Diplomatie und politische Bildung.

Wie ist auf das Scheitern der Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat zu reagieren, für das China und die Russländische Föderation schwere Verantwortung tragen?

„Großer Fehler“ (Außenminister Westerwelle), „schreiende Schande“ (UN-Botschafter Peter Wittig), „hässliche Fratze“ (Die WELT), „Russland will eben Probleme machen“ (SZ) – für jedes Maß verständlicher Empörung und jedes Temperament ist etwas dabei.

Am stärksten hat mich ein Interview beeindruckt, das Herr Botschafter Ischinger nach Abschluss der Münchener Sicherheitskonferenz im TV gab. Dies Interview stellte eine kurze und doch profunde Information der Öffentlichkeit von großer Tragweite dar. Hier zeigte sich die Quintessenz diplomatischer Denkweise: Prozessdenken, Analyse von Konflikten (Ursachen, Dynamik), Verhandlungspositionen, Optionen für Konvergenz und Kompromisse.

Leider wurde das Interview nicht schriftlich festgehalten. Ich möchte daher versuchen, die Sichtweise des bedeutenden Diplomaten zum Syrien-Problem wiederzugeben. Herrn Botschafter Ischinger sind selbstverständlich Fehler im Verständnis oder der Formulierung meinerseits nicht zuzurechnen. Für alle Irrtümer bin nur ich verantwortlich.

Das Scheitern der Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat sei zutiefst bedauerlich. Aber dies bedeute nicht das Ende eines Prozesses der Zusammenarbeit für eine Lösung. Darauf deuten einige positiv zu würdigende Tatsachen hin.

Die weltweite Empörung über das Blutvergießen und die Missachtung der Menschenrechte in Syrien zeige Reife im Urteil der internationalen Gemeinschaft. Zwischen der arabischen Liga und den westlichen Ländern sei gleiche Bewertung und Sicht auf das Problem Syrien festzustellen. Indien als eines der größten und einflussreichsten „Schwellenländer“ stimme der Syrien-Resolution zu. Bedeutsam sei zudem die Reise des russischen Außenministers zu Gesprächen nach Damaskus.

Das Veto der Russländischen Föderation sei vielleicht der folgenden Überlegung geschuldet: Der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrates sei seinerzeit – aus russischer Sicht völkerrechtswidrig – eine militärische Intervention gefolgt. Dies könnte sich, so mag die russische Führung denken, im Fall einer Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrates wiederholen. Russlands Veto entspreche daher – aus russischer Sicht – der Verantwortung, in Syrien eine Kriegsintervention zu verhindern.

So enttäuschend das Verhalten Chinas und Russlands im UN-Sicherheitsrat sei, es dürfe nicht aufgegeben werden, an einer gemeinsamen Lösung des Syrienkonflikts weiter zu arbeiten. Dabei komme einer Zusammenarbeit im Fall Syrien strategische Bedeutung zu.

Wenn „die internationalen Entscheidungsträger dieses aktuellste und ernsteste Problem“ (W. Ischinger) zuerst kooperativ bewältigen können, besteht dann begründete Hoffnung, so mag der Bürger fragen, dass diese Zusammenarbeit auch im Konflikt um den Iran trägt?

Botschafter Ischingers Analyse zum Syrienkonflikt stellt zugleich einen bedeutenden außenpolitischen Bildungsimpuls dar. Analysen solcher Qualität können das Vertrauen der Bürger in die außenpolitische Kapazität Europas und Deutschlands stärken, mit Konfliktsituationen in den Nachbarschaftsräumen angemessen umzugehen.

Diplomatie verdient als Gegenstand politischer Bildung den höchsten Stellenwert.