Sieger unter sich.

Sie hatten es geschafft. Das Halali wurde geblasen. Zwei Bundespräsidenten zur Strecke gebracht.

Doch die Jagd ist für die große Vorsitzende der Grünen noch nicht zu Ende. Ihr geht es jetzt um die Regierungschefin. Mal sehen!

Wer Treasure Island und John Silver sorgfältig studiert hat, ist gegenüber diesem Typ Politico vielleicht immun. Und hoffentlich fähig zu einem analytischen Blick auf diese außergewöhnliche politische Begabung. Über welches Talent und Charisma Frau Roth verfügt, zeigt sich und zeigt sie selbst gern bei ihren kontrastreich zelebrierten Auftritten mit dem Ko-Vorsitzenden, dem „Obama Deutschlands“ (Zitat von J. Trittin).

Jede Bühne könnte diese Schauspielerin ausfüllen. Zwischen jeder Rolle im Spektrum Mutter, Marketenderin, Furie völlig mühelos wechselnd – von einer Sekunde zur anderen. Hoffentlich legen Politikwissenschaftler ein Video-Archiv der Auftritte dieser Dame für Studenten des Faches an.

Da hatte Frau Roth also die TV-Runde von Herrn Jauch um sich geschart. Lauernd und zugleich überströmend jovial zeigte sie sich. Es ging ihr um die Ausrichtung dieser Klein-Gruppe, die nun die Masse der Bürger in Gang setzen soll. Stellvertretend dafür waren die Claqueure versammelt. Denen plazierte sich die Regisseurin der Empörung genau gegenüber, fest zur Kontrolle entschlossen. Jetzt und hier bei TV-Jauch. Das musste klappen, jahrzehntelange Praxis gibt traumwandlerische Sicherheit.

Zunächst kam, was lateinische Kulturen verächtlich kommentieren: „Del arbol caído se hace leña – aus dem gefallenen Baum wird Kleinholz gemacht“. Nachtreten! Natürlich genau den angepassten Ton treffend: Barmend, leiser Klageton, fast hilfloser Appell, wo bleibt ihr denn, wer kommt mir in meiner harten Pflicht und Not zu Hilfe – und da ist er, der Beifall für die Litanei der Beschuldigungen. Zufrieden wird die Welt umarmt: „Günther!“ – zu Herrn Beckstein, CSU, der wie hypnotisiert eine Hymne zum Ruhm der Dame vom Stapel lässt. Zu Herrn Wulff war ihm nichts eingefallen.

Und dann führt uns die Grüne eine Lehrbuchweisheit vor: Gruppen – vom Kegelklub bis zur Partei – üben häufig Druck auf ihre Mitglieder aus, um Uniformität von Werten, Verhalten oder Beurteilungen zu erreichen. Und nicht nur das, starkem Druck ist nicht selten jedes Mitglied in einer Gruppe ausgesetzt, das versucht, eine abweichende Meinung zu äußern. *)

Und Frau Roth weiß, wie Konformität erzwungen, wie ein Abweichler auf Linie oder ins Abseits gebracht wird. Natürlich nur – das ist ja die politische Kunst – wenn der Wind richtig weht! Und das war in Jauchs Runde ohne jeden Zweifel der Fall.

Beinhart interveniert Frau Roth ungefragt bei jeder Differenz, bis alle wissen, was zu tun ist: Herr Blome rechnet noch einmal ab. Dafür nimmt Frau Roth reaktionsschnell „die Medien in Schutz“ – gegen den Vorwurf der Kampagne. Der rabiate Buchhalter von Arnim streicht den Ehrensold. Immerhin widersprach Herr Baum. Dabei durfte es nicht bleiben. In mitfühlend daherkommender Hinterlist fragt Deutschlands Lieblingsmoderator Jauch den einzigen Freund des Gestürzten, wie pleite Herr Wulff denn sei nach all den Anwaltskosten?

Der Freund, Herr Rossmann, einziger Unternehmer der Runde, verweigert sich dieser Zumutung. Als Außenseiter in dieser Gruppe fordert er den Rest von Anstand ein. Er steht zu seinem Freund. Ohne Rücksicht auf seine geschäftlichen Interessen. Widukinds Stamm! Herr Rossmann schildert den Freund, den er seit Jahrzehnten kennt. Doch jedes Wort schlägt die große Hetzmutter nieder – mal so, mal so, aber immer sofort. Der Freund, Herr Rossmann, wird gänzlich isoliert; dieser politischen Durchschlagskraft hat der Mann nichts entgegenzusetzen.

Dann bricht aus ihm die Sorge um die Gesundheit des Freundes Wulff heraus. Da wird klar, wie effektiv die Grüne ihre Gruppe im Griff hat. Des Mienenspiels bedurfte es nicht mehr: Aus der Menge der Claqueure ein Ha, ein Oh, ein Oho, erst zögerlich, dann anschwellend – gerade noch von den Regisseuren der Szene unter Kontrolle gebracht. Selbst der Initiator der Recherchen in Niedersachsen, Herr Blome, zeigte sich ablehnend.

Da war Gustave Le Bon (s. Wikipedia) wieder einmal bestätigt: Er hatte bekanntlich nachgewiesen, wie „der Einzelne, auch der Angehörige einer Hochkultur, in der Masse seine Kritikfähigkeit verliert und sich affektiv, zum Teil primitiv-barbarisch, verhält. In der Massensituation ist der Einzelne leichtgläubiger und unterliegt der psychischen Ansteckung. Somit ist die Masse von Führern leicht zu lenken.“

Nach wochenlangem Trommelfeuer aus Politik und Medien zeigte es sich in lehrbuchmäßiger Deutlichkeit. Nicht nur in der TV-Runde. Auch auf unseren Straßen. Eine Passantin, eine junge Frau, wird zur Skandal-Liste gefragt: „Erst dachte ich, was soll denn das; aber wenn man es immer wieder hört, das geht doch nicht, jeder Beamte kommt ins Gefängnis, und der da oben erlaubt sich alles …“ So und ähnlich in X-Variationen der gerade jetzt um Bürgernähe bemühten TV-Sender.

Mit Genugtuung kann vermerkt werden, dass kein Mitglied der von Niedersachsen dominierten SPD-Führung im Bundestag sich für dieses Spektakel zur Verfügung gestellt hatte. Bevor wir jedoch Noblesse festschreiben, sollten wir rekapitulieren: Über ein Jahrzehnt liegt der Kampf Christian Wulffs gegen die Saubermänner um „Glogo“ zurück. Und vor fast 10 Jahren gewann er die Wahl gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Gabriel. Nun werden die Genossen den Absturz Wulffs kalt genossen haben. Sie hatten im Bundestag dem frisch gewählten Bundespräsidenten schon ominöse Blicke zugeworfen, was im TV zu sehen war.

Nur einmal wäre Herrn Rossmann fast ein Punkt gelungen. Da fragte er nach den Privilegien und Vorzugskonditionen, die von den so gnadenlos anklagenden Politikern und Journalisten gern in Anspruch genommen werden. Sogar Herr von Arnim blieb still, als Claudia Roth hochging: Nicht ich! Und überhaupt! Meinetwegen kann das alles abgeschafft werden! Herr Rossmann konnte zwar ein großes Unternehmen aus kleinsten Anfängen aufbauen. Aber gegen solche Rabulistik ist er wehrlos.

So können die Grünen zufrieden die zweite Kerbe in ihr Curare-Blasrohr schneiden.

*) Vgl. Cartwright, Dorwin; Zander Alvin; Group Dynamics, (Eds.), 3. Auflage, New York … ,1968, S.141.