Staatsmann Ehud Barak.

Der Verteidigungsminister Israels in dieser kritischen Lage im Nahen Osten gehört zu den großen Staatsmännern unserer Zeit.

In Deutschland scheint man wenig an Ehud Baraks Sicht zu den Konflikten in dieser europäischen Nachbarschaft interessiert. Umso lieber wird den interessant vorgetragenen Meinungen der Herren Todenhöfer oder Lüders oder PolitikerInnen gelauscht, die mal wieder den „Spagat“ zwischen Israel und seinen wohlmeinenden Nachbarn absolvieren.

Ein Grund mehr, Herrn Verteidigungsminister Barak, der ohnehin nicht viele Worte macht, aufmerksam zuzuhören.

Die Gelegenheit findet sich bei Time*). Ja, die Ausgabe mit Frau Bundeskanzlerin Merkel als Titelbild. Und mit der Titelgeschichte „Enough with the Insults“, in der die Krisenpolitik der Kanzlerin gegen die in Europa verbreiteten Hetzkampagnen verteidigt und gewürdigt wird. Das allein garantiert geringe Leserschaft im „progressiven“ Politikspektrum Deutschlands.

Die Äußerungen Ehud Baraks dürften also weitgehend ignoriert werden. Gerade dort, wo Zuhören am wichtigsten wäre. Nämlich in jenen Kreisen, die vom Vorsitzenden Sigmar Gabriel orientiert und informiert werden, auch über den Staat Israel. „Apartheid“ hatte Herr Gabriel dort im März 2012 festgestellt.

Deshalb werden hier Positionen des Verteidigungsministers Ehud Barak referiert.

Erfolgsbedingungen einer Koalitionsregierung in Krisenzeiten.

Erstens, gegenseitiger Respekt auf der Leitungsebene und die Fähigkeit, gut miteinander zu arbeiten.

Zweitens, gleiche Sichtweise und Beurteilung gegenüber den wesentlichen Problemen und Themen, die zu bearbeiten sind. Bei Differenzen muss klar sein, wie diese geregelt werden.

Drittens, die für das Spitzenpersonal jeweils vitalen Interessen werden geachtet und nicht beschädigt.

Viertens, kein Koalitionspartner hat den Drang, einen Konflikt zu provozieren, nur um anderen, z.b. Parteigruppierungen, etwas zu beweisen.

Ehud Baraks vier Bedingungen illustrieren uns Geräuschpegel und Reibungsverluste, gegen die Bundeskanzlerin Merkel ihre Krisenpolitik immer wieder erklären muss. In vielen, jedem Interessierten verständlich formulierten Reden, Interviews und Video-Mitteilungen, Herr Bundespräsident! Und sie verdeutlichen die Verantwortungslosigkeit bei Koalitionspartnern und in der Eurogruppe, gegen die das notwendige Sparen und Reformieren von der Kanzlerin durchzukämpfen ist.

Ehud Baraks analytische Checklist für Regierungsführung in Krisenzeiten wird sicher den Erwartungen auch vieler Bürger in Deutschland entsprechen. An diesen Kriterien gemessen, scheinen einige Vertreter der Regierungskoalition die Lage für wenig kritisch zu halten.

Positionen zu den Konfliktherden in Nahost.

Frieden mit den Palästinensern. Ein Prozess schrittweiser, harter Arbeit. Mit der Perspektive eines „Interim-Abkommens“, das die gemeinsamen Vorstellungen über die weitere stufenweise Entwicklung der Beziehungen klärt. Unilaterales Vorgehen der Palästinenser für den Status als UN-Mitgliedsstaat und Zugang zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag – anscheinend Europas Lieblingsprojekt – würde in „unangemessener Weise Sensitivitäten in Israel treffen“. Dies könne den Palästinensern nicht viel helfen.

Syrien. Große Distanz zwischen unfassbaren Gräueltaten und dem gebotenen, zeitnahen und wirksamen Handeln der Weltgemeinschaft. Große Distanz.

Nuklearprogramm Iran. Zur derzeitigen Kombination von Sanktionen und Diplomatie äußert Ehud Barak große Skepsis, dass dies zum Einlenken Irans führe. Es sei keineswegs mehr eine Frage von Jahren, dass Irans Nuklearprogramm die „Zone der Immunität“ erreicht. Das heißt, dann könne keine „praktikable, chirurgische Operation“ mehr die nukleare Schlagfähigkeit Irans unterbinden. Iran sei nur durch eine Kombination von „carrots and a big stick in the background“ zu bewegen. Er erkläre in vollständiger Offenheit und Klarheit: Die Regierung Israels beteiligt sich nicht „an einer Theateraufführung, um den Iran zu beeindrucken.“ Diese Aussagen Ehud Baraks bedeuten: Die Regierung Israels wird nicht reden, sondern handeln.

Arabischer Frühling. Optimismus beruhe eher auf Wunschdenken im Rahmen westlich geprägter Vorstellungen als auf der Realität. Auf mittlere Sicht zeigt sich Barak nicht optimistisch, da der Arabische Frühling mehr und mehr von Islamisten, darunter einigen sehr radikalen, bestimmt werde. Auf sehr lange Sicht könne sich wahrscheinlich Positives entwickeln, wahrscheinlich!

Vielsagend: Das Gespräch mit Ehud Barak begann verspätet. Nach Monaten der Ruhe hatte Hamas aus Gaza wieder Raketen gefeuert. Frage: Zusammenhang mit den ägyptischen Wahlen? Antwort: Ich kann nicht in Seelen dringen; aber da besteht wahrscheinlich eine Verbindung.

*) 10 Questions, Israeli Defense Minister Ehud Barak …, Karl Vick, Time, July 16, 2012, S. 56.