Klimapolitik und Wissenschaft.

„Augstein und Blome“ leisten in ihren kurzen TV-Debatten Beiträge zur politischen Bildung, die diese Branche dankbar begrüßen und verwenden sollte.

Diesmal ging es um Klimapolitik und einen Beitrag des Sozialdemokraten Fritz Vahrenholt.

Als Vertreter der herrschenden Meinung (HM) politischer Korrektheit erwies sich eindrucksvoll Augstein, der Blome „publizistischen Populismus“ mit der erstaunlichen Begründung „ins Klo gegriffen“ vorwarf. Und gegen Vahrenholt setzte er die Totschlag-Keule ´Sarrazin der Klimapolitik` ein.

Beide stritten über die Richtung einer Politik der Energiewende: Augstein sieht Vahrenholt als „Lobbyisten“ für den RWE-Konzern, der die „Energiewende verschlafen habe“. Blome fragt, wieso 50 % der Fördergelder in Solarenergie fließen, die gerade mal 5% zum Stromangebot beitrage. Und dies, obwohl seit 1998 (so Vahrenholt) die Erde nicht wärmer und seit etwa 10 Jahren die Gletscher nicht kleiner würden. Damit stritten sie allerdings am energiepolitischen Ziel Vahrenholts völlig vorbei.

Fritz Vahrenholt, Chemiker und langjähriger Umweltpolitiker, hat mit dem Geologen Sebastian Lüning ein Buch seines klimawissenschaftlichen Sinneswandels vorgelegt. Im Interview (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 13.02.2012) erläutert er den Beitrag.

Klimapolitisch ist Herrn Vahrenholt selbst aus rigider HM-Sicht nichts vorzuwerfen. „Die CO2-basierenden Energien Kohle, Öl und Gas müssen zurückgedrängt werden“, weil sie: erstens, zum Klimawandel beitragen; zweitens, in 50 – 100 Jahren erschöpft seien; drittens, sehr stark aus Ländern importiert werden, die nicht demokratisch verfasst und damit potentiell instabile und unsichere Lieferanten seien. „Es gibt also viele Gründe, in Erneuerbare zu investieren“, fasst der Vorstandsvorsitzende der RWE Innogy zusammen. Herr Vahrenholt hat sich also der Förderung der erneuerbaren Energiequellen beruflich verschrieben und nicht dem Lobbyismus gegen die Erneuerbaren, wie Augstein unterstellt.

Aus Vahrenholts Sicht sei allerdings folgender empirischer Befund erklärungsbedürftig: Seit 1998 steige der Ausstoß des Treibhausgases CO2, weil fossile Energien weiterhin genutzt werden, aber die Erd-Temperatur erhöhe sich nicht. Außerdem hätte im Zuge des Klimawandels nach herrschender Theorie des UN-Klimarats IPCC die Windstärke zunehmen müssen. Dagegen stehe die Beobachtung, dass die Erträge der Windenergieanlagen zurückgingen. Die Sonnenaktivität sei als Erklärungsfaktor des Klimageschehens gegenüber dem CO2-Ausstoß vernachlässigt worden.

Damit wolle Vahrenholt, so die Vorwürfe gegen ihn, die „horrenden Erderwärmungsszenarien“ (Vahrenholt), die vom UN-IPCC vorhergesagt werden, relativieren. Das macht ihn für Augstein also zum „Sarrazin“ der Klimapolitik. Hier wieder der Versuch („Kloschüssel“) öffentlicher Hinrichtung, der Sanktion, die jedem droht, der aus der HM-Spur läuft.

Ich durfte bereits im Wintersemester 1966/67 an der Universität Hamburg von meinem unvergessenen akademischen Lehrer, Prof. Dr. Jens Lübbert (Einführung in die Volkswirtschaftslehre, als Umdruck zur Vorlesung herausgegeben), lernen: „Faktenbefunde können niemals eine Hypothese ´beweisen`: Sie können nur verfehlen, diese zu widerlegen; dies ist, was wir generell meinen, wenn wir sagen … dass die Hypothese durch die Fakten ´bestätigt` worden sei.“ (Friedman, Milton, Essays in Positive Economics, Chicago, London, 1953, S. 8 f.; zitiert nach Lübbert, Jens, a.a.O., S. 38 f.; aus dem Englischen übersetzt, RS).

Der Nobelpreisträger der Ökonomie akzeptiert für wissenschaftliches Arbeiten also nur die „provisional working hypothesis“ (Friedman, Milton, The Permanent Income Hypothesis, in: Macroeconomic Theory: Selected Readings, Edited by Williams, Harold R., Huffnagle, John D., New York 1969, S. 158). In der Wissenschaft stehen Hypothesen somit unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit. Sie können als Arbeitshypothese nützlich sein, solange sie nicht in ständiger Konfrontation mit den Fakten widerlegt sind. Gerade wissenschaftlich gestützte Politik muss diesen Vorbehalt beachten.

Die politisch korrekte HM, vertreten durch Herrn Jakob Augstein, will nun anscheinend den wissenschaftlichen Prozess kritischer Thesenprüfung diskreditieren. Gegenüber dieser Anmaßung ist selbstverständlich weitere empirische Beobachtung geboten, um die CO2-Klima-Hypothese entweder zu falsifizieren oder weiterhin vorläufig zu bestätigen.

Mit dem Vorwurf an Vahrenholt, „180 Grad gegen den mainstream“ zu stehen, rufen Augstein und Gleichgesinnte zu Konformismus auf, verlassen die Sphäre der Wissenschaft und erweisen sich als Ideologen. Dass in dieser Kontroverse die BILD auf der Seite wissenschaftlicher und auch politischer Vernunft steht, gehört zu den Wundern der Medien-Welt.