kommen, dann kann niemand ein direktes Eingreifen Russlands über die Grenze hinweg ausschließen.“ *2)

Das klingt schon sehr als vorauseilendes Verständnis Erlers für neuerliche militärische Aggression Putins zugunsten von dessen „Schützlingen“ (Erler). „Schützlinge“ – darunter gewalttätiges, wüst gegen Helfer und Experten auftretendes, schwer bewaffnetes Gesindel von Plünderern und Fledderern an Leichen!

Ist dem „Russland-Beauftragten“ der Bundesregierung die Funktion des „Putin-Verstehers“ zugewiesen worden?

Keineswegs. Wäre dem so, sollte es Bürgerprotest gegen den Haushalt des Auswärtigen Amtes (AA) hageln.

Die in der Presse eher selten zu findende korrekte Bezeichnung für Erlers Funktion im AA lautet: „Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft.“ *3)

Zu diesen 12 Partnerländern gehören: Russland, die fünf zentralasiatischen Republiken (Turkmenistan, Usbekistan, Kirgistan, Kasachstan,Tadschikistan), die Ukraine, die drei südkaukasischen Republiken (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) sowie Moldau und Belarus. Mindestens die Hälfte dieser Partnerländer sieht sich durch Putins Aggressions-Politik gefährdet, bedroht oder beurteilt die Politik Putins gegenüber den Nachbarn argwöhnisch.

Mit seinen Warnungen vor der transatlantisch vereinbarten Sanktionspolitik hat Erler sich seine Koordinatoren-Aufgabe sehr leicht gemacht. Wenn nicht gar ein stark defizitäres Verständnis seiner Koordinatoren-Funktion im AA offenbart.

Erlers Aufgabenbeschreibung im AA *3) lautet:

„Für den Koordinator geht es darum, den gesellschaftlichen Dialog im Vorfeld der offiziellen Politik zu intensivieren und in den Dienst der genannten politischen Ziele Deutschland(s) zu stellen.“

Das politische Hauptziel deutscher Außenpolitik gegenüber dem beschriebenen östlichen Nachbarschaftsraum der 12 Partnerländer ist ebenfalls vom AA klar definiert:

Über „die regionale Zusammenarbeit Probleme und Konflikte zu entschärfen und zu lösen.“

Und die „wichtigsten EU-Programme zu unterstützen und mit Leben zu füllen.“

Diesen außenpolitischen Zielen sollte der „Koordinator“ dienen.

Durch Beiträge zur „zwischengesellschaftlichen Zusammenarbeit“ mit diesen Partnerländern. Denn, so stellt das AA zu Recht fest: In allen 12 Partner-Ländern „meldet sich eine aktive und reformbereite Zivilgesellschaft immer häufiger zu Wort, für die wir ein guter Partner sein wollen.“ *3)

Putins militärische Aggression bedroht den Frieden und die Stabilität nicht nur in Europa, sondern auch im südkaukasisch-zentralasiatischen Nachbarschaftsraum Europas. Unter Putins Führung droht Russland, als mächtiger, atomarer „Schurken-Staat“ gefürchtet und behandelt zu werden.

Wie wäre es, wenn Erler den schwierigen Weg seiner eigentlichen Aufgabe als AA-Koordinator wählte? Nämlich, solche Sorgen des Westens und seiner Bürger der russischen Zivilgesellschaft nahezubringen, die durch Putins massiv geführten Informationskrieg völlig desorientiert scheint.

Statt uns Bürgern mit „Putins Druck“-Situation und düsteren Warnungen vor seinem Militär zu kommen, sollte Erler besser mit den Putin-kritischen, für politische Reformen kämpfenden VertreterInnen der russischen Zivilgesellschaft in Dialog treten. Damit Deutschland diesen Reformkräften „ein guter Partner“ ist. *3)

Will Gernot Erler diese sicher sehr schwierige Aufgabe als AA-Koordinator angehen? Wir erwarten und hoffen dies. Wenn nicht, sollte er sein wichtiges Amt im AA einem Sozialdemokraten übergeben, der dazu bereit und befähigt ist.

Denn wenn seine fälschliche Pressebezeichnung „Russland-Beauftragter“ einen ironischen Beigeschmack bekommen sollte, wäre dies ein schwerer Schaden für diese wichtige Funktion deutscher Außenpolitik.

*1) UKRAINE-KRISE. Die Sanktionen werden den Konflikt nicht lösen. EIN GASTBEITRAG VON GERNOT ERLER; zeit.de 1. August 2014 (Hervorhebung RS).

*2) „Putin unter sehr starkem Druck“. Krise in Ukraine: Erler warnt vor direktem Eingreifen Russlands, von Uwe Westdörp. „Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), warnt vor einer Eskalation der Krise in der Ukraine.“ www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/495135/krise-in-ukraine-erler-warnt. Veröffentlicht am: 01.08.2014.

*3) Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft; www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Koordinatoren/D-RUS-Koord/.