Drogenkonsum ohne Drogenpolitik.

Unser Drogenkonsum ist Mord und Zerstörung – per Fernsteuerung.

Solch krasse Feststellung muten uns nicht unsere Politiker zu. Sie werden sich hüten. Denn der Konsum von Drogen scheint mit unserem modernen Lebensstil verbunden. Nicht nur als Teil der Jugendkultur, sondern „in allen Wählerschichten und ´bis hinein ins Altersheim`“ (focus.de; 25.1. 2012).

Dafür helfen uns die Vereinten Nationen, um zu ermessen, was der Massenkonsum von Suchtgiften bedeutet. Im Juni 2012 haben sie sich an die Weltöffentlichkeit gewandt: mit der Sitzung zum Thema „Drogen und Entwicklung“*) und mit dem World Drug Report**).

Die Vereinten Nationen informieren uns, dass sich in den Industrieländern Nordamerikas sowie West- und Mitteleuropas der Drogenkonsum konzentriert. Bei Cannabis sind es 33 % und bei Kokain 58 % des weltweiten Verbrauchs (WDR, S. 24, eig. Ber.). Heroin aus Afghanistan kommt über die Balkanroute noch hinzu.

Der UN-Befund, dass die Suchtgift-Nachfrage vor allem von den reichen Ländern ausgeht, überrascht nicht. Zum soziokulturellen Lebensstil tritt hohe Kaufkraft. Die UN informieren uns auch, was wir damit in der Welt anrichten.

Unser Drogenkonsum ist eine der Ursachen für den Ruin vieler Jugendlicher in Entwicklungsländern, die sich am „Western way of life“ (WDR, S. 87) orientieren. Darüber hinaus erodieren staatliche und gesellschaftliche Ordnung in Entwicklungsländern, die von Drogenanbau oder Drogentransit betroffen sind.

Der kurze Hintergrundbericht der UN (DaD) zur destruktiven Wirkung der Drogenkriminalität gerade auf Entwicklungsländer sollte die reichen Gesellschaften Nordamerikas und Europas aufrütteln.

Heute seien sowohl „das Ausmaß als auch die geographische Verbreitung (des Geschäfts mit illegalen Drogen, RS) beispiellos.“ Mächtige Drogenkartelle „unterminieren die staatliche Autorität und die Rechtsstaatlichkeit, indem sie Korruption verbreiten, Wahlen fälschen und die legitime Wirtschaft schädigen.“ Geschäftsleute und qualifizierte Arbeitnehmer fliehen ihr Heimatland; der soziale Zusammenhalt wird zerstört, vor allem die „Lebensperspektiven und Lebensqualität der Armen, der Frauen, der Kinder.“

Das Drogengeschäft verbindet sich mit Waffen- und Menschenhandel, lässt „Familien zerfallen und bringt Elend über Tausende unbeteiligter Menschen, … untergräbt wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und verbreitet Verbrechen, Instabilität, Unsicherheit.“ Am härtesten treffe es die fragilsten Entwicklungsländer.

All diesen Horror befeuert unser gesellschaftlich weitgehend akzeptierter Drogenkonsum: ein weltweites Geschäft von 1,3 Bio. US-Dollar, dessen illegale Profite auf über 320 Mrd. Dollar geschätzt werden (DaD).

Diese Profite werden vor allem in unseren reichen Staaten erwirtschaftet, und damit liefern wir den Verbrechern die Macht für ihr Treiben in den armen Ländern. Darüber hinaus verlangen wir, dass in diesen Ländern der Kampf gegen die Drogenbosse geführt wird.

Allein in Mexiko hat das militärische Vorgehen des Präsidenten Calderón gegen die Drogenkartelle seit 2006 mindestens 60 000 Menschenleben gefordert. Keineswegs alles Kriminelle, wie die Regierung zunächst behauptet habe (Economist, June 23, 2012, S. 51).

Wer könnte nicht verstehen, wenn die Stimmung der Menschen in Mexiko so beschrieben wird: „Die Mexikaner sind es müde wie im Chicago der 1920er Jahre zu leben, bloß weil die Gringos weiterhin Drogen kaufen wollen.“ (Time, July 2, 2012, S. 29, Übers. RS).

Täuschen wir uns nicht. Mit „Gringos“ sind auch wir Europäer gemeint. Und nicht nur in Mexiko, sondern in allen armen Ländern, die mit Drogenanbau oder mit Drogentransit leben müssen, wächst der Hass armer Menschen gegen die reichen Länder. Weil sie es bis obenhin satt haben, unter dem ihnen auferlegten „Krieg gegen die Drogen“ zu leiden. Während der Drogenkonsum – moderat natürlich – in unseren reichen Ländern als schicker Lebensstil gepflegt wird.

Und zu all dem, was uns die Vereinten Nationen mitzuteilen haben, bleibt es hier bei der Feststellung: „Expertenwelt genauso gespalten wie die Politik“ (focus.de). Also weiterhin Schwanken zwischen Repression und Duldung – das eine so verheerend wie das andere. Allein die LINKE wagt eine drogenpolitische Idee: Einrichtung von Cannabis-Clubs. Da äußert gleich ein Staatsanwalt Bedenken: Einfallstor für Kriminelle.

Dies ist ein erbärmlicher Diskussionsstand, vor allem bei den politischen Kräften, die ständig die internationale Solidarität im Munde führen. Denkt mal darüber nach, wie es gehen könnte, wenn Ihr Euch mit diversem Alkoholischen auf Kosten des Steuerzahlers zuprostet. Dass die Meinungslage bei Experten und in der Politik „gespalten“ ist, kann nicht länger den status quo rechtfertigen.

Herr Meyer-Thompson von der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin e.V. wird von focus.de mit folgendem Urteil zur drogenpolitischen Lage zitiert: „Die fortgesetzte Kriminalisierung habe dazu geführt, dass der Markt mit neuen Produkten aufwartet, die in ihrer Wirkung konzentrierter seien. ´Die Folgen der Prohibition macht man zu einem Grund, diese Prohibition aufrecht zu erhalten. Das ist ein Denkfehler`, sagte er.“

Dieser Denkfehler perpetuiert das von unserem Drogenkonsum verursachte Elend der Armen in vielen armen Ländern. Deshalb sind gerade unsere „progressiven“ Politiker aufzufordern: Beschäftigt Euch mit den Vereinten Nationen nicht nur dann, wenn es gegen die USA oder gegen die Bundesregierung geht. Seht über den Tellerrand Eurer innenpolitischen Interessen hinaus und redet nicht nur, sondern handelt endlich in gebotener internationaler Solidarität.

Der Weg zu einer wirksamen nationalen und internationalen drogenpolitischen Zusammenarbeit, die das von den UN aufgezeigte Elend in den Entwicklungsländern adressiert, ist schwierig und lang genug. Festhalten am drogenpolitischen status quo macht Euch aus Sicht der armen Länder zu Komplizen der Drogenkartelle.

*) UN, 66th Session, 26 June 2012, Drugs and Development, (hier als DaD zitiert, RS).

**) World Drug Report 2012, New York, June 2012; www. unodc.org; (hier als WDR zitiert, RS).